Willkommen in der Arschlochwelt: Das Leben, wie es kotzt und ballert.

Baise moi - Fick mich

Willkommen in der Arschlochwelt: Das Leben, wie es kotzt und ballert.

24.11.2015

Von Thomas Mauch

Baise moi - Fick mich

Es ist die Besichtigung eines Skandals. Für "Baise-moi (Fick mich!)" wurden Breitseiten in den Zeitungen freigeräumt, als der Film, als Porno klassifiziert, aus dem Normalprogramm des französischen Kinos flog. Pflichtgemäß meldete sich der Protest, und in diesem Für und Wider um die Freiheit der Kunst teilte man dem Publikum gleich mal alle Streitpunkte mit: Zu sehen ist also echter Sex, der Film vibriert von Gewalt, er kennt keine Moral. Darüber lassen sich allerdings Debatten führen.

Mit den hochgepeitschen Erwartungen hinterlässt die Besichtigung des Skandals selbst dann bestenfalls ein schales Gefühl. Der Film ist vor allem: öde. Also nicht einfach nur langweilig. Sondern leer. Man blickt in eine Arschlochwelt, bei der die meisten im wirklichen Leben auf der Straße betreten auf die andere Seite schauen würde.

Mag ja sein, dass so was den gesitteten Kinobesuchern mal ins Gesicht gekotzt werden muss, und natürlich gilt, dass solche Ödnis in allen Menschen wohnt. Irgendwie muss sie dann betäubt werden. Brav mit Gutbürgerlichkeit, oder halt mit der blinden Wut, mit der eben dieser in die Magengrube getreten wird. Die üblichen Zusatzstoffe helfen: Drogen, Sex und Gewalt, um sich wenigstens noch zu spüren und sich im Taumel gleichzeitig darüber zu vergessen. Stumpfsinn rules.

So zieht das Frauenpärchen in "Baise-moi" eine Blutspur durch Frankreich. Die beiden holen sich einfach ihre Ficks. Sie kriegen ihre Kicks in einer Gewaltorgie. Wahllos werden die Menschen abgeschossen, frei nach dem surrealistischen Prinzip, dass man manchmal einfach so in die Menge ballern möchte. Gut: Die Sexszenen sind also "in echt" (und zwischendurch fetischisiert die Kamera schon gern den Körper), während man bei den Gewaltdarstellungen getrost davon ausgehen darf, dass sich die Opfer nach der Dreharbeit wieder vom Boden aufrappeln.

Tatsächlich sind die Tötereien in einer theatralischen Überzeichnung vorgetragen, deren Choreografie man etwa aus Western kennt. Das alte "Ich-stelle-mir-vor", wie auch ein Johnny Cash singt: "I shot a man in Reno, just to watch him die."

Sich daran freuen. Ansonsten gibt es keine Motivation. Nicht einmal Rache. Die erlittenen Erniedrigungen der beiden Frauen erklären keineswegs deren Gewaltausbruch; der Film ist kein feministisches Pamphlet, das an einer ernsthaften Debatte über Herrschaft und Sex interessiert wäre. Er frönt nur einem zur Schau gestellten Nihilismus, dem alles egal sein will. Nichts wirklich Neues. Solche Figuren hat das Kino bereits in Legion hervorgebracht. Und wie immer erträgt der Nihilismus auch seine Leere nicht, muss sich an etwas klammern. Hier ist es eben die Rinnsteinkante.

Eine tiefgefrostete Gangsterfilmromantik, die einem sagen soll: Unser Leben mag zwar scheiße sein, aber wenigstens leben/sterben wir rückhaltlos. Die doofe Lüge von der Authentizität. "Baise-moi" gibt sich wie abgewirtschafteter Lumpen-Punk: Einerseits will man der Gesellschaft theatralisch vor die Füße kotzen, um dann zu jammern, wenn sich niemand dafür interessiert. Das allerdings nervt.