Musik

Brüggemanns Film „Wagner, Bayreuth und der Rest der Welt“

Axel Brüggemanns Dokumentarfilm „Wagner, Bayreuth und der Rest der Welt“ kommt ins Kino.

25.10.2021

Von Jürgen Kanold

Axel Brüggemann hat einen Film über Wagnerianer gedreht.

Axel Brüggemann hat einen Film über Wagnerianer gedreht.

Bayreuth. Was verbindet einen Scheich in Abu Dhabi, einen Unternehmer in Tokio, einen jüdischen Rechtsanwalt in Tel Aviv, einen schwarzen Sänger einer Baptistengemeinde in Newark und ein oberfränkisches Metzger-Ehepaar? Die Liebe zur Musik Richard Wagners. Diese Fans nennt man Wagnerianer, denn ihre Hingabe hat etwas Religiöses. Der Musikjournalist Axel Brüggemann hat sie alle besucht für seinen auch wiederum begeisternden Dokumentarfilm „Wagner, Bayreuth und der Rest der Welt“, der jetzt in die Kinos kommt.

Brüggemann analysiert nicht das Werk, sondern untersucht das Phänomen Wagner – also dessen bis auf den Tag offenbar berauschende Wirkung. Oder wie ein Wagnerianer auf einem Treffen der internationalen Wagner-Verbände in Venedig sagt: „Die Musik geht so ganz tief in mich rein, wie ein Schaumbad.“ Ja, es menschelt sehr in diesem Film, dem naturgemäß ein opulenter Soundtrack unterlegt ist, der aber auch hellewache Experten wie den US-Kritiker Alex Ross als Zeugen befragt. Und Brüggemann, der gute Beziehung zur Bayreuther Festspielchefin Katharina Wagner pflegt, durfte auf dem Grünen Hügel drehen: Proben besuchen, hinter die Kulissen blicken, Christian Thielemann im mystischen Orchestergraben erleben.

Katharina Wagner, die Urenkelin, spricht über Vorurteile und Klischees, aber auch über ihre Hunde, darunter „die verwöhnteste Bulldogge de Welt“. Der Tenor Piotr Beczala singt wunderbar den Lohengrin und erzählt dann, wie auf Sommerfrische in der Fränkischen Schweiz, von seinem Erlebnis Bayreuth. Eine These des Films, für den der Regisseur zwei Jahre lange reiste: Die Wagnerianer sind zwar verrückt, aber auch nur Menschen. Das erklärt den Nicht-Eingeweihten wunderbar direkt und herzlich oberfränkisch das Bayreuther Metzger-Ehepaar Rauch, bei dem auch der alte Wolfgang Wagner eingekauft hatte und dessen Porträt sie im Wohnzimmer wie ein Familienfoto aufgestellt haben.

Die Schattenseiten

Die dunkelbraunen Seiten spart Brüggemann nicht aus. Barrie Kosky, der jüdische Regisseur, der so tiefschürfend politisch wie komisch die „Meistersinger“ in Bayreuth