Auch die Arbeitgeber profitieren

Mitbestimmung Die Gewerkschaften in der Region trommeln für die Betriebsratswahlen.

19.03.2018

Von Matthias Reichert

82 Prozent Beteiligung verzeichneten vor kurzem die Betriebsratswahlen bei Kion in Mittelstadt, berichtet der ehrenamtliche DGB-Kreisvorsitzende Matteo Scacciante stolz. Betriebsräte nutzten den Arbeitnehmern wie den Arbeitgebern. Einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zufolge hätten Unternehmen mit Betriebsräten nicht nur höhere Löhne, sondern auch motiviertere Mitarbeiter und eine höhere Produktivität, so Scacciante.

Noch bis Ende Mai werden die neuen Betriebsräte gewählt. Ab fünf Beschäftigten kann im Betrieb eine Interessensvertretung gegründet werden. Freistellungen für Betriebsräte gibt es ab 150 Beschäftigten. 30 900 Erwerbstätige sind allein in der Region in den Betrieben der IG Metall stimmberechtigt, so die Erste Bevollmächtigte Tanja Silvana Grzesch. Von 103 Mitgliedsbetrieben würden 95 einen neuen Betriebsrat wählen. Und nur sechs davon mit Listenwahl, die übrigen setzten auf die von den Gewerkschaften bevorzugte Persönlichkeitswahl. Es gebe aber im Raum Reutlingen und Tübingen keine rechtspopulistische Liste, unterstreicht Grzesch. Solche Listen machten zuletzt bei Daimler in Sindelfingen Negativ-Schlagzeilen.

Im Verdi-Bezirk wählen Volksbanken, Sparkassen, Kliniken, Telekommunikationsbetriebe und Busunternehmen Betriebsräte, berichtet Verdi-Bezirkschef Benjamin Stein. „Unser größtes Sorgenkind ist der Handel.“ Zwar gebe es in Konzernen wie Galeria Kaufhof, Kaufland und H+M Betriebsrats-Strukturen. Doch in den meisten übrigen Unternehmen seien Betriebsräte Fehlanzeige. Oft seien geheime Kellertreffen zur Vorbereitung einer solchen Wahl nötig. Denn vor den Wahlen gibt es noch keinen Kündigungsschutz, wie ihn Betriebsräte dann genießen.

Drei Betriebsratsgründungen

In der Region sind 2017 in drei Metallbetrieben neue Betriebsräte gegründet worden, berichtet Grzesch. Und auch aktuell gebe es Anfragen aus mehreren Belegschaften. Ohne Betriebsräte keine Mitbestimmung, sagt Grzesch. Das zeige sich dann etwa am Fehlen von Sozialplänen bei Schließungen.

Manchen kleinen Betrieben müsse Verdi von der Betriebsratsgründung aber abraten, sagt Stein. Etwa, wenn dort alle Mitarbeiter nur befristet beschäftigt seien. Das sei in manchen Baumärkten der Fall. Dort würden einige Arbeitgeber nach der Eröffnung sogar versuchen, ihnen genehme Betriebsräte zu installieren.

Die Gewerkschafter fordern die Ausweitung der betrieblichen Mitbestimmung. Betriebsräte gehörten besser geschützt, es brauche mehr Freistellungen. Die Gewerkschaften unterstützen Betriebsräte mit Beratung, anwaltlicher Hilfe und Schulungen. Zunehmend schwierig sei die Vertretung der bundesweit 1 Million Leiharbeiter und knapp 10 Millionen prekär Beschäftigten.

Bei der Post werden die Betriebsräte erst Anfang Mai gewählt. Laut dem stellvertretenden Reutlinger Betriebsratschef Jörg Wolff haben sie unter anderem erreicht, dass die Arbeitszeit reglementiert wird und ein festes Dienstende bekommt. Und alle 14 Tage bekommen Post-Mitarbeiter ein festes freies Wochenende von Samstag bis Montag.

Zum Artikel

Erstellt:
19.03.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 15sec
zuletzt aktualisiert: 19.03.2018, 01:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Aus diesem Ressort
Newsletter Recht und Unrecht
Sie interessieren sich für Berichte aus den Gerichten, für die Arbeit der Ermittler und dafür, was erlaubt und was verboten ist? Dann abonnieren Sie gratis unseren Newsletter Recht und Unrecht!