Musik

Blasmusik im Rückenflug

Der Nehrener Trompeter Gigi Göhner flog Looping übers Kirschenfeld.

30.12.2016

Von Jürgen Jonas

Herbert „Gigi“ Göhner, Trompeter bei den Steinlach-Stompers, spielte im Flugzeug über Nehren, Looping inklusive – dafür war allerdings Pilot Wilhelm Heinz zuständig. Bild: Mosbacher

Herbert „Gigi“ Göhner, Trompeter bei den Steinlach-Stompers, spielte im Flugzeug über Nehren, Looping inklusive – dafür war allerdings Pilot Wilhelm Heinz zuständig. Bild: Mosbacher

Mit der Trompete übers Nehrener Kirschenfeld fliegen? Im Looping Noten in die Lüfte blasen? Auf die Idee kommt auch nicht jeder. Gigi Göhner schon. „Über den Wolken“ ist er unterwegs gewesen, in einer alten Propellermaschine, mit seinem Musikinstrument. In Albstadt-Degerfeld ist er mit dem Airliner-Piloten Wilhelm Heinz in dessen zweisitziges Flugzeug gestiegen, die „Louisiana Kid“, Baujahr 1944, eine „P-51D Mustang“, die vier Jahrzehnte im US-Bundesstaat Louisiana vom Vorbesitzer Don Weber geflogen wurde. Heinz hat die Propellermaschine im Jahr 2012 erworben, auseinander nehmen und im Container auf die Alb transportieren lassen.

Es ging an diesem schönen Herbsttag über Schloss Lichtenstein Richtung Nehren, speziell zum Kirschenfeld. Für Herbert Göhner, 1952 geboren, aus alter Nehrener Familie kommend, war es nicht der erste Flug. Aber ein besonderer. Die Maschine kurvte über dem Kirschenfeld, vollführte Rollen und Looping. Und Göhner hatte seine Trompete dabei. Über dem Kirschenfeld spielte er mit Inbrunst „Dein ist mein ganzes Herz“ und improvisierte über das Jazz-Stück „Louisiana“. Nach dem alten Motto „Naihre loht se haihra“, sogar in sechshundert Metern Höhe.

Seit der Jugend im Musikverein

Göhner, natürlich angeschnallt, trug während des Flugs zum Schutz vor Sonnenstrahlung eine Kontrastfilterbrille und Kopfhörer. Eine festinstallierte Kamera, die auf ihn gerichtet war, zeichnete alles auf. So ist ein Luftbild von Nehren entstanden. Göhners Kopf samt Trompete zeichnet sich dabei im Glas der Kuppel umgekehrt ab. Ein Spiel mit der Realität.

Seit seiner Kindheit interessiert Göhner sich für das Flugwesen, dem Modellflugzeugbau gehört bis heute seine Leidenschaft, im Wintergarten des Hauses in der Kappelstraße hängen Exemplare mit großer Flügelspannweite. Im Keller hat er eine Werkstatt, in der er häufig sitzt und schraubt. Werkzeugmacher hat er gelernt bei der Firma Höckle in Mössingen, viele Jahre auch bei Oilpress-Keller in Nehren gearbeitet. Zum Frührentner wurde er krankheitsbedingt.

Jahrzehntelang hat er Musik gemacht, ist (nicht nur) im ganzen Steinlachtal bekannt geworden, als Mitglied verschiedener Formationen, die Tanzbegeisterten bei vielen Gelegenheiten einheizten. Als Dreizehnjähriger hat er mit der Musik angefangen, im lokalen Verein, dem er bis heute die Treue hält. Sein Instrument war immer die Trompete, Klavier spielt er aber auch. Bei den „Steinlach Stompers“, der swingenden Dixieland-Band, tat er mit, nach deren Losung: Wir spielen da, wo es Spaß macht. War immer für einen Spruch gut, der das Publikum zu erheitern vermochte. Wie oft trat er mit ihnen auf, in schwarzer Hose und weißem Hemd, den Strohhut auf dem Kopf. Wer bei den „Schwanen“-Abenden die öffentlichen Proben der „Stompers“ erlebte, erinnert sich der Intensität, mit der Göhner bis zum Schluss das Instrument handhabte.

Seine Krankheit macht ihm das Spielen immer schwerer. Er versuchte, sich Mundstücke passgerecht zu drehen. Was eine Weile funktionierte. Jedoch: die Muskeln am Mund machen jetzt nicht mehr lange genug mit. Bei Konzerten wird er wohl noch spielen, aber nicht mehr über die ganze Zeit.

Ein Abschiedsgeschenk

Als er einstieg in die „Louisiana Kid“, wollte er eine Art Abschiedsgeschenk darbringen. Eine Huldigung. Für das Instrument, dem seine Liebe gehört, das Dorf, in dem er lebt, das Kirschenfeld, und natürlich für seine Frau Petra, mit der ihn eine jahrzehntelange Ehe „ohne Absturz“ verbindet. Und das im Rückenflug. Wobei er bedauernd sagt: „Im Rückenflug einen Kirschschnaps trinken geht leider nicht.“

Der Retourflug ging über den Farrenberg. Martha und Georg Mosbacher waren bei der Landung in Degerfeld dabei, filmten und fotografierten. Was Göhner macht, interessiert das Nehrener Ehepaar, das durch Filme über Turmfalken oder die Dicke Eiche bekannt wurde. Der Modellflugzeugbauer und der Treckerliebhaber verstehen sich gut, weil sie die Sprache der Maschinen verstehen. Göhner kann erkennen, was für ein Traktor am Haus vorbeifährt. Viele Flugzeuge, die den Himmel durchziehen, identifiziert er am Geräusch. „Die Tonlage ist immer gleich gestimmt.“ Im Looping fliegen, dabei Musik machen, kunstvoll basteln, Freude am Leben empfinden – das wäre schon einen Film wert.