Interview

Auflagen statt Zusagen

Im August findet das Mini-Rock-Festival statt – wohl zum letzten Mal. Die Organisatoren berichten von der Zusammenarbeit mit der Verwaltung, von Planungsschwierigkeiten und davon, was sich ändern müsste.

12.07.2018

Von Mathias Huckert

Ein Plakat kurz hinter der Ortstafel von Horb kündigt das vermutlich letzte Mini-Rock-Festival in Horb an.Bild: Huckert

Ein Plakat kurz hinter der Ortstafel von Horb kündigt das vermutlich letzte Mini-Rock-Festival in Horb an.Bild: Huckert

SÜDWEST PRESSE: Markus
Pagel vom Horber Gemeinderat hat betont, dass man das Festival nicht sterben lassen sollte. Was sagen Sie dazu?

Mini-Rock-Organisatoren: Es klingt immer etwas arrogant, die eigene Wichtigkeit hervorheben zu müssen, aber selbstverständlich darf man den Wert einer Jugendkulturveranstaltung, die jedes Jahr tausende junge Menschen in die Stadt zieht, nicht unterschätzen. Diese jungen Menschen denken an Horb und erinnern sich an die geile Zeit, die sie in dieser Stadt hatten. Natürlich sollte man dieses Projekt nicht sterben lassen.

Was sollte sich generell ändern,
damit das Mini-Rock-Festival irgendwann noch einmal stattfindet?

Es fällt immer leicht, mehr Geld, mehr Material und Unterstützung zu verlangen, aber das trifft es nicht. Wie wir schon sagten, war der Aufwand ehrenamtlich nicht mehr zu bewältigen. Zum einen müssten wir uns fragen, wie wir unser Team so aufstellen, dass es möglich wäre. Zum anderen müssten die Behörden sich fragen, wie man einer Veranstaltung wie dem Mini-Rock-Festival das Leben leichter machen könnte. Wir fragen uns hier: Wie kann man beispielsweise Sicherheitsfragen und ehrenamtliches Engagement von Kulturschaffenden in Einklang bringen? Die Problematik steigender Bürokratie und größer werdender Auflagen betreffen nicht nur uns als Festival, sondern hunderte Veranstaltungen in der Region. Wir müssen mindestens ein Jahr vor der Veranstaltung wissen, wo das MRF stattfinden kann. Das war dieses Jahr nicht gegeben, das wäre im kommenden Jahr nicht gegeben, da wir laut Stadtverwaltung eine 100-Prozent-Zusage über die Hochbrückenbaustelle erst im Herbst bekommen. Aber es geht ja nicht nur um ein Gelände und Planungssicherheit. Am Anfang hat das mit dem Mini-Rock-Festival auch immer gut geklappt – ohne die Stadt Horb gäbe es das Festival überhaupt nicht. Aber irgendwann blickst du in diese ungewisse Zukunft und merkst, dass eine Sache, die eigentlich wahnsinnig Spaß gemacht hat, dich nicht mehr schlafen lässt, die nur noch Belastung ist, deswegen mussten wir irgendwann den Stecker ziehen.

Was waren die Gründe, die letztlich dazu führten, dass das Festival in diesem Jahr zum letzten Mal stattfindet?

Zum einen sind wir erwachsen geworden. Das MRF nach Feierabend zu organisieren, wurde zunehmend schwieriger. Die meisten von uns sind keine Studenten mehr, viele wohnen nicht mehr in Horb. Es ist uns nicht gelungen, uns organisatorisch so zu verändern, dass es den neuen Umständen gerecht wird. Des Weiteren ist der Aufwand in jeglicher Hinsicht gestiegen. Ganz gleich ob es um behördliche Anforderungen oder den inhaltlichen Anspruch an das Festival geht. Zapfhahn und eine Bühne sind heute nicht mehr ausreichend.

Mangelt es also auch an Innovationen für die Zukunft?

Es fehlt keineswegs an Ideen für die Zukunft, aber leider an der Zeit, diese Ideen mit Leben zu füllen und umzusetzen. Dann kamen äußere Umstände hinzu: Wir erfuhren im Februar bei einem Treffen mit Polizei und Stadtverwaltung, dass unser Campingplatz aufgrund von Sicherheitsbedenken nicht genehmigungsfähig ist. Vier Jahre, in denen die Fläche ohne große Zwischenfälle genutzt werden konnte. Fünf Monate vor der Veranstaltung, bei einem Team, das eigentlich schon am Limit fährt, ist das ein harter Brocken. Für die Entwicklung der Ersatzflächen wurde uns Unterstützung zugesagt, die sich im Wesentlichen auf warme Worte beschränkt hat. Bei solchen Vorgängen fragen wir uns, ob den Verantwortungsträgern in den Amtsstuben bewusst ist, mit welchem Aufwand ein solches Festival entsteht.

