Horb · Protest

Aufstehen, rebellieren und den Planeten retten

Die Bewegung „Fridays for future“ hatte zum weltweiten Klimastreik aufgerufen. Auch in Horb gingen am gestrigen Freitag Dutzende junge Leute auf die Straße.

21.09.2019

Von Philipp Koebnik

Rund 80 Leute versammelten sich am Freitag auf dem Horber Marktplatz, um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren. Bilder: Philipp Koebnik

Rund 80 Leute versammelten sich am Freitag auf dem Horber Marktplatz, um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren. Bilder: Philipp Koebnik

Ein bisschen ernüchtert waren die Veranstalter vermutlich schon: Im Gegensatz zu Tübingen und Rottenburg gingen in Horb am gestrigen Freitag deutlich weniger Menschen als beim letzten großen „Klimastreik“ auf die Straße. Rund 80 Leute versammelten sich am späten Vormittag auf dem Marktplatz, darunter ungefähr 60 Jugendliche.

Das tat der Motivation jedoch keinen Abbruch. Mitorganisator und Neu-Stadtrat Luis Schneiderhan verwies auf die hunderte Kundgebungen, die in ganz Deutschland geplant waren. „Und wir in Horb sind ein Teil davon!“ Er animierte die Jugendlichen, die inzwischen weithin bekannte Parole zu rufen: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!“ Gekommen waren – abgesehen von ein paar Studenten – vor allem Schüler des Martin-Gerbert-Gymnasiums (MGG), aber auch einige wenige von der Gemeinschaftsschule und der Berufsschule, jedoch anscheinend niemand von der Horber Realschule.

Protestiert wurde gestern, weil am Montag der UN-Klimagipfel in New York beginnt – und, weil am Freitag das sogenannte Klimakabinett der Bundesregierung getagt und Ergebnisse vorgestellt hat.

Demonstrationen für eine entschiedene Klimapolitik und die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens waren nach Angaben von „Fridays for future“ in mehr als 500 deutschen Städten und in rund 140 Ländern geplant. Die Bewegung teilte in einer Pressemitteilung mit: „Die Große Koalition arbeitet auf ein Klimaziel hin, das dem Pariser Abkommen völlig widerspricht und das Ende unserer heutigen Wälder, aller Korallenriffe und etlicher Tier- und Pflanzenarten bedeuten würde.“ Passend dazu erinnerte gestern ein Transparent an einen Spruch, der nordamerikanischen Indianern zugeschrieben wird: Erst wenn der letzte Baum gefällt und alle Flüsse vergiftet sind, werdet ihr feststellen, dass man Geld nicht essen kann.

Zwischen den Redebeiträgen der Organisatoren ertönte auf dem Horber Marktplatz immer wieder Musik aus einer großen Box. Mitorganisatorin Isabel Schneider las aus einem Buch vor, in dem Reden der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg versammelt sind. Der letzte Satz, den die 20-jährige ehemalige MGG-Schülerin zitierte, lautete: „Es ist Zeit zu rebellieren“.

Forderungen und Kritik am Protest

Unter Jubel nannte Schneiderhan Forderungen, die die Klimaaktivisten an die Bundesregierung stellen: der Ausstieg aus der Kohle bis zum Jahr 2030, einhundert Prozent erneuerbare Energien bis 2035, das Ende der Subventionierung fossiler Energieträger, eine Steuer auf alle Treibhausgasemissionen.

Sara Rigotti, die den Protest mitorganisiert hatte, sprach über die immense Bedeutung, die der tropische Regenwald Südamerikas für die ganze Welt hat. Ihn schützen könne man etwa, indem man keine Waren kaufe, deren Produktion mit der Rodung des Walds zusammenhänge. Als Beispiele nannte die 19-jährige ehemalige MGG-Schülerin Rindfleisch und Nuss-Nougat-Creme, die reichlich Palmöl enthält.

