Angelika Bachmann über den Patienten als Kunden

Bierdeckel-Politik für Patienten!

Es gab mal einen CDU-Politiker, der forderte, jeder Bürger solle seine Einkommenssteuererklärung künftig auf einem Bierdeckel machen können. Friedrich Merz ist mit diesen Plänen (ebenso wie mit seiner politischen Karriere) bekanntlich gescheitert. Vergeblich wartet man seit Jahrzehnten auch auf Gesundheitspolitiker, die einen ähnlich radikalen Ansatz verfechten. Kloppt doch mal das ganze kassenärztlich- privatärztlich-Festbetrag-Zuzahler-Igelleistung-Kassenleistung-Fallpauschalen-Budget-Gedöns in die Tonne! Das ganze System ist unregulierbar und hochmanipulierbar geworden – und deshalb höchst unsozial.

06.03.2018

Von Angelika Bachmann

Es gilt nämlich, ganz ähnlich wie in der Steuerpolitik: Patienten, die sich gut auskennen, sind im Vorteil. Wer die komplizierten Regeln im Gesundheitswesen dagegen nicht kennt, der wundert sich über vieles, hat keinen Zugang zu Leistungen, die ihm eigentlich zustünden, wenn er nur davon wüsste – und zahlt oft mehr, als eigentlich nötig ist. Außerdem fließt unvorstellbar viel Geld in die Gesundheitsregulierungsverwaltungsbürokratie – statt in die Patientenversorgung, wo es dringend gebraucht würde.

Kürzlich hat sich eine TAGBLATT-Leserin an uns gewandt, die bei einem Sanitätshaus eine Rippenbandage gekauft hat. Kosten: 70,48 Euro. „Ohne Hintergedanken und ohne sich vorher bei der Konkurrenz zu erkundigen“, wie uns die Leserin schreibt. Kurz darauf erfuhr sie, dass dieselbe Bandage bei einem anderen Händler 49,98 Euro kostete. Mit diesem Wissen ging sie wieder zum ersten Händler und erhielt dort die Auskunft: Sie bräuchte sich die Bandage ja nur vom Arzt verschreiben zu lassen, dann würde die Kasse die Kosten übernehmen. „Kein Wunder, dass die Kassenbeiträge immer stärker in die Höhe gehen!“, schrieb uns die Leserin.

Dabei muss man nun wissen: Die Kassen (die kennen sich nämlich aus!) hätten natürlich nicht die 70,48 Euro bezahlt, sondern einen Betrag um die 50 Euro, der mit dem Sanitätshaus ausgehandelt ist. Mit Mondpreisen dagegen werden immer wieder Privatkunden abgezockt, die gutgläubig denken, im Gesundheitssektor sei alles reguliert und werde nur Sinnvolles verkauft. Mitnichten.

Wer als Patient den Geldbeutel zückt, ist Kunde und sollte sich entsprechend wappnen. Wie viel kostet dieselbe Leistung bei der Konkurrenz? Ist das, was mir verkauft werden soll, überhaupt sinnvoll? Soll mir etwas verkauft werden, was ich gar nicht brauche?

Die Hilfsmittelbranche gilt dabei als technisch sehr innovativ, was zum Vorteil des Patienten, aber auch zum Vorteil des betriebswirtschaftlichen Ergebnisses des Hilfsmittelherstellers und -händlers sein kann.

Brisant wird es, wenn es um ärztliche Leistungen geht. Ärzte können ihren Patienten so genannte individuelle Gesundheitsleistungen (IGEL) verkaufen. Viele Ärzte fühlen sich außerordentlich unwohl damit, vom Gesetz zum Verkäufer von ärztlichen Leistungen gemacht zu werden. Andere Ärzte nutzen das Vertrauen des Patienten zum Arzt aus, um den Umsatz der Praxis zu steigern. Doch wie viele Patienten trauen sich, ihrem Arzt mit demselben Selbstvertrauen gegenüberzutreten wie dem Autohändler („Nein, ich brauche keine Alu-Felgen! Das ist teurer, sinnloser Schnick-Schnack!“)? Wer sagt zu seinem Augenarzt: „Ich finde es nicht in Ordnung, dass sie mir zusätzlich zur Augeninnendruckmessung, die früher immer nur 20 Euro gekostet hat, noch eine Hornhautdickenmessung und eine lasergestützte Spezialaufnahme aufs Auge drücken wollen und ich jetzt plötzlich 50 Euro zahlen soll!“?

Es ist eines der großen Versäumnisse der Gesundheitspolitik, dass sie es zugelassen hat, dass der Patient immer mehr zum Kunden wird. Auch darum, lieber künftiger Gesundheitsminister Jens Spahn, müsste sich die Politik dringend kümmern.