Kriminalität

Banken und der Enkeltrick

Betrüger haben es oft auf die Ersparnisse alter Menschen abgesehen. Geldhäuser können ihre Kunden hier nur bedingt schützen.

24.09.2019

Von ROLF OBERTREIS

Dubiose Anrufer prellen Senioren. Foto: Francisco Ubilla

Dubiose Anrufer prellen Senioren. Foto: Francisco Ubilla

Frankfurt/Main. Mitte September im mittelhessischen Gießen: Eine 80-Jährige erhält einen Anruf von einer angeblichen Freundin. Die sagt, sie stecke in einer Notlage und brauche dringend Geld. Gleich 45?000 EUR sollten es sein. Den Betrag solle sie bitte bei ihrer Bank abheben und einem Bekannten übergeben. Die 80-Jährige glaubt der Anruferin, holt das Geld und übergibt es. Am Nachmittag kommt ein weiterer Anruf. Sie brauche noch einmal 24?000 EUR, sagt die angebliche Bekannte. Wieder folgt die 80-Jährige der Bitte. Am Ende ist sie um 69?000 EUR ärmer. Erstaunlich: Am Schalter in der Bank oder Sparkasse – die Polizei nennt keinen Namen – wurde niemand hellhörig. Zum wiederholten Mal hat der Enkeltrick funktioniert.

Bundesweit haben dreiste Betrüger mit dieser Masche bei alten Leuten immer wieder Erfolg, trotz intensiver Warnungen. Allein in Mittelhessen gab es nach Angaben von Polizeisprecher Jörg Reinemer in diesem Jahr mehrere tausend Betrugsversuche mit dem Enkel- oder ähnlichen Tricks. Bundesweit hätten die Fälle deutlich zugenommen. Mitunter ergaunern die Täter sogar sechsstellige Beträge, wie vor 2017 mit 150?000 EUR bei einer 77-Jährigen im baden-württembergischen Giengen. Zwar wird von den Kriminellen massiver Druck ausgeübt: Die Opfer sollten auf keinen Fall den Grund für die Abhebung nennen. Aber es gibt immer wieder Fälle, in denen Beschäftigte in Sparkassen, Volksbanken und Banken hellhörig werden, wenn ältere Menschen hohe Beträge abheben. Im Februar verhinderte eine Mitarbeiterin einer Volksbank die Übergabe von 35?000 EUR durch einen älteren Mann an einen angeblichen Neffen, der das Geld angeblich für den Kauf einer Wohnung brauchte. Sie wurde skeptisch, informierte die Polizei, die Geldübergabe wurde verhindert.

Abgesehen von permanenten Warnungen der Polizei vor „Enkeltricks“ und anderen Betrugsmaschen stellt sich die Frage, wie sich Kreditinstitute auf solche Fälle vorbereiten. Vorschriften durch die Finanzaufsicht Bafin gibt es nicht. „Das sind strafrechtliche Vorgänge und die sind Sache der Polizei und der Staatsanwaltschaften“, sagt eine Bafin-Sprecherin. Sofern sich der Kunde ausweist und das Konto ein entsprechendes Guthaben aufweist, muss das Geld ausgezahlt werden.

Die Mitarbeiter am Auszahlungsschalter seien sensibilisiert und wüssten sehr genau, auf welche Signale sie achten müssten, betont der Sprecher einer großen Volksbank. Sie würden regelmäßig geschult und dies verstärkt, wenn die Polizei auf vermehrte Aktivitäten von Betrügern hinweist. Im Zweifelsfall werde direkt auch die Polizei informiert. Dadurch seien schon mehrere Betrugsversuche vereitelt worden.

Ähnliches ist von der Commerzbank und der Deutschen Bank zu hören. „Unsere Filialmitarbeiter achten verstärkt auf ältere Menschen, die unangekündigt ungewöhnlich hohe Geldbeträge mit unklarem Verwendungszweck abheben wollen“, sagt ein Commerzbank-Sprecher. „Mehrfach wurden unsere Mitarbeiter bereits von der Polizei belobigt, weil sie mit Menschenkenntnis und Wachsamkeit Betrugsversuche rechtzeitig entlarvt haben“, heißt es bei der Deutschen Bank.

Schulungen nehmen nach Angaben von Reinemer auch Experten der Polizei vor. Er lobt ausdrücklich die Zusammenarbeit mit den Instituten in seiner Region. Er weiß aber auch, dass Bankern die Hände gebunden sind, wenn die Kunden auf der Auszahlung bestehen. „Manche Kunden stecken regelrecht in einem Tunnel“, wollten von Hinweisen auf einen möglichen Betrug nichts hören.

Kritiker halten den Geldhäusern trotzdem vor, dass sie nicht ausreichend vor Trickbetrügern schützen. Es sei nicht zu verstehen, dass bei Krediten etwa für Immobilien umfangreich geprüft werde, während Rentnerinnen und Rentnern leichtfertig hohe Beträge ausgezahlt würden.