Nicht alle Anwesenden waren von der Aktion begeistert. Etwas abseits der Bühne hielt ein junger Horber ein Schild hoch, auf dem stand: „Ihr seid ein Teil des Problems“. Auf Nachfrage der SÜDWEST PRESSE erklärte er, dass er das Anliegen des Klimaschutzes teile. Jedoch warf er den Schülern Heuchelei vor: Sie zeigten mit dem Finger auf andere, etwa die Politik, würden aber ihren eigenen Lebensstil – mit all den schädlichen Folgen fürs Klima – nicht ändern, so der 22-jährige Student Marco, der seinen Nachnamen nicht nennen wollte.

ULH-Stadtrat Hermann Walz nutzte das offene Mikrofon, um seine Sicht der Dinge kundzutun. Er vermisse bei den jungen Leuten den Einsatz gegen das geplante Gewerbegebiet in Ahldorf. Außerdem unterstellte auch Walz den jungen Leuten Doppelmoral. Wie sie denn hergekommen seien, fragte er. „Wir sind gelaufen“, rief die Mehrheit. Walz behauptete jedoch zu wissen, dass manche Schüler mit dem „Elterntaxi“ gekommen seien. Schneiderhan dankte ironisch für diesen „Stimmungskiller“, während Walz sich wieder abseits hinsetzte und die nächste Zigarette anzündete.

Unterstützung kam indes von OGL-Stadträtin Kristina Sauter: „Ihr seid wirklich die letzte Hoffnung für unser Land und den ganzen Planeten“, rief sie den jungen Klimaschützern zu – und warb dafür, Horb fahrradfreundlicher zu machen. Und der 22-jährige Student Jonas Schneider appellierte daran, bei Kaufentscheidungen nicht das Klima zu vergessen, betonte aber, dass auch die Politik ihrer Verantwortung gerecht werden müsse.

Mitorganisatorin Sara Rigotti

Mitorganisatorin Sara Rigotti

Bunter Protest: Einige Schüler hatten selbstgebastelte Schilder dabei.

Bunter Protest: Einige Schüler hatten selbstgebastelte Schilder dabei.

Aufstehen, rebellieren
und den Planeten retten

Wo demonstriert wurde und wer den Protest unterstützt

Zum dritten globalen Klimastreik am 20. September hatte die „Fridays for future“-Bewegung aufgerufen. Allein in Deutschland waren mehr als 500 Kundgebungen angemeldet. Wie der NDR berichtete, haben etwa in Hamburg nach Polizeiangaben 50000 Menschen jeden Alters demonstriert – deutlich mehr als erwartet. In Frankfurt am Main gab es Straßenblockaden. In Darmstadt hat die Polizei zwei Jugendliche festgenommen, bei denen es sich laut den Beamten „allem Anschein nach“ um Klimaaktivisten handelte, wie die Frankfurter Rundschau berichtete. Der 16-Jährige und der 20-Jährige sollen die Worte „Klimastreik“ und „Globaler Streik“ an mehreren Orten in der Innenstadt aufgetragen haben.

Rückendeckung erhalten die Aktivisten etwa von der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, die dazu aufgerufen hatte, den „Fridays for future“-Klimastreik durch das Läuten der Glocken und durch Gebete zu unterstützen. Die evangelische Kirchengemeinde Horb hat deshalb am gestrigen Freitag von 11.50 Uhr bis 11.55 Uhr die Glocken erklingen lassen und anschließend zu einer Andacht eingeladen, wie Pfarramtssekretärin Anneliese Braitmaier auf Anfrage der SÜDWEST PRESSE mitteilte. Im Pfarrbüro der katholischen Kirchengemeinde Horb wusste man auf Anfrage nichts von ähnlichen Aktionen. Zur Unterstützung der Proteste aufgerufen hatten auch einige Gewerkschaften und der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU).

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Erstellt:
21.09.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 42sec
zuletzt aktualisiert: 21.09.2019, 01:00 Uhr

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