Die Tübinger Kunsthalle ist wieder offen

Besucher-Ströme in hellen Räumen

Nach langer Sanierung ist seit Freitagabend die Kunsthalle auf der Wanne wieder geöffnet – was rund tausend Gäste feierten.

10.03.2017

Von Sabine Lohr

Zuhören, fotografieren, sich nicht so richtig ganz nach vorne trauen: Zur Wiedereröffnung der Kunsthalle und zur Vernissage der Ausstellung „Kapitalströme“ kamen gestern Abend gut tausend Gäste. Bilder: Metz

Zuhören, fotografieren, sich nicht so richtig ganz nach vorne trauen: Zur Wiedereröffnung der Kunsthalle und zur Vernissage der Ausstellung „Kapitalströme“ kamen gestern Abend gut tausend Gäste. Bilder: Metz

„Ich bin noch voller Emotionen, das muss jetzt erstmal alles sacken.“ Holger Kube Ventura, künstlerischer Leiter und Kurator der Kunsthalle, stand gestern Abend nach den Reden zur Eröffnung der Kunsthalle und der Ausstellung „Kapitalströme“ erleichtert und mit einem Fläschchen Bier in der Hand nahe am Ausgang und war, man sah es ihm an, glücklich. Es dürften an die tausend Leute gewesen sein, die in die Kunsthalle gekommen waren – Künstler und Kunstinteressierte, Bildungsbürger, Stadträtinnen und -räte, Vertreter der Stadtverwaltung, der Wirtschaft und des Handels, ein Who-is-Who der Tübinger.

Wer die Ausstellung der 13 Künstler in Ruhe anschauen wollte, hatte gut daran getan, frühzeitig zu erscheinen – und damit sogar noch die Chance auf einen der begehrten Plätze auf der Galerie, mit Blick auf das größte jemals in der Kunsthalle ausgestellte Werk, das die ganze Wand des großen Saals füllende „Venedig Refugee“ von Holger Wüst.

Mehr als drei Jahre Stillstand

Der Saal selber indes blieb leer, als Hans J. Baumgart, der Vorsitzende des Kunsthallen-Kuratoriums, ans Mikrofon trat und die Gäste willkommen hieß. Er habe, sagte er, diesen Augenblick herbeigesehnt, immerhin habe es dreieinhalb Jahre lang einen Stillstand in der Halle gegeben. So lange hat die Sanierung gedauert, für die, als sie begann, gerade mal ein halbes Jahr anberaumt gewesen war. Doch dann musste für den Brandschutz mehr getan werden. Und schließlich kam auch noch ein Anbau dazu. „Dieser Anbau ist Götz Adriani zu verdanken, der die Idee hatte, das Depot als Fundament dafür zu nehmen“, lobte Baumgart den Stiftungsvorsitzenden und früheren Direktor der Kunsthalle. Alles sei, so Baumgart weiter, fertig geworden „ohne Geräusch und ohne Schlagzeilen“.

„Bitte ranrücken“, forderte Oberbürgermeister Boris Palmer die Besucher auf, die sich bis dahin nicht in die Nähe des Rednerpults getraut hatten. Immerhin füllte sich der Saal dann bis zur Hälfte, so dass Besucher aus den anderen Ausstellungsräumen nachrücken konnten. Palmer dankte dem Gemeinderat, der über 3 Millionen Euro für die Sanierung zur Verfügung gestellt habe, sowie der Kunsthallen-Stiftung und der Gründerfamilie Zundel, die jeweils weitere 600000 Euro bezahlt hatten.

Die Wiedereröffnung sei nun auch eine große kulturelle Veränderung, fand Palmer, denn zum ersten Mal habe ein künstlerischer Leiter dort eine Ausstellung konzipiert. „Ich wünsche ihm, dass mehr als die 400000 prognostizierten Besucher kommen.“

Palmer selbst hat auch etwas zur Eröffnungsausstellung beigetragen: seinen Bürostuhl. Die Künstlerin Christin Lahr hat ihn sich für die Ausstellung ausgeliehen und hinter einen mächtigen alten Schreibtisch aus dem Leibniz-Institut gestellt, der voller Marx-Bände in allen möglichen Sprachen steht. Die Besucher sollen sich mal auf diesen Stuhl setzen, um auszuprobieren, wie Macht sich anfühle, forderte Palmer die Gäste auf. Er jedenfalls wünsche sich seinen Sessel gut eingesessen wieder zurück.

Macht darstellen, aber auch Steueroasen, Briefkastenfirmen, Luxemburg-Leaks, Panama Papers – darum geht es in der Ausstellung, in die Kube Ventura einführte. Diese Ausstellung könne, sagte er, ein solches Themenfeld nicht in den Griff bekommen, sondern nur andere, künstlerische Blicke darauf anbieten.

Davor hatte Ventura den Unmut des ehemaligen SPD-Stadtrats Klaus te Wildt auf sich gezogen als er sagte: „Man kann eine Kunsthalle nicht in die Zukunft führen, wenn sie eine Geisel der Vergangenheit ist“. Te Wildt fand das ungebührend Adriani gegenüber. Dieser wollte sich gegenüber dem TAGBLATT nicht groß zu der neuen Ausstellung äußern, sondern sagte nur, sie liege im Trend. „Solche Sachen macht man jetzt eben.“

Die Erste Bürgermeisterin Christine Arbogast findet, die Ausstellung sei „ein echter Neustart“. Sie zeige einen interessanten Mix, weshalb man sich nicht nur gut und lange darin aufhalten, sondern auch mehrfach wiederkommen könne. „Es musste etwas Anderes sein.“

Unter den Gästen war auch Palmers Vorgängerin Brigitte Russ-Scherer. „Toll, dass es geklappt hat mit dem Anbau“, fand sie. Und lobte die Bosch-Töchter Paula Zundel und Margarete Fischer-Bosch, die die Kunsthalle, die 1971 eröffnet wurde, bauen ließen, um dort den Werken von Zundels Mann Friedrich eine Heimstatt zu geben. „Sie haben den damals 31-jährigen Götz Adriani einfach gewähren lassen – und er hat Unglaubliches geleistet.“ Adriani habe auf revolutionäre Kunst gesetzt, als das sonst niemand getan habe. Jetzt aber sei es Zeit für etwas Neues.

Dieses Neue – sowohl die Halle selbst als auch die Ausstellung Kapitalströme, ist von heute an täglich außer montags von 11 Uhr an geöffnet, dienstags schließt die Ausstellung um 19 Uhr, mittwochs bis sonntags um 18 Uhr. Am heutigen Samstag ist um 13 Uhr eine Lecture Perfomance von Christin Lahr zu sehen, am morgigen Sonntag gibt es den ganzen Tag über Gespräche über Kapital und Macht mit Lahr.

Neu – das sei nicht vergessen – ist auch das „Café Kunsthalle“ von Frank Heft, das pünktlich zur Eröffnung fertig wurde und das die Vernissage-Gäste eifrig besuchten.

Holger Kube Ventura, der künstlerische Leiter und Kurator der Kunsthalle, hatte seine Rede zur Sicherheit schriftlich vorbereitet. Das, sagte er, habe die Aufregung genommen.

Holger Kube Ventura, der künstlerische Leiter und Kurator der Kunsthalle, hatte seine Rede zur Sicherheit schriftlich vorbereitet. Das, sagte er, habe die Aufregung genommen.

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Erstellt:
10.03.2017, 22:30 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 29sec
zuletzt aktualisiert: 10.03.2017, 22:30 Uhr

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