Schiene

Auf dem Gleis des Erfolgs

Die Deutsche Bahn hat das schwierige vergangene Jahr gut überstanden. 2021 stehen jedoch große Umwälzungen an. Die Grünen könnten dabei eine entscheidende Rolle spielen.

07.01.2021

Von Dorothee Torebko

Sicher auch in Corona-Zeiten: Die Bahn hat einige Maßnahmen in Gang gebracht, um das Reisen sicher zu machen. Dennoch haben die zurückgehenden Passagierzahlen Spuren hinterlassen. Foto: Christoph Schmidt/dpa

Sicher auch in Corona-Zeiten: Die Bahn hat einige Maßnahmen in Gang gebracht, um das Reisen sicher zu machen. Dennoch haben die zurückgehenden Passagierzahlen Spuren hinterlassen. Foto: Christoph Schmidt/dpa

Berlin.. Wohl kaum ein Bundestagsabgeordneter fährt so gern mit der Deutschen Bahn wie Matthias Gastel. Der bahnpolitische Sprecher der Grünen- Bundestagsfraktion pendelt nicht nur zwischen dem Wahlkreis in Baden-Württemberg und seinem Berliner Büro, er führt darüber auch Tagebuch. Akribisch notiert er, wann welcher Zug wie viele Minuten Verspätung hatte und ob das Bistro funktionierte. Das macht er seit sechs Jahren. Doch ein Jahr wie das vorherige hat er selbst noch nicht erlebt.

Corona überschattete alles, damit natürlich auch das Bahn-Jahr. Eigentlich wollte der Staatskonzern 2020 so richtig loslegen. Ins neue Jahrzehnt war die Bahn mit Fahrgastrekorden gestartet. Dann kam Corona. Es folgten der Appell der Bundesregierung, weniger zu reisen, und damit ein dramatischer Fahrgasteinbruch. Die Bahn beförderte im ersten Halbjahr mit 663 Millionen Passagieren im Nah- und Fernverkehr 37 Prozent weniger Fahrgäste als in der ersten Jahreshälfte 2019 – ein katastrophaler Wert. Die Folge ist ein Anstieg des Schuldenbergs auf 30 Milliarden Euro. Dennoch war nicht alles schlecht. Im Gegenteil – die Bahn hat die Weichen für die Zukunft gestellt.

„Die Deutsche Bahn hat das Corona-Jahr gut gemeistert“, lobt der Ehrenvorsitzende des Fahrgastverband Pro Bahn, Karl-Peter Naumann. So stellt die Bahn nun die aus dem Kaiserreich stammende Kupplung von Güterwaggons per Hand auf die Digitale Automatische Kupplung um. Damit soll der Güterverkehr konkurrenzfähig zum Lkw werden. Es gab zudem die Verständigung über den Ausbau des Nachtzugverkehrs zwischen Deutschland, Frankreich, Österreich und der Schweiz. Finanziell unterfüttert werden die Maßnahmen von einer Bundesregierung, die so viel Geld wie noch nie in die Schieneninfrastruktur steckt. Eines der wichtigsten Projekte wurde ebenfalls angeschoben: der Deutschlandtakt. An Knotenbahnhöfen treffen Züge künftig zur gleichen Zeit ein und fahren kurz danach wieder ab. Das Umsteigen wird leichter, der Fahrgast spart Zeit.

„Die Deutsche Bahn hat das Corona-Jahr wirklich gut gemeistert.“ Karl-Peter Naumann, Pro-Bahn Ehrenvorsitzender. Foto: Karlheinz Schindler

„Die Deutsche Bahn hat das Corona-Jahr wirklich gut gemeistert.“ Karl-Peter Naumann, Pro-Bahn Ehrenvorsitzender. Foto: Karlheinz Schindler

Mit dem Deutschlandtakt werde ein „sehr erfolgversprechendes Ziel verfolgt“. lobt Gastel. Damit der neue Takt auf möglichste viele Metropolen ausgeweitet wird, ist Pünktlichkeit Voraussetzung. Die hat die Bahn besser in den Griff bekommen als in den vergangenen Jahren. Laut DB-Statistik waren 2020 bis einschließlich November 81,7 Prozent der Fernzüge pünktlich. Eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Vorjahr, wo nur 75,9 Prozent nach Plan im Bahnhof einrollten. Der Pro-Bahn-Ehrenvorsitzende Karl-Peter Naumann weist darauf hin, dass dies „immer noch ein schlechter Wert“ sei. „Vor allem, weil ein nicht unerheblicher Teil durch Störungen an den Fahrzeugen oder der Strecke ausgelöst wurde“, sagt der Bahn-Kenner.

Das deckt sich auch mit den Erfahrungen des Bundestagsabgeordneten Gastel, der darauf hinweist: 2020 waren viel weniger Reisende unterwegs. Gastel fuhr 2020 mit 79 Fernzügen, 2019 waren es noch 149 gewesen. Er beobachtete, dass durch die geringe Auslastung der Züge vor allem das Wlan besser funktionierte. Doch damit dürfte es dann vorbei sein, wenn wieder mehr Reisende einsteigen. Auch die Pünktlichkeit dürfte darunter leiden. Jüngst hatte Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla das Ziel von 85 Prozent ausgegeben. Ob der Zug pünktlich kommt und der Anschluss erreicht werden kann, wird in den kommenden Jahren maßgeblich sein für die Wahl des Verkehrsmittels – und damit auch für das bundespolitische Ziel einer Verdoppelung der Fahrgastzahlen bis 2030.

Matthias Gastel ist der Bahn-Experte der Grünen. Foto: Michael Kappeler/dpa

Matthias Gastel ist der Bahn-Experte der Grünen. Foto: Michael Kappeler/dpa

Zum Ärger über unpünktliche Züge kam 2020 noch der Gesundheitsschutz der Fahrgäste hinzu. Die Bahn kämpfte im Frühjahr darum, das Vertrauen der Kunden wiederzugewinnen. Maskenpflicht, Schwerpunktkontrollen und eine Umstellung des Reservierungssystems im Fernverkehr waren einige Maßnahmen. „Am Anfang wurde die Maskenpflicht sehr wenig kontrolliert“, sagt Bahn-Kenner Naumann. „Das ist besser geworden.“ Der Bundestagsabgeordnete Gastel beobachtete, dass die Maskenpflicht in den von ihm genutzten Zügen zu 90 Prozent eingehalten wurde. Das bestätigt die Bahn. „Bahnfahren ist sicher“, betont Personenverkehrsvorstand Berthold Huber. Dennoch waren die Fernzüge im Herbst nur zu einem Viertel gefüllt.

Kampf mit der Gewerkschaft

Die Bahn wird sich 2021 nicht nur mit Corona, der Rückgewinnung der Passagiere, dem Schuldenberg und der Umsetzung der Projekte Deutschlandtakt und Digitalisierung herumschlagen müssen. Es steht die Auseinandersetzung mit der Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL) an. GDL-Chef Klaus Weselsky steht mit der Bahn auf Kriegsfuß, ebenso wie mit der konkurrierenden Gewerkschaft EVG, die viel mehr Mitglieder hat und sich mit der Bahn bereits in Sachen Tarifvertrag geeinigt hat. Gibt es im Streit zwischen GDL und Bahn keine Lösung, drohen im Frühjahr Streiks, die den Fern-, Regional- und S-Bahn-Verkehr lahmlegen könnten.

Hoffnung dürfte die Bahn im Wahljahr trotz der Herausforderungen schöpfen. Sollten die Grünen an einer Regierung beteiligt sein, wollen sie das Bundesverkehrsministerium besetzen. Und die Öko-Partei ist ein klarer Fan der Schiene. „Die politische Bevorzugung des Straßenverkehrs muss ein Ende haben“, sagt Bahnsprecher Gastel. „Es braucht eine Strategie, mit der sich nach der Pandemie Kunden zurück- und neu gewinnen lassen.“ Wenn es nach den Grünen geht, sieht die so aus: Weniger Geld für die Straße, mehr für die Schiene.

So wollen die Grünen die Bahn umbauen

Pünktlich zum neuen Jahr und neun Monate vor der Bundestagswahl haben die Grünen ein Konzept vorgelegt, wie sie den Schienenverkehr in Deutschland umkrempeln wollen. Ziel ist, dass sich der Anteil der Bahn am Personenverkehr bis 2030 auf 20 Prozent verdoppeln soll, der des Güterverkehrs soll von 19 auf 30 Prozent anwachsen.

Das soll gelingen, indem die Politik stärker in die Steuerung des Bahnangebots eingreift. So soll der Bund eine Koordinierungsstelle für den Fernverkehr einrichten, die die Fahrpläne bestimmt und dem Bundesverkehrsministerium unterstellt ist. Zudem sollen alle deutschen Großstädte an das Fernbahnnetz angeschlossen werden.

Die Grünen wollen zudem die Nachtzugverbindungen innerhalb Deutschlands ausbauen, um mit dem Flugverkehr konkurrieren zu können. In den Zügen soll es Schlaf- und Liegewagen, Liegesessel und sogenannte Ruhekapseln geben.

Darüber hinaus streben die Grünen eine neue Rechtsform der Bahn an. Statt als gewinnorientierte Aktiengesellschaft sollen Gesellschaften für das Netz und die Bahnhöfe künftig gemeinwohlorientiert arbeiten. Dafür soll sich der Staatskonzern eines Großteils seiner 700 Tochterunternehmen entledigen.

Damit sich die Pläne umsetzen lassen, soll weniger in den Straßenbau investiert werden. Staatseinnahmen aus der Lkw-Maut, die für die Straße gedacht sind, sollen in die Schiene fließen.

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Erstellt:
07.01.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 07sec
zuletzt aktualisiert: 07.01.2021, 06:00 Uhr

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