Bilanz der Französischen Filmtage

Außenstelle Stuttgart zieht Festival-Events ab

Mehr als 30000 Tübinger ließen sich vom französischen Kino verzücken. Nein, nicht bei den Französischen Filmtagen, die am Mittwochabend mit der Preisverleihung im Kino Museum zu Ende gehen. Es waren die „Ziemlich besten Freunde“, die während ihrer fast ganzjährigen Präsenz die Masse auf Trab gehalten haben.

07.11.2012

Von Klaus-Peter Eichele

Aber wenn der Augenschein nicht täuscht, dann wird in deren Windschatten auch Tübingens größtes Filmfestival ein Besucherplus verbuchen können (2011 waren es 10000). Der große Museums-Saal war erwartungsgemäß zwar nur bei der Eröffnung voll, aber die kleineren Festivalkinos platzten an den bisher sieben Filmtagen oft aus allen Nähten. Ab und zu sah man im Gewusel der 40-, 50- und 60-jährigen Stammgäste sogar ein jugendliches Gesicht.

Filmisch wird man den 29. Jahrgang nicht zu den stärksten rechnen können, die ein oder andere Sternstunde gab es aber schon. So hat die Kämpferballade „De rouille et d?os“ von Frankreichs Regiestar Jacques Audiard, die als „Der Geschmack von Rost und Knochen“ bald deutsch synchronisiert wiederkehren wird, das Zeug zum Klassiker. Aber auch im Nachwuchsbereich gab es verblüffend viel zu entdecken: Zum Beispiel „La vierge, les coptes et moi“, eine Liebeserklärung an die Magie des Kinos im Gewand einer pfiffigen Doku-Komödie. Oder „Rengaine“, ein grelles und zugleich witziges Schlaglicht auf interkulturellen Zoff in einem Pariser Migrantenviertel.

Dass es solche Juwele vermutlich nie ins reguläre Kinoprogramm schaffen, zeigt, wie notwendig Filmfestivals, und nicht nur die Französischen Filmtage, sind. Eingefleischte Kinoliebhaber – und offenbar gibt es davon doch mehr, als man denkt – würden im wochenaktuellen Einheitsbrei aus Action und Feelgood ansonsten ersticken.

Nicht ganz so rund lief es mit den Gästen. Erstmals in der bisher so planungssicheren Ära Christopher Buchholz gab es eine ganze Reihe kurzfristiger Absagen. Und der Star des Festivals, Altmeister Volker Schlöndorff, stand dem Tübinger Publikum gerade mal zwanzig Minuten Rede und Antwort; die Hauptveranstaltung mit diesem Monument deutsch-französischer Filmgeschichte fand tags darauf an der Festival-Außenstelle Stuttgart statt. Wenn die dortige Zeitung fast ungläubig konstatiert, dass es zu einigen Stuttgarter Festivalevents diesmal kein gleichwertiges Pendant in Tübingen gebe, darf dem hiesigen Lokalpatrioten ruhig das Messer in der Tasche aufgehen.

Einen großen Sprung nach vorn machten die 29. Französischen Filmtage abseits der Kunst. So sind mittlerweile alle Festivalkinos mit überwiegend hochwertiger digitaler Projektionstechnik ausgerüstet. Wem die Vorführqualität nicht wurscht ist, hatte daran seine helle Freude. Und dass mittlerweile das Gros der Filme mit, meist eigens angefertigten, deutschen Untertiteln gezeigt wird, ist ein wunderbarer Service fürs nicht oder nur brüchig französischsprachige Publikum - und womöglich die eigentliche Ursache für den kleinen Boom.

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