Empfingen · Psychologie

Augen geöffnet zu Geschwistern

Buchautorin Cornelia Mack erklärt beim Empfinger Frühstück, wie Beziehungen zu Geschwistern unsere Persönlichkeit und unser Verhalten prägen.

22.05.2019

Von Frank Wewoda

Was macht die Position in der Geschwisterfolge mit uns? Referentin Cornelia Mack brachte die Zuhörer beim Empfinger Frühstück über ihre eigene Rolle in der Herkunftsfamilie ins Gespräch. Bild: Frank Wewoda

Was macht die Position in der Geschwisterfolge mit uns? Referentin Cornelia Mack brachte die Zuhörer beim Empfinger Frühstück über ihre eigene Rolle in der Herkunftsfamilie ins Gespräch. Bild: Frank Wewoda

Die Beziehung zu den Geschwistern sei die längste Beziehung unseres Lebens, sie begleiteten uns in der Regel deutlich länger als Eltern, eigene Partner oder Kinder: Mit diesem vorangestellten Gedanken weckte Cornelia Mack viel Interesse bei ihren Zuhörern im evangelischen Gemeindehaus am Dienstagmorgen.

Wie tief Menschen die beim gemeinsamen Aufwachsen mit Geschwistern entwickelten Verhaltensmuster verinnerlichen, erklärte die Diplom-Sozialpädagogin den Zuhörern des Empfinger Frühstücks genauer. „Es erweitert unseren Lebenshorizont und unser Verständnis für andere Menschen, uns mit der Geschwisterforschung zu befassen“, sagte
sie. Als Begründer dieser Forschungsrichtung gelte Alfred Adler, österreichischer Arzt und Psychotherapeut. An einem von Sigmund Freud veranstalteten „Gesprächssalon“ habe Adler einst gesprochen. Dabei sei er mit Gastgeber Freud so in Streit geraten, dass dieser Alfred Adler schließlich aus dem Haus geworfen habe.

Zweitgeborene Gandhi und Luther

Mack erklärte, Freud sei Erstgeborener, Adler Zweitgeborener gewesen – anhand dieses Beispiels erläuterte die Referentin von ihr als typisch bezeichnete, auf die Position in der Geschwisterfolge zurückzuführende Verhaltensmuster. Zweitgeborene würden oft in Widerspruch gehen, sich in der Rebellenrolle wohlfühlen. Die Revolutionsführer Gandhi, Trotzki, Arafat und Luther seien allesamt Zweitgeborene gewesen, so Cornelia Mack. Sie verhielten sich oft auch trickreich und erreichten auf indirekten Wegen ihre Ziele.

„Sie sind gute Vermittler, verständnisvoll und Herzensgewinner, müssen nicht mit dem Kopf durch die Wand“, umriss Cornelia Mack die Typologie der Zweitgeborenen weiter. Sie hätten vielfach großes Einfühlungsvermögen und pädagogisches Geschick.

Erstgeborene dagegen würden sich als erste Vermittler der Werte ihrer Eltern verstehen. Sie ergriffen oft die Initiative, seien leistungsorientiert, diszipliniert und ernst. „Alle Präsidenten der USA waren bisher Erstgeborene – bis auf Donald Trump“, erzählte Cornelia Mack. Erstgeborene würden sich verantwortlich fühlen, dass die Dinge allgemein „in Ordnung kommen“. Bei der Berufswahl zeige sich das später oft in Tätigkeiten, die für Recht und Ordnung sorgten wie Richter, Rechtsanwälte, Polizisten und Controller.

Perfektionismus und große Schuldgefühle, wenn etwas nicht klappe, seien ebenfalls typische Charakterzüge der Erstgeborenen. Doch auch eine größere Ängstlichkeit schlage sich in ihrem Wesen nieder, denn sie seien eben auch die Ersten, an denen sich die Eltern in der Erziehung versuchen würden. Erstgeborene würden eine neue Generation begründen, hätten daher oft das Bedürfnis voranzugehen und fühlten sich verpflichtet, Erwartungen zu erfüllen – zuerst natürlich jene der Eltern, die den Erstgeborenen oft sehr viel mehr Aufmerksamkeit in der Entwicklung schenkten als später geborenen Geschwistern. „Wir haben bei unserem dritten Kind vergessen, Bilder von der Taufe zu machen“, erzählte Cornelia Mack aus eigener Erfahrung. „Das wäre uns beim ersten Kind sicher nicht passiert.“ Natürlich sei das Thema Persönlichkeit generell zu komplex, um allein auf den Aspekt der Geschwisterfolge reduziert zu werden – „es kann beim Einzelnen daher auch ganz anders sein“, betonte Mack.

Doch unter den Zuhörern bestätigten viele im Gespräch die genannten Charaktermerkmale für sich und ihre Position unter den Geschwistern in der Herkunftsfamilie. Das Thema der „Entthronung“ des Erstgeborenen durch ein neu geborenes Geschwisterchen dürfte vielen geläufig gewesen sein. „Das kann eine tiefe Kränkung sein“, stellte Mack heraus. Ganz andere Erfahrungen machten dagegen Einzelkinder in ihren Familien – sie erlebten sich oft als Mittelpunkt des Universums ihrer Familie ohne „Entthronung“, neigten als Erwachsene dafür zu Alleingängen. Eine ganz andere Rolle nehme ein drittes Kind ein – es fühle sich häufig in einer Sonderrolle, entwickle das Gefühl, eigentlich woanders hinzugehören. Diese Persönlichkeiten seien oft kreativ und humorvoll, hätten eine soziale Ader. Viele dritte Kinder würden sich von künstlerischen oder sozialen Berufen angezogen fühlen. „Sie sind Kümmerer, haben aber keine Lust zu führen“, so Cornelia Mack.

Referentin und Autorin

Cornelia Mack, geboren 1955, studierte Sozialpädagogik mit Schwerpunkt Psychiatrie in Tübingen.
Zu ihren bekanntesten Büchern zählen: „Geschwister: Wie sie das Leben prägen“, „Endlich frei von Perfektionismus“ und „Angst: Verstehen, entmachten, verwandeln“. Die Autorin im Internet: www.cornelia-mack.de

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Erstellt:
22.05.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 59sec
zuletzt aktualisiert: 22.05.2019, 01:00 Uhr

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