Was wir wollten, was wir wurden: Coole Fortsetzung der legendären Interrail-Romanze.

Before Sunset

Was wir wollten, was wir wurden: Coole Fortsetzung der legendären Interrail-Romanze.

24.11.2015

Von che

Before Sunset

Neun Jahre nach ihrem legendären One-night-Stand in Wien, der für viele Kinogänger stilbildend in Sachen Romantik war, treffen sich die Französin Céline und der Amerikaner Jesse wieder. Nicht ganz zufällig drückt sich Céline (Julie Delpy) in jener Pariser Buchhandlung herum, wo Jesse (Ethan Hawke) gerade aus seinem Roman über die damalige Romanze liest.

Regisseur Richard Linklater hätte mit der Fortsetzung seines Erfolgsfilms „Before Sunrise? auf Nummer sicher gehen und die alte Geschichte einfach noch einmal neu erzählen können. Wild leidenschaftlich und mit Sex im Jardin du Luxembourg. Schließlich stehen Julie Delpy und Ethan Hawke nach wie vor (oder vielmehr: gerade erst) auf dem Zenit ihrer erotischen Attraktivität. Stattdessen hat er einen experimentell angehauchten Film vorgelegt, der in Echtzeit die achtzig Minuten der Wiederbegegnung schildert.

Unter gehörigem Zeitdruck (Jesse muss sein Flugzeug zurück in die Staaten erwischen) schweifen die beiden durch Paris, erörtern die Schuldfrage, warum aus der kurzen Amour keine große Liebe wurde, bringen ihr Leben wechselseitig auf den neuesten Stand und finden fast unmerklich zu alter Seelenverwandtschaft zurück.

Die von Linklater, Delpy und Hawke gemeinsam entwickelten Dialoge weisen über den Einzelfall hinaus. Sie behandeln exemplarisch Glück und Unglück des Erwachsenseins. Bringen die Haltung der zwischen bürgerlicher Saturiertheit, intellektueller Reife und Sehnsucht nach der unbeschwerten Jugend eingekeilten Thirtysomethings ebenso auf den Punkt wie damals das Lebensgefühl der Interrail-Generation.

Zu dieser inneren Spannung gesellt sich die äußerliche: Wird neben der frisch aufgeflammten platonischen Liebe auch die Erotik wieder zu ihrem Recht kommen? Linklater beantwortet die Frage mit der selben beiläufigen Coolness, von der sein ganzer Film durchdrungen ist. Eine bessere Fortsetzung hätte man sich nicht träumen lassen.

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Erstellt:
24.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 53sec
zuletzt aktualisiert: 24.11.2015, 12:00 Uhr

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Malte 28.07.200412:00 Uhr

soooooo schön :)

Rene M 09.07.200412:00 Uhr

Meine Freundin und Kollegin war gestern im Film, wir sind heute nicht zum arbeiten gekommen. Das sagt alles, genialer Film.

Peter Kammerl 05.07.200412:00 Uhr

einer der genialsten filme, die ich je gesehen und mit-empfunden habe.

erle 05.07.200412:00 Uhr

Anders als in "Before Sunrise", wo die Atmosphäre von der Kamera eingefangen wird, gilt beim Sonnenuntergang das Primat des Mikrophons. Rohmer à l'Americaine in vierminütigen, ungeschnittenen Spaziergängen am Zaun. Gelegentlich wäre man froh, wenn Ethan Hawkes Handbewegungen unterhalb des Kameraausschnitt verschwinden würden, und die am Drehbuch improvisatorisch beteiligten Hauptdarsteller nicht auch noch Übungseinheit 17 aus der Schauspielschule oder aus dem Psychokurs einbringen müssten. Sicher ist auch die deutsche Synchronisation der improvisieten Teil gelegentlich überfordert. Wenn am Schluss Julie wie die Klaviertochter bei Kaffeekränzchen zur Gittare greifen soll, klingts doch eher nach Highschool-Romanze als nach der vom "Spiegel" gelobten nichtpubertären Reife.
Beeindruckend der Beitrag des Wetters 2003, 90 Minuten Sonnenuntergangs-Licht ohne Studio.
Nicht schlecht, aber von der Kritik überschätzt.

Marco 05.07.200412:00 Uhr

Perfekt. Der Film nähert sich von Maske zu Maske, die wir uns alle zulegen, immer mehr dem, was wirklich los ist mit unseren Gefühlen. Und es ist so schön das zu sehen und mitzufühlen. Gutes offenes Ende.

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