Erfolgreiche Region

Biotechfirmen trotzen dem bundesweiten Trend der Branche

Bundesweit und international tut sich die Biotech-Branche schwer. Das geht aus dem jährlichen Report der Beratungsgesellschaft EY hervor, der jetzt in Tübingen vorgestellt wurde. Doch die Region bildet eine erfolgreiche Ausnahme.

16.04.2016

Von Gernot Stegert

Siegfried Bialojan in Tübingen.Bild: Bioregio Stern / Michael Latz

Siegfried Bialojan in Tübingen.Bild: Bioregio Stern / Michael Latz

Tübingen. Fast 50 Interessierte waren auf Einladung der Bioregio Stern und der LBBW Venture Capital in den Vortragsraum im obersten Stockwerk des Cegat-Baues gekommen: Biotech-Unternehmer, Förderer, Wissenschaftler. Die Firmen Cenata und Atriva stellten sich vor. Danach präsentierte Siegfried Bialojan von der Beratungsgesellschaft EY (früher Ernst & Young) den Biotechnologie-Report 2016, der tags zuvor in Frankfurt bundesweit vorgestellt worden war. Bialojan hatte wenig gute Nachrichten: Die Zahl der Neugründungen und Börsengänge in Deutschland sei deutlich zurückgegangen. 2015 habe es nur einen einzigen Neuling auf dem Parkett gegeben: das Molekulardiagnostikunternehmen Curetis aus Holzgerlingen. Auch die Anzahl der Biotech-Unternehmen und der Mitarbeiter stagniere bundesweit. Inhaltlich gebe es international eine Verschiebung von Mitteln gegen Krebs hin zum Kampf gegen Krankheiten im Bereich der Neurologie (wie Alzheimer).

Immerhin wachsen die Umsätze und die Ausgaben für Forschung und Entwicklung, sogar zweistellig, berichtete der Biotechexperte von EY. Auch sei 2015 mehr Risikokapital in Biotechfirmen in Deutschland geflossen, mit 236 Millionen Euro fast doppelt so viel wie im Jahr zuvor. Doch sei das wenig für einen Wirtschafts- und Pharmastandort wie Deutschland und liege zudem fast allein an dem Tübinger Unternehmen Curevac, das von der Stiftung von Bill und Melinda Gates und anderen Privatinvestoren 167 Millionen Euro einsammelte. Entsprechend lautet die Überschrift des EY-Reports auch „Im Schatten von Leuchttürmen“.

Bialojan bedauerte, dass die Biotechfirmen nicht von der Geldschwemme auf den internationalen Märkten durch die Nullzinspolitik profitieren. „Das Kapital ist da.“ Offenbar wirke das Platzen der Blase am Neuen Markt um die Jahrtausendewende immer noch nach. Auch sei die Branche strukturell nicht einfach. Sie erfordere eben einen langen Atem. Während im IT-Sektor mit wenig Aufwand schnelle Erfolge zu erzielen seien, brauche die Entwicklung eines Medikaments viel Zeit für Forschung und Zulassungsverfahren. Das koste entsprechend Geld. In diese Kerbe hauten auch die Unternehmer und Wissenschaftler in einer anschließenden Gesprächsrunde. Die Teilnehmer stimmten Bialojan zu: „Es gibt eines enormes Potenzial an Innovationsansätzen, Produkt- und Technologie-Ideen.“ Dieses müsse aber auch wirtschaftlich umgesetzt werden. Oft ende die Förderung in Deutschland mit dem Erfolg der Forschung. Das erschwere den nächsten Schritt: die Vermarktung. Da seien anderen Staaten wie die USA besser. Das betonte auch Harald Poth von der LBBW Venture Capital. Aus den sehr guten Ideen würde zu wenig gemacht. Er setzt auf bessere Rahmenbedingungen durch die neue Landesregierung. Doch es seien auch die Unternehmer selbst: „Die deutsche Pharmaindustrie hat Entwicklungen verschlafen.“

Eine regionale Auswertung der EY-Zahlen gebe es nicht, sagte Klaus Eichenberg. Der Geschäftsführer der Bioregio Stern (Abkürzung für Stuttgart, Tübingen, Esslingen, Reutlingen und Neckar-Alb) sagte aber: „Die Region steht sehr gut da.“ Sie wachse gegen den Trend – sowohl bei der Unternehmenszahl wie bei den Mitarbeitern. Von einer Fachjournalistin sei er am Tag zuvor auf die „prosperiendste Biotechregion Deutschlands“ angesprochen worden. Steffen Hüttner, Vorsitzender des Vereins zur Förderung der Biotechnologie und Medizintechnik in Tübingen sagte: „Woran erkennt man einen guten Standort? An den vielen Baukränen. Die kann man in Tübingen sehen.“

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Erstellt:
16.04.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 35sec
zuletzt aktualisiert: 16.04.2016, 01:00 Uhr

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