Heimzöglinge revoltieren: Der radikalste, expressivste und poetischste Film von Werner Herzog

Auch Zwerge haben klein angefangen

Heimzöglinge revoltieren: Der radikalste, expressivste und poetischste Film von Werner Herzog

24.11.2015

Von Zatopek

Auch Zwerge haben klein angefangen

Nicht der Lieblingswahnsinnige der Bürgerlichen, Klaus Kinski, steht hier im Mittelpunkt des Geschehens. Vielmehr sind es die kleinwüchsigen Insassen einer Besserungsanstalt, die den Zwergenaufstand proben. Grotesk wirken ihre schrillen Stimmen und ihre eckigen, oft unbeholfenen Bewegungen. Es ergeben sich komische und lächerliche, aber auch alptraumhafte Szenen.

Die Zwerge sind zwar klein, oft niedlich, aber nicht gutmütig. Sie haben keinen Plan, wie man etwas anders und besser machen könnte. Sie diskutieren nicht einmal. Sie verhöhnen lediglich die Anstaltsordnung und führen die herrschenden Sitten als lächerlich vor.

Man warf Herzog vor, mit diesem Film die revolutionären Bestrebungen der 68er zu verhöhnen. Doch verteidigen wollte er den gesellschaftlichen Status Quo keineswegs: Der Film ist eine Parabel, die bürgerliche Welt eine Anstalt. Die Menschen sind degeneriert, Zwerge; ebenso der einzige Aufseher, der im Film vorkommt. Zwerge können nur Zwerge hervorbringen. Da sie keine Strategie haben, ist ihr Aufstand sinnlos. Herzog ist keiner, der die Chancen zu einer Verbesserung der Gesellschaft thematisiert.

Seine romantische, nihilistische, fatalistische Haltung lässt keine Vision zu einer besseren oder sozialeren Welt zu. Die karge, fast vegetationslose Landschaft ohne Perspektive verstärkt lediglich den Eindruck der Aussichtslosigkeit des Aufstands. Was dabei herausspringt ist die expressive Poesie einer Anarchie, die sich ins Apokalytische steigert und einmalige, nie gesehene und unvergleichbare Bilder hervorbringt.