Schiene
Auf dem Gleis des Erfolgs
Die Deutsche Bahn hat das schwierige vergangene Jahr gut überstanden. 2021 stehen jedoch große Umwälzungen an. Die Grünen könnten dabei eine entscheidende Rolle spielen.
Corona überschattete alles, damit natürlich auch das Bahn-Jahr. Eigentlich wollte der Staatskonzern 2020 so richtig loslegen. Ins neue Jahrzehnt war die Bahn mit Fahrgastrekorden gestartet. Dann kam Corona. Es folgten der Appell der Bundesregierung, weniger zu reisen, und damit ein dramatischer Fahrgasteinbruch. Die Bahn beförderte im ersten Halbjahr mit 663 Millionen Passagieren im Nah- und Fernverkehr 37 Prozent weniger Fahrgäste als in der ersten Jahreshälfte 2019 – ein katastrophaler Wert. Die Folge ist ein Anstieg des Schuldenbergs auf 30 Milliarden Euro. Dennoch war nicht alles schlecht. Im Gegenteil – die Bahn hat die Weichen für die Zukunft gestellt.
„Die Deutsche Bahn hat das Corona-Jahr gut gemeistert“, lobt der Ehrenvorsitzende des Fahrgastverband Pro Bahn, Karl-Peter Naumann. So stellt die Bahn nun die aus dem Kaiserreich stammende Kupplung von Güterwaggons per Hand auf die Digitale Automatische Kupplung um. Damit soll der Güterverkehr konkurrenzfähig zum Lkw werden. Es gab zudem die Verständigung über den Ausbau des Nachtzugverkehrs zwischen Deutschland, Frankreich, Österreich und der Schweiz. Finanziell unterfüttert werden die Maßnahmen von einer Bundesregierung, die so viel Geld wie noch nie in die Schieneninfrastruktur steckt. Eines der wichtigsten Projekte wurde ebenfalls angeschoben: der Deutschlandtakt. An Knotenbahnhöfen treffen Züge künftig zur gleichen Zeit ein und fahren kurz danach wieder ab. Das Umsteigen wird leichter, der Fahrgast spart Zeit.
Das deckt sich auch mit den Erfahrungen des Bundestagsabgeordneten Gastel, der darauf hinweist: 2020 waren viel weniger Reisende unterwegs. Gastel fuhr 2020 mit 79 Fernzügen, 2019 waren es noch 149 gewesen. Er beobachtete, dass durch die geringe Auslastung der Züge vor allem das Wlan besser funktionierte. Doch damit dürfte es dann vorbei sein, wenn wieder mehr Reisende einsteigen. Auch die Pünktlichkeit dürfte darunter leiden. Jüngst hatte Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla das Ziel von 85 Prozent ausgegeben. Ob der Zug pünktlich kommt und der Anschluss erreicht werden kann, wird in den kommenden Jahren maßgeblich sein für die Wahl des Verkehrsmittels – und damit auch für das bundespolitische Ziel einer Verdoppelung der Fahrgastzahlen bis 2030.
Kampf mit der Gewerkschaft
Die Bahn wird sich 2021 nicht nur mit Corona, der Rückgewinnung der Passagiere, dem Schuldenberg und der Umsetzung der Projekte Deutschlandtakt und Digitalisierung herumschlagen müssen. Es steht die Auseinandersetzung mit der Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL) an. GDL-Chef Klaus Weselsky steht mit der Bahn auf Kriegsfuß, ebenso wie mit der konkurrierenden Gewerkschaft EVG, die viel mehr Mitglieder hat und sich mit der Bahn bereits in Sachen Tarifvertrag geeinigt hat. Gibt es im Streit zwischen GDL und Bahn keine Lösung, drohen im Frühjahr Streiks, die den Fern-, Regional- und S-Bahn-Verkehr lahmlegen könnten.
Hoffnung dürfte die Bahn im Wahljahr trotz der Herausforderungen schöpfen. Sollten die Grünen an einer Regierung beteiligt sein, wollen sie das Bundesverkehrsministerium besetzen. Und die Öko-Partei ist ein klarer Fan der Schiene. „Die politische Bevorzugung des Straßenverkehrs muss ein Ende haben“, sagt Bahnsprecher Gastel. „Es braucht eine Strategie, mit der sich nach der Pandemie Kunden zurück- und neu gewinnen lassen.“ Wenn es nach den Grünen geht, sieht die so aus: Weniger Geld für die Straße, mehr für die Schiene.
So wollen die Grünen die Bahn umbauen
Pünktlich zum neuen Jahr und neun Monate vor der Bundestagswahl haben die Grünen ein Konzept vorgelegt, wie sie den Schienenverkehr in Deutschland umkrempeln wollen. Ziel ist, dass sich der Anteil der Bahn am Personenverkehr bis 2030 auf 20 Prozent verdoppeln soll, der des Güterverkehrs soll von 19 auf 30 Prozent anwachsen.
Das soll gelingen, indem die Politik stärker in die Steuerung des Bahnangebots eingreift. So soll der Bund eine Koordinierungsstelle für den Fernverkehr einrichten, die die Fahrpläne bestimmt und dem Bundesverkehrsministerium unterstellt ist. Zudem sollen alle deutschen Großstädte an das Fernbahnnetz angeschlossen werden.
Die Grünen wollen zudem die Nachtzugverbindungen innerhalb Deutschlands ausbauen, um mit dem Flugverkehr konkurrieren zu können. In den Zügen soll es Schlaf- und Liegewagen, Liegesessel und sogenannte Ruhekapseln geben.
Darüber hinaus streben die Grünen eine neue Rechtsform der Bahn an. Statt als gewinnorientierte Aktiengesellschaft sollen Gesellschaften für das Netz und die Bahnhöfe künftig gemeinwohlorientiert arbeiten. Dafür soll sich der Staatskonzern eines Großteils seiner 700 Tochterunternehmen entledigen.
Damit sich die Pläne umsetzen lassen, soll weniger in den Straßenbau investiert werden. Staatseinnahmen aus der Lkw-Maut, die für die Straße gedacht sind, sollen in die Schiene fließen.