Provinz-Amerika im Spiegel unerfüllbarer Männerliebe. Großes Melodrama von Ang Lee

Brokeback Mountain

Provinz-Amerika im Spiegel unerfüllbarer Männerliebe. Großes Melodrama von Ang Lee

24.11.2015

Von che

Brokeback Mountain

„Ich bin nicht schwul?, murmelt Ennis. „Ich auch nicht?, brummt Jack zurück. Gegen die Macht der Gefühle kann dieses Abwiegeln jedoch nichts ausrichten. Bei einem Gelegenheitsjob als Schafhirten in einem abgelegenen Gebirge verlieben sich die beiden wortkargen Kerle heftig ineinander. Da wir uns in den sechziger Jahren und in einer der konservativsten Ecken Amerikas befinden, ist an ein gemeinsames Leben nicht zu denken. So verkriechen sich die beiden in wenig erquicklichen Ehen, doch der Kontakt reißt über Jahrzehnte hinweg nicht ab. Alle paar Monate oder Jahre treffen sie sich an jenem Brokeback Mountain, um ihrer Zuneigung für ein paar Stunden die Sporen zu geben ? zu viel, um von einander loszukommen, zu wenig für ein dauerhaftes Glück.

Als „schwuler Western? geisterte der dreifache Oscar-Abräumer des chinesisch-amerikanischen Regisseurs Ang Lee („Der Eissturm?, „Tiger & Dragon?), der dennoch nicht seine Favoritenrolle behauptete, durch die Medien. Was wenig hilfreich ist, denn erstens ist sein Thema nicht die Sexualität der Protagonisten, sondern ihre Sehnsucht und innere Zerrissenheit. Und zweitens folgt der Film nur oberflächlich den Spielregeln des Westerns, eher knüpft er an die großen Melodramen der fünfziger Jahre (etwa von Douglas Sirk) an, in denen die Liebe an gesellschaftlichen Widrigkeiten tragisch scheitert.

Für die Gefahren, die dieser Beziehung drohen könnten, genügen Ang Lee wenige Sekunden: der verächtliche Blick eines bulligen Hinterwäldlers; ein schemenhaftes Erinnerungs-Blitzlicht auf eine tödliche Schwulenhatz. In den restlichen 134 Minuten geht es ausschließlich darum, wie die beiden Jungs damit klarkommen. Während Jack (Jake Gyllenhaal) immer wieder schüchtern darauf drängt, auf die Sozialmoral zu pfeifen, kommt Ennis (Heath Ledger) die ganzen Jahrzehnte lang nicht über seine Angst, wohl auch vor sich selbst, hinweg. So bleibt es bei den daheim als Angelurlaub deklarierten Ausflügen in den Ausnahmezustand der zum großen Freiheitsrefugium überhöhten Wildnis (was dann doch wieder ein Rückgriff, allerdings ein sehr ironischer, auf den Western ist).

Die Geschichte nach einer nur wenige Seiten dünnen Erzählung der Pulitzer-Preisträgerin Annie Proulx hat nichts Sensationelles. Die lakonische Zärtlichkeit, mit der sie Ang Lee zum Spiegel elementarer menschlicher Empfindungen ? Einsamkeit, verdrängtes Verlangen und das kleine Glück dazwischen ? macht, trifft jedoch mitten ins Herz. Es ist wohl gerade diese unpathetische Empathie, fern von Schwulen-Stereptypen und Tabubruch-Attitüden, die die christliche Rechte so auf die Palme brachte. Er habe einfach nur eine „amerikanische Lovestory? erzählen wollen, sagt der Regisseur. Die ist ihm so vortrefflich geglückt, dass man „Brokeback Mountain? in einem Atemzug mit „Vom Winde verweht? nennen darf (ab 12). che