Herzbefeuerndes Rührstück zwischen Trüffeln, Pasta und Psychiater-Couch.

Bella Martha

Herzbefeuerndes Rührstück zwischen Trüffeln, Pasta und Psychiater-Couch.

24.11.2015

Von Wolfgang Brenner

Bella Martha

Dunst-verhangen ist die Küche im Lido. Dunst-verhangen auch das Gemüt von Martha. Manchmal, wenn die Köchin des Hamburger Edel-Franzosen es gar nicht mehr aushält, rennt sie in den Kühlraum und schnappt panisch nach Luft: Mit Gemüse muss man nicht kommunizieren und gefrorener Fisch ist auch sehr einsilbig.

Mit Leuten kann sie es halt nicht so gut, da fehlt ihr ein Rezept, an das sie sich halten kann. So wurstelt sie sich durchs Leben und manche halten sie sogar für etwas bekloppt. "Ich bin überhaupt nicht zwanghaft, ich bin präzise?, berichtigt sie ihren Psychiater, zu dem ihre Chefin sie geschickt hat. Aber der hört ihr gar nicht zu. Gut kann das auf Dauer nicht gehen. Gleich gar nicht als sie die achtjährige Tochter ihrer plötzlich verstorbenen Schwester aufnehmen muss und der Pasta-Koch Mario ihre Küchenherrschaft ins Wanken bringt.

Mit Feinsinn hat Regisseurin Sandra Nettelbeck ihr Kinodebüt inszeniert. Eine eigentlich wenig originelle Geschichte in "Kolya? gab es eine ähnliche Misere mit einem Cellisten zu sehen erzählt sie aber so uneindeutig und schwebend, dass das Zuschauer-Interesse an den Charakteren bis zum Schluss spannungsvoll bleibt. Ihre Trumpfkarte dabei ist Martina Gedeck, welche die leicht lispelnde Martha in ihrer ganzen Verschrobenheit liebevoll ausfüllt und der die Kamera langsam schleichend durch die Räume folgt. Wenn Martha ihre ihre Kochschürze wie eine Rüstung anlegt, oder beim Anblick einer versauten Küche ins Hyperventilieren gerät (beim Essen hört der Spaß auf), dann merkt man, wo ihr Herz schlägt.

Wohltuend durchbricht aber der den Vorzeige-Italiener spielende Sergio Castellitto all die aufquellende Rührseligkeit. Die Makkaroni missbraucht er schon mal zum Mikado-spielen und mit Kindern kann er es sowieso. Alles in allem ein Stück Tübingen-kompatibles Wohlfühlkino, das mit der dahinklimpernden Musik von Keith Jarrett und Arvo Pärt für Sonnenaufgänge im Herz sorgt. Und (fast) überhaupt nicht in die Kitschfalle tritt.

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Erstellt:
24.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 59sec
zuletzt aktualisiert: 24.11.2015, 12:00 Uhr

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