Reitsport

„Bewachung unserer Spitzenpferde ist mangelhaft“

Vielseitigkeitsolympiasieger Michael Jung spricht einen Tag vor Beginn des German Masters bei einem Herrenberger Podiumsgespräch erstmals ausführlich über die aberkannte Mannschafts-EM-Silbermedaille. Sabotage sei dabei nicht auszuschließen.

16.11.2017

Von Frank Häusler

Der Altheimer Reiter Michael Jung brachte zur Überraschung von Moderator Moritz Werz (rechts) sogar eine seiner drei Olympia-Goldmedaillen mit zum Herrenberger Podiumsgespräch. Bild: Häusler

Der Altheimer Reiter Michael Jung brachte zur Überraschung von Moderator Moritz Werz (rechts) sogar eine seiner drei Olympia-Goldmedaillen mit zum Herrenberger Podiumsgespräch. Bild: Häusler

Das Foyer in der Herrenberger Niederlassung der Kreissparkasse Böblingen platzte am Dienstagabend aus allen Nähten. Angesagt war die alle zwei Jahre stattfindende „Gäu-Sportlerwahl“. Unter die über 200 gekommenen Gäste mischten sich auffällig viele Reitsportbegeisterte, denn als Stargast des Abends trat Vielseitigkeitsolympiasieger Michael Jung auf.

Während Herrenbergs Oberbürgermeister Thomas Sprißler anklingende Worte an das Publikum richtete, saß der Altheimer Vorzeigereiter in der ersten Reihe des dichtbestuhlten Sparkassen-Foyers. Inmitten von Ehrengast und Vielseitigkeitslandestrainer Fritz Pape aus Sindlingen sowie Jungs späteren Gesprächspartner, dem aus Stuttgart angereisten Moderator Moritz Werz. Wenige Minuten später schritten Jung und Werz aufs Podium. Da der Moderator den Superstar des Reitsports Ende Oktober zur Talk-Vorbereitung extra in Altheim auf seiner Reitanlage besucht hatte, vergingen nur Sekunden und das Podiumsgespräch lief auf Hochtouren.

Als imaginärer Gesprächsfaden musste im Prinzip Olympiasiegerpferd La Biosthetique Sam herhalten. Werz sprach die Golderfolge von London und Rio de Janeiro an, wollte aber auch wissen, wie das gewesen sei, als Sams frühere Teilbesitzerin Sabine Kreuter den heute 17-jährigen Württemberger-Wallach im Herbst 2010 in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aus seiner Altheimer Stallbox direkt ins Allgäu entführte. Ebenso kam Sams spektakulärerer Fenstersprung als einst junger Wilder bei seinem allerersten Turnier in Sindlingen aus einem Pferdetransporter zur Sprache. „Die Geschichte dieses Pferdes“, befand Moritz Werz, „hat durchaus das Zeug für einen spannenden Schwarzwald-Fernsehkrimi.“

EM-Sabotage durchaus denkbar

Nur als es um die diesjährige Polen-EM der Vielseitigkeitsreiter ging, blieb Sam bei einem durchaus brisanten Thema für mehrere Minuten außen vor. Unter Michael Jung kam in Strzegom statt Sam nämlich ein anderes Spitzenpferd, die mehrfache Viersterne-Siegerstute Fischer-Rocana, zum Zuge. Da nun aus Polen gegen das Pferd Samourai du Thot von Michael Jungs EM-Teamkollegin Julia Krajewski (Warendorf), so die letztwöchige Mitteilung des internationalen Reiterverbandes FEI, eine positive Medikationskontrolle vorliegt, ist auch Jung eine seiner zwei EM-Medaillen wieder los. Die im Einzel errungene Silbermedaille darf der Altheimer hingegen behalten.

In Herrenberg überraschte der Olympiasieger jedoch mit der Aussage, dass ihn von den FEI-Offiziellen bislang noch niemand zur Rückgabe der Mannschaftsmedaille aufgefordert habe. „Die beiden Silbermedaillen hängen weiterhin nebeneinander bei uns im Reiterstübchen“, sagte der 35-Jährige. Doch er rechne damit, das gewonnene Team-Silber demnächst wieder zurückgeben zu müssen.

Der Moderator wollte wissen, wie solch ein Verstoß passieren könne, und gab dem Stargast damit die Gelegenheit, sich erstmals ausführlich zu der positiven Medikationskontrolle der Teamkollegin zu äußern. Aufgrund des München-Turniers war in den vergangenen Tagen dazu noch keine Gelegenheit. „Man macht viele Fehler, auch mal daheim im Training“, erläuterte Jung. So könne es durchaus sein, dass eines der 35 Altheimer Pferde beispielsweise in eine falsche Stall-Box laufe, in der zuvor ein krankes Pferd behandelt wurde. „So etwas darf nicht passieren, doch es passiert einfach. Menschen machen Fehler“, meinte Jung.

Jedoch insbesondere auf Turnieren, was die andere Seite des Möglichen sei, „ist die Bewachung und die Security definitiv nicht ausreichend“, kritisierte der Olympiasieger. „Da gibt es häufig keine Videokameras und kein Sicherheitspersonal, das nachts durch die Stallgassen geht.“ Nach wie vor sei nicht bekannt, wie die bei Turnieren verbotene Substanz (Wirkstoff Firocoxib) in Samourai du Thot gelangt sei. Diesbezüglich wollte Moritz Werz von dem Altheimer konkret wissen, ob Sabotage denkbar gewesen ist. „Denkbar auf alle Fälle. Wenn jemand sabotieren möchte, dann findet er immer eine Möglichkeit in den Stalltrakt zu gelangen“, lautete Michaels Jungs Antwort am späten Dienstagabend in Herrenberg. „Die Sicherheit“, verdeutlichte der Stargast dem wie gefesselt zuhörenden Publikum, „ist leider sehr mangelhaft und noch lange nicht so, dass man beruhigt schlafen kann. Von der Seite aus betrachtet ist es durchaus vorstellbar, dass so etwas in Polen passiert sein könnte.“

Und wie geht’s heute am „Tag der Baden Württemberger“ für die Reitsportler des Pferdesportkreises Nordschwarzwald in Stuttgart weiter? Im Hallenchampionats-Finale der baden-württembergischen Springreiter dürfen statt 25 ausnahmsweise 27 Starterpaare ran, vier davon aus hiesigen Turnierställen. Um 18.30 Uhr fällt der Startschuss auch für Michael Jung (RSG Altheim) auf dem Schimmel Fischer-Daily Impressed. Andreas Brünz vom RSC Salzstetten wird sein Paradepferd Balam satteln und Barbara Steurer-Collee (RA Alpirsbach) ihr Springpferd Big Boy. Stefan Hirsch vom Reiterverein Nordstetten-Horb hat sich ebenfalls entschieden und tritt anstelle von Zandra in der Schleyer-Halle auf der erst neun Jahre alten Belgien-Stute Missile du Buisson an.

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Erstellt:
16.11.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 14sec
zuletzt aktualisiert: 16.11.2017, 01:00 Uhr

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