Gastbeitrag aus Horb
Austausch mit Israelis: Weil Begegnung und Dialog besser sind
Ehemalige Schülerinnen und Schüler des MGG erinnern sich an ihren Austausch mit Jugendlichen aus Israel 2005/06.

Ein Gruppenbild von deutschen und israelischen Schülerinnen und Schülern, die zu Freunden wurden.Bild: Förderverein Ehemalige Synagoge Rexingen
Die schrecklichen Terrorakte am 7. Oktober 2023 machten uns fassungslos. Gleichzeitig wuchs das starke Bedürfnis, irgendwas zu tun. Aber was können ein paar ehemalige Schülerinnen und Schüler aus Horb und Umgebung, die Israel vor Jahren im Rahmen eines Austauschprogramms besuchen durften, schon bewirken? Dennoch möchten wir in einem Gastbeitrag erzählen, wie der Austausch mit Gleichaltrigen aus Israel uns beeinflusst hat.
In der Schule wurden Flyer verteilt. Ein Schüleraustausch mit Israelis sollte stattfinden, initiiert wurde er von Barbara Staudacher und Heinz Högerle, den Menschen, die hinter dem Förderverein Ehemalige Synagoge Rexingen stehen. Das Schöne dabei: Es gab hier keinen Zwang, keine besseren Noten durch Teilnahme, aber auch keinen Ausschluss vom Austausch wegen zu schlechter Französischnoten. Im Zentrum des Programms sollte eine besondere Begegnung stehen. 14 Schüler der 10. und 11. Klasse waren dabei.
Emotionaler Besuch im KZ Dachau
Als die Israelis im Frühjahr 2005 zu uns nach Horb kamen, freuten wir uns alle auf die anstehenden zehn Tage, die vollgepackt waren mit Highlights wie matschige Spaziergänge durch das Horber Hinterland, gemeinsames Gärtnern auf dem jüdischen Friedhof am Stadtrand Richtung Mühlen, ein (inoffizieller) Abend in der legendären Grünmettstetter Ranch, eine Kanutour von Fischingen nach Horb.
Besonders emotional war der Besuch der KZ-Gedenkstätte in Dachau. Eine Stätte, sinnbildlich für das Grauen des Nationalsozialismus. In Erinnerung bleibt auch, wie dort plötzlich die gelöste und freundschaftliche Atmosphäre mit den Israelis umschlug und ganz deutlich wurde, dass wir „Täter“ und sie „Opfer“ des Holocaust sind. Auch die persönliche Betroffenheit der Shoa für Jüdinnen und Juden ist eine ganz andere. Dies ist der Grund, warum es diesen Austausch zwischen unseren Schulen gibt. Der Grund, warum uns Geschichte verbindet. Der Grund, warum dieser Austausch uns immer daran erinnert und erinnern wird, ist, dass wir alle Verantwortung tragen für das „Nie wieder“.
Wir als Gruppe sind über diese kurze Zeit und der doch sehr bunt zusammengewürfelten Truppe eine feste Gruppe geworden: Wir konnten gemeinsam viel Spaß haben, aber auch ernsthafte und kontroverse Diskussionen führen. Am Ende der zehn Tage schauten wir gemeinsam Fotos des Austauschs im BK-Saal des Gymnasiums an. Von den Austauschorganisatorinnen bekamen wir alle ein Shirt mit dem Aufdruck „Israel 2006“. Was das bedeutete, wussten alle sofort: In einem Jahr sollten wir unsere neu gewonnenen Freundinnen und Freunde in ihrer Heimat besuchen.
Ein Jahr später, kurz nach der Fasnet, machen wir uns auf den Weg nach Zürich an den Flughafen. Dass es kein gewöhnlicher Flug werden soll, wird schnell spürbar. Wir werden als Gruppe im Flugzeug getrennt platziert und einige von uns müssen ihren Koffer ausräumen und werden genauer zum Aufenthalt in Israel befragt.
In Israel freuen wir uns alle über das angenehme Klima im März, wir werden ein paar Tage später vom – laut unseren Gastgebern – schönsten Strand Israels in Nachsholim schlechte Handyfotos per MMS auf den Horber Schulhof versenden. Wir verbringen einige Tage bei unseren Gastfamilien und an der Schule unserer israelischen Freundinnen und Freunde, der Mevoot Eron Highschool nahe Hadera, knapp 50 Kilometer südlich von Haifa. Wir sitzen oft im „Greenhouse“ und sprechen dort über dieses und jenes. Leider kann uns die israelische Gruppe nicht die vollen zehn Tage begleiten, aber wir sehen uns immer wieder. In der Zwischenzeit dürfen wir das Land bereisen. Wir sehen die Golanhöhen, die bereits besetzt waren. Ausgebrannte Autos und Panzer am Wegesrand erinnern daran, dass die Situation fragil ist. Wir sehen den Jordanursprung und baden im Toten Meer, welches wir zuvor von der Festung Massada aus bestaunen konnten. Wir besuchen die Klagemauer in Jerusalem und den Tempelberg. Wir warten geduldig im Fahrstuhl, der am Shabbat auf jedem Stock Halt macht. Wir sehen im Supermarkt neben uns an der Wursttheke einen schwer bewaffneten Soldaten. Am Eingang in den Supermarkt wurde bereits unsere Tasche kontrolliert. Es fühlt sich seltsam, aber nicht beängstigend an. Die Bedrohung, in der Israelis leben, ist damit allgegenwärtig.
Natürlich besuchen wir auch Shavei Zion, den Kibbuz, welches von Jüdinnen und Juden aus Rexingen gegründet wurde, die sich vor dem Nationalsozialismus und dem Holocaust retten konnten. Dort sprechen wir mit Amos Fröhlich über seine Flucht aus Horb, bestaunen die Miniaturdarstellung des Kibbuz zu seiner Entstehungszeit und bekommen einen Eindruck davon, wie viele Mühen es gekostet hatte, die Heimstätte zu errichten.
Wenige Monate nach unserer Rückkehr aus Israel beginnt dort der Libanonkrieg. Shavei Zion liegt kaum zehn Kilometer südlich des Libanon.
Wir blicken noch heute zurück auf wundervolle Tage und jede Menge tief beeindruckender Momente. Wir lernten bei diesem Austausch eine wichtige Lektion: Für Freundschaft ist es nie zu spät. Die Wunden, die gerissen wurden und werden, benötigen Zeit, um zu heilen. Wir hoffen und wünschen uns sehr, dass irgendwann wieder Worte statt Waffen sprechen. Für einen echten und nachhaltigen Frieden.
Der Beitrag wurde verfasst von Benjamin Höpfer, Christoph Steiner, Julian Haufe, Simon Kreidler, Viviana Weschenmoser und Nadia Lazar.