Zorniger oder Dutt in Stuttgart vor dem Aus? VfB-Präsident Wahler schweigt

Auf Tauchstation

Die Verantwortlichen des Stuttgarter Traditionsvereins führen seit Tagen Krisengespräche hinter verschlossenen Türen. Von der steilen Talfahrt ihrer Profimannschaft scheinen sie unvorbereitet und schwer getroffen.

24.11.2015

Von ARMIN GRASMUCK

Bernd Wahler ist seit September 2013 hauptamtlicher Präsident des VfB Stuttgart. Foto: Imago

Bernd Wahler ist seit September 2013 hauptamtlicher Präsident des VfB Stuttgart. Foto: Imago

Bernd Wahler ist ein angenehmer Zeitgenosse. Die Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle des VfB Stuttgart mögen ihren Präsidenten. Er strahlt positiv, plaudert hin und wieder charmant sogar von privaten Vorlieben. Wahler ist ein Mann aus der Welt des Sport, über Jahrzehnte war er als Manager für die Spitzenunternehmen Adidas und Nike rund um den Globus im Einsatz. Er stammt wie Alexander Zorniger aus dem schönen Remstal. Ein Sturschädel, ungehobelt und unbelehrbar, ist Wahler keineswegs. Der VfB-Boss ist von Natur aus ein Mannschaftsspieler, er setzt auf die Kraft der Gemeinschaft - und auf gute Atmosphäre. Bläst der Wind etwas kräftiger, gefriert sein Lachen. Dann duckt er sich weg.

Die ruhige und gelassene Art des Klubobersten hebt sich eigentlich wohltuend von den übereifrigen bis überheblichen Dauerplauderern auf der Führungsebene des Stuttgarter Traditionsvereins ab, die selbst in Krisenzeiten fabulieren, als hätten sie die Weisheit mit dem Löffel zu sich genommen. In der akuten Notlage ist Wahler als Leitfigur gefragt, als starker Mann, der mit klaren Entscheidungen auch als Gesicht nach außen eine Linie vorzugeben versucht, an der sich die Angestellten und die zahlreichen Anhänger des Klubs orientieren können. Doch Wahler schweigt - und der VfB schlingert scheinbar führungslos dem Abgrund entgegen.

Nach dem 0:4-Debakel gegen den Tabellenletzten Augsburg wirkte der Präsident auf seinem Platz auf der Haupttribüne der genauso schockiert wie die Verantwortlichen am Spielfeldrand, Zorniger und der Sportvorstand Robin Dutt. Danach ist er abgetaucht. Kein Wort zu dem verheerenden Auftritt, kein Wort zu dem Trainer, dem die Mannschaft verloren gegangen scheint.

Es redet nur Dutt. Er verbreitet Phrasen wie "knallharte Analyse" und Parolen wie "Dieser Auftritt ist nicht zu akzeptieren, wir werden das kein weiteres Mal dulden." Wen er damit glaubt drohen zu können, lässt der Sportchef offen. Die Geduld der Anhänger, selbst Dutt hat es registriert, ist aufgebracht. "Oh, wie ist das schön" - die Hohn- und Spottgesänge der Fans aus der Cannstatter Kurve richteten sich auch gegen ihn, den Hauptverantwortlichen des sportlichen Bereichs.

Selbst die leidenschaftlichen VfB-Anhänger haben bemerkt, dass der von Dutt vollmundig wie hochtrabend angekündigte Neubeginn mit dem von ihm gewählten Spielsystem bereits drei Monate nach Saisonbeginn in einem einzigartigen Chaos aus mehr oder weniger katastrophalen Auftritten der Mannschaft und dem höchst negativen Gesamteindruck resultiert, das den Klub an den Rande des Abgrunds zu führen scheint.

Es fällt auf Dutt zurück, dass der VfB den Schritt in die Zukunft mit einem äußerst gewagten Konzept ohne doppelten Boden und taktisch wie personell alternativlos umzusetzen versucht. Der auf diesem Gebiet relativ unerfahrene Sportvorstand hat Zorniger, einem Neuling in der Bundesliga, zugetraut, eine neue Mannschaft mit neuer Grundstruktur zu etablieren. Der Sturm an die Spitze, ohne grundsolide Basis und die nötige Routine, ohne entsprechendes Spielermaterial zudem - das hat in der deutschen Eliteliga noch keiner geschafft. Es liegt an dem Präsidenten, das Harakiri auf schnellstem Wege zu beenden.