Mit dem Mini-Rock-Festival verliert Horb auch ein Stück Jugendkultur: Wie wurde die Nachricht vom Ende bisher aufgenommen?

Viele von uns hatten Tränen in den Augen, als wir unsere Seiten in sozialen Medien am vergangenen Freitag beobachteten. Uns erreichen bis heute hunderte Nachrichten von Besuchern, Bands und Partnern. Die Inhalte: Schock, Trauer und Lob, aber auch Verständnis. Für viele war das Festival eine Tradition. Ein Besucher schrieb: „Der Sommer ist gerade ein Stück kälter geworden.“ An dieser Stelle noch einmal ein riesiges Dankeschön an alle. It was a hell of a ride.

Die Stadtverwaltung hat unserer
Zeitung mitgeteilt, dass Sie als
Organisatoren des Mini-Rock-Festivals im Vorfeld Ihrer Entscheidung nicht das Gespräch gesucht hätten. Was sagen Sie zu dieser Aussage?

Was hätten wir denn machen sollen? Mit „Hilfe, wir gehen unter!“-Schildern vor dem Rathaus wedeln? Wir waren damit beschäftigt, ein Gelände neu zu planen, von dem man uns im Februar mitgeteilt hat, das es nicht mehr genehmigungsfähig ist, obwohl nach unseren Informationen die Behörden und die Stadtverwaltung mindestens seit Oktober davon wussten. Wir waren damit beschäftigt, 200 Seiten an hochprofessionellem Sicherheitskonzept zu entwickeln, damit wir überhaupt weitermachen dürfen. Wir waren damit beschäftigt, mit dem FC Horb und dem ASV über neue Campingflächen zu verhandeln, damit wir 2018 auf die Kette kriegen. Da hat ein hübsch ausformulierter „Hilfe, wir sterben!“-Schrei einfach nicht mehr dazwischen gepasst. Außerdem wundert uns die Aussage der Stadtverwaltung ziemlich, wenn man bedenkt, dass wir an die vier Treffen hatten, um das MRF 2018 hinzubiegen und wir jedes Mal ziemlich deutlich wurden, was die Belastung angeht. Wir wollen nun einen Diskurs anregen, wie künftige Veranstaltungen in Horb von und mit Jugendlichen Unterstützung erfahren können. Einstiegshürden und Barrieren müssen gesenkt werden – finanziell, strukturell und organisatorisch.

Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit mit der Verwaltung in all den Jahren?

Wir werden uns immer an das Vertrauen erinnern, das uns der Gemeinderat und Oberbürgermeister Theurer in der Anfangsphase entgegenbrachten, nicht nur wegen der Ausfallgarantie über 10000 Euro aus dem Jahr 2005. Die Zusammenarbeit mit den Fachbereichen war super und hat Spaß gemacht. Wir wollen an der Stelle vor allem Herrn Penck erwähnen, unseren alten Stadtplaner, der mit uns durch die schwierigsten Passagen dieser Veranstaltung geschippert ist. Ein zentraler Ansprechpartner, der nicht nur an Terminen teilnimmt, sondern konkrete Schritte vorantreibt und in die Wege leitet, der die Fäden zusammenhält, fehlt uns seither.

Die Verwaltung sichert Ihnen bei
einer möglichen Fortführung des Festivals die gleiche Unterstützung zu wie bereits in der Vergangenheit. Sollte da mehr kommen?

Die Frage ist, was Unterstützung bedeutet. Es liegt vielmehr an einem nötigen Umdenken, was den eigentlichen Wert dieser Veranstaltung für die Stadt Horb am Neckar angeht. Daraus erwächst das richtige Maß an Unterstützung. Ein wesentlicher Schritt wäre, auf ein gesundes und verhältnismäßiges Maß in Anforderungen und Auflagen zurückzukehren und insbesondere in eine kooperative Zusammenarbeit zurückzufinden. Wir können nicht jedes Mal durch die Stadt rennen und Dinge fordern. Das ist irgendwann, wie durch Sand zu waten.

Was soll nach dem Mini-Rock-
Festival kommen?

Der Verein bleibt bestehen, wir holen ein Jahr Luft und sehen, was passiert.

Wenn Sie auf die 13 Jahre Festival-Organisation zurückblicken, was kommt Ihnen als erstes in den Sinn?

Das Gefühl, wenn man in Berlin einen wildfremden Menschen trifft, der ein MRF-Shirt anhat. Das Gefühl, wenn du jemandem erzählst, dass du aus Horb kommst, und der andere den Satz „Ach, da ist doch das Mini-Rock“ sagt. Oder 2005, als wir alle gemeinsam auf die Bühne gegangen sind, moderiert von unserem Paten Holger Zimmermann, der uns all die Jahre begleitet hat. Da gab es Applaus fürs ganze Team. Das war ein starker Moment und hat uns, glaube ich, all die Jahre begleitet. Das haben wir dann 2014 beim 10-Jährigen noch einmal wiederholt – und das Gefühl war wieder da ...