Bundesliga

Aus der Bahn geworfen

Alexander Nübel wollte Manuel Neuer im Bayern-Tor beerben. Nun wird der 23-Jährige wohl Bankdrücker. Wie konnte es so weit kommen?

05.06.2020

Von CARSTEN MUTH

Ungewisse Zukunft: Schalkes talentierter Torhüter Alexander Nübel wechselt zur neuen Saison zum FC Bayern. Dort steht ihm aber Stammkeeper Manuel Neuer im Weg. Foto: Bernd Thissen/dpa/Pool/dpa

Ungewisse Zukunft: Schalkes talentierter Torhüter Alexander Nübel wechselt zur neuen Saison zum FC Bayern. Dort steht ihm aber Stammkeeper Manuel Neuer im Weg. Foto: Bernd Thissen/dpa/Pool/dpa

Ulm/München. Vor einem halben Jahr noch stand Alexander Nübel nicht nur das Schalker Tor offen. Der 23-Jährige war die Nummer eins im Kasten des Fußball-Bundesligisten, unangefochten. Sein Team peilte unter dem neuen Trainer David Wagner einen Champions-League-Platz an. Es lief gut. Für Nübel sogar richtig gut. Er war begehrt. Der gebürtige Paderborner, der beim ostwestfälischen TSV Tudorf mit dem Kicken begonnen hatte, galt als das deutsche Torwart-Talent. Der Weg nach oben schien geebnet. Nun, im Frühsommer 2020, sieht Nübels Welt anders aus. Und das hat nichts mit Corona zu tun.

Wie konnte es so weit kommen? In der Winterpause gab er seinen Wechsel zu Bayern München bekannt. Beim Branchenprimus wollte Nübel Manuel Neuer ablösen, den Weltmeister, Champions-League-Sieger, Welttorhüter, deutschen Meister, DFB-Pokalsieger. Die Fachwelt staunte, Fans wunderten sich. Meint der das ernst? Ist der so selbstbewusst oder bloß naiv? Alexander Nübel meinte und meint es ernst. Er will hoch hinaus, traut sich den Sprung zu, will von Neuer lernen – und ja, diesen beerben.

Das Problem: Bayerns Kapitän, ebenfalls ein ehemaliger Schalker, denkt gar nicht daran, seinen Platz zu räumen. Freiwillig ein Spiel herschenken? Nicht mit dem selbstbewussten Nationalkeeper, der sich kaum einen Fehler erlaubt – und es doch tatsächlich geschafft hat, mit 34 nochmal einen gut dotierten Dreijahresvertrag zu erhalten. Talent hin oder her: Ganz so schnell wollen die Bayern-Bosse ihrem neuen Torwart wohl doch nicht die Rolle der Nummer eins anvertrauen. Was wiederum mit einem formstarken Manuel Neuer zu tun hat – aber auch mit dem Nübels Abstieg bei Schalke 04.

Denn dort ist der Schlussmann seit Bekanntgabe seines Wechsels aus der Bahn geworfen worden – und nicht mehr wohl gelitten. Die Pfiffe der eigenen Fans trieben dem 1,93 Meter großen Profi die Tränen in die Augen. Alle Augen richteten sich zu Beginn diesen Jahres auf Nübel. Dieser zerbrach unter dem Druck. Nübel patzte mehrmals. Schalke verlor. Und der nicht immer glücklich agierende Coach nahm seinen Ballfänger aus der „Schusslinie“.

Fortan stand Markus Schubert im Schalker Gehäuse, ebenfalls ein junger Keeper mit Perspektive. Nübel schaute zu – und sah, wie auch Schubert mächtig wackelte. Zuletzt durfte Nübel auf seine letzten Tage bei Schalke mal wieder ran. Eine undankbare Situation. Der zutiefst verunsicherte 23-Jährige kehrte in ein ebensolches Team zurück, das seit elf Partien auf einen Sieg wartet. Das Heimspiel gegen Werder Bremen ging 0:1 verloren. Am Gegentreffer war Nübel schuldlos, die Schalker Krise dauert an.

Die Knappen werden nach Lage der Dinge erneut die Qualifikation für einen internationalen Wettbewerb verpassen. Nübel wird den Klub verlassen. Er zieht nach München – oder etwa doch nicht? Sepp Maier, Bayern-Torwart-Legende, rät dem Noch-Schalker dazu, sich ausleihen zu lassen, um Spielpraxis zu sammeln, wie der 76-Jährige in einem „Sportbuzzer“-Interview sagte. So sehen das viele.

Der FC Bayern jedoch hat offenbar andere Pläne: Oliver Kahn, eine andere Bayern-Torwart-Legende und inzwischen Vorstandsmitglied, hat Nübels Verpflichtung verteidigt und seinem einstigen Förderer Sepp Maier widersprochen. Eine Leihe des 23 Jahre alten Torhüters schließt Kahn aus. „Hier denkt niemand an eine Ausleihe, wir sind alle froh, dass Alex zu uns kommt“, sagte Kahn kürzlich bei Sky90: „Es gibt nichts Besseres, als zwei exzellente Torhüter zu haben.“

Wobei die Rangfolge klar ist. Daran lässt Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge keinen Zweifel. Neuer ist für ihn nach wie vor „der beste Torwart der Welt“. Bayern-Coach Hansi Flick hält sich mit Äußerungen zurück. Er gilt aber als großer Fürsprecher Neuers. Nübel hat sich in den vergangenen Monaten rar gemacht und Interviews gemieden. Der 23-Jährige wird, sollte sich Nationaltorwart Neuer nicht verletzen, mit einem Platz auf der Bank Vorlieb nehmen müssen.

Für den Bald-Münchner bedeutet das nichts Gutes. Wie es mit seiner Karriere weitergeht, ist unklar. Auf der Ersatzbank der Bayern sind schon andere hochtalentierte Torleute versauert. Man frage nach bei Sven Scheuer, Stefan Wessels, Uwe Gospodarek oder Michael Rensing.

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Erstellt:
05.06.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 03sec
zuletzt aktualisiert: 05.06.2020, 06:00 Uhr

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