Pferde misten, Klassenklima pflegen

Auf dem Kinderbauernhof bekommen Gäste mehr als einen praktischen Einblick in die Landwirtschaft

Noch 521 430 Euro muss der Verein Kinderbauernhof am Brennlesberg sammeln, ehe er das Geld für den Grundstückskauf beisammen hat. Davon hängt die Zukunft des Gomaringer Projekts ab. Gestern war wieder eine Schulklasse da, um beim Füttern, Misten und Zaunbauen den Alltag in der Landwirtschaft kennenzulernen.

14.04.2016

Von Gabi Schweizer

Stallarbeit statt Mathe: Gestern war eine Klasse der Geschwister-Scholl-Schule zu Gast auf dem Gomaringer Brennlesberg. Bild: Franke

Stallarbeit statt Mathe: Gestern war eine Klasse der Geschwister-Scholl-Schule zu Gast auf dem Gomaringer Brennlesberg. Bild: Franke

Gomaringen. Normalerweise würden die Jungen und Mädchen der Klasse 6.3 nun in der Tübinger Geschwister-Scholl-Schule sitzen. Aber an diesem Morgen ist alles anders. Sie stehen im Kreis um Cornelia Schäfer, die Betreiberin des Kinderbauernhofs am Gomaringer Brennlesberg, und hören sich den Tagesplan an: Pferdemist wegkarren, Hasen, Enten, Ziegen und Hühner versorgen, mit dem Hund spielen, den Zaun für den Schweinekoben bauen.

Die Sechstklässler kennen sich aus: Zweimal waren sie bereits da, zwei weitere Male sollen folgen. Sie wissen zum Beispiel, dass die Isländer-Pferde Prinzessa, Kampalampi, Vestri und Perdla heißen. Furchtlos navigieren die Kinder ihre Schubkarren zwischen den großen Tieren hindurch. Mit den Schaufeln hantieren sie zunächst etwas zögerlich. „Was ist das denn?“ fragt Jonas und betrachtet die dunklen Pfützen. „Gülle“, klärt Flo ihn auf: „Pisse.“ An den Turnschuhen sieht man, dass die meisten Kinder eher in der Stadt als auf dem Bauernhof unterwegs sind. Nur wenige tragen Gummistiefel.

„Ich brauch’ mehr Einsatz, sonst seid ihr bis zum Ende des Tages beschäftigt“, spornt Cornelia Schäfer die Pferdegruppe an. Das will natürlich keiner, denn wenn die Tiere versorgt sind, dürfen die jungen Helfer auf dem Gelände spielen. Und so tun sie sich schnell in Zweierteams zusammen: Einer schiebt den Mist auf ein Häufchen, einer schaufelt ihn weg. Ja, die Bauernhofarbeit mache Spaß, versichert Klara. „Manches mehr als anderes“, schränkt sie ein. Am besten findet sie die Freizeit – „einfach bei den Tieren zu sein“. Eine Schaukel steht bereit, die große Wiese eignet sich zum Kicken. Theoretisch gäbe es sogar ein Trampolin, aber das ist an jenem Morgen wetterbedingt außer Betrieb. „Sonst habt ihr nachher alle nasse Socken“, erklärt Cornelia Schäfer.

Noch wartet viel Arbeit vor der Pause. Die Hühner-Crew überlegt, wohin und wie sie das Hühner-Häuschen versetzen soll. Es hat eine Vorrichtung für Räder und wandert immer dorthin, wo das saftigste Gras wächst. Moritz macht einen Klimmzug an der Schubkarre, Winta ruft „Puttputt“ und stellt die Wasserschüssel zur Seite. Als es ans Verschieben geht, packt Peter Wössner mit an – er ist Lehrer an der Geschwister-Scholl-Schule und Cornelia Schäfers Bruder. Seit jeher hilft er in der Landwirtschaft mit, die seine Eltern gegründet haben. Ein Vollerwerb war es nie, der Hof ist „aus einem Hobby entstanden“.

Zumindest für Cornelia Schäfer, gelernte Erzieherin, ist es inzwischen ein Vollzeitjob. Vieles davon macht sie ehrenamtlich. Angestellt ist die Gomaringerin beim Netzwerk Leben der evangelischen Kirchengemeinde. Dieses schickt seit einigen Jahren Kinder mit besonderem Förderbedarf aus den evangelischen Kindergärten vorbei. Aus dieser Kooperation ist der Kinderbauernhof erwachsen. Die Arbeit mit Tieren soll Blockaden lösen, das Sozialverhalten verbessern, neue Impulse setzen. Mittlerweile feiern Kinder auf dem Brennlesberg ihren Geburtstag. Vereine, Schulklassen und Kindergärten, auch aus Nachbarorten, kommen zu Besuch. An Tagen der Offenen Tür hat Familie Wössner / Schäfer schon an die 100 Gäste begrüßt. Kinder sollen Landwirtschaft kennenlernen dürfen, findet Cornelia Schäfer. Immer wieder erlebt sie, wie solche Aktionstage sich positiv auf das Sozialverhalten der kleinen Besucher auswirken: „Die kommen anders, als sie gehen. Auch die coolen Jungs.“ Neulich war eine Schulklasse da, deren Zusammenhalt zerrüttet war. „Eher nochmal drauf, wenn einer lag“ – so beschreibt Schäfer das Klima. Zehn Besuche hatte die Schule gebucht, und schon nach dem dritten oder vierten Mal berichtete die Lehrerin, die Kinder verhielten sich sozialer und hülfen sich gegenseitig.

Ob der Gomaringer Kinderbauernhof erhalten werden kann, hängt davon ab, wie viele Spender, Sponsoren und Darlehensgeber sich in den kommenden Wochen finden. Denn die Flächen – mehrere Flurstücke zwischen Hechinger und Lindenstraße – sind nur gepachtet und sollen verkauft werden. Laut Gemeinderatsbeschluss könnten dort sechs Doppelhäuser entstehen. Die Eigentümerin hat dem Verein jedoch bis Ende Juni ein Vorkaufsrecht eingeräumt. Inklusive Notar und Grunderwerbssteuer muss der gemeinnützige „Kinderbauernhof am Brennlesberg“ 660 000 Euro aufbringen. 138 570 Euro hat er schon beisammen. Auch kleine Beträge helfen, macht Schäfer deutlich. In etlichen Geschäften stehen derzeit Spendenkässchen. Wenn Schulklassen zu Besuch kommen, erhalten die Eltern ein Infoblatt mit der Bitte um Unterstützung. Dass manche Familien nicht viel geben können, ist Schäfer klar. Das Angebot soll offen für alle sein, betont sie – und hofft darauf, dass wohlhabendere Eltern dafür großzügig spenden. Langfristig müsse der Verein auch andere Geldquellen finden.

Allein im vergangenen Jahr gab es auf dem Hof 239 Aktionen für 1500 Kinder. Ab Herbst soll ein Bundesfreiwilligendienstler das Team unterstützen. Die Tiere sind den Trubel schon gewohnt. Gänzlich unbeeindruckt wuseln die Hasen durch den Stall, den Jule und Patricia ausmisten. Später sollen zwei der Tiere geschlachtet werden. Die Mädchen sind sich uneins, wie schlimm sie das finden. „Wir haben ihnen Namen gegeben“, sagt Jule. Einige Mitschülerinnen sind weniger sentimental.

In der Klasse haben sie besprochen, wer beim Schlachten dabei sein will und wer nicht. Cornelia Schäfer plädiert für einen offenen Umgang mit dem Thema – bei den eigenen Kindern hat sie gute Erfahrungen damit gemacht. „Wenn du im Supermarkt Fleisch kaufst, muss auch ein Schwein dafür sterben“, erklärt sie größeren Besuchern des Bauernhofs. Sie selbst allerdings wird wie immer nicht zusehen: „Ich konnte und kann ganz schlecht damit umgehen.“

Kinderbauernhof sucht Unterstützer

Wer den gemeinnützigen Verein Kinderbauernhof am Brennlesberg unterstützen will, kann dies auf verschiedene Weise tun.

Privatdarlehen ab 500 Euro werden auf fünf oder zehn Jahre gewährt und mit maximal einem Prozent verzinst.

Spenden sammelt der Verein auf folgenden Konten: VR Bank Steinlach-Wiesaz-Härten, IBAN DE03 6406 1854 0232 7590 06, BIC GENODES1STW; Kreissparkasse Tübingen, IBAN DE26 6415 0020 0001 6021 15, BIC SOLADES1TUB.

Paten können monatlich einen bestimmten Betrag spenden, Firmen als Sponsoren agieren.

Der Verein hat bereits 300 Mitglieder, weitere sind willkommen. Infos gibt es unter www.kibago.de oder am Freitag, 15. April, bei einer Infoveranstaltung im CVJM-Heim. Diese beginnt um 20 Uhr.

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14.04.2016, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 14.04.2016, 01:00 Uhr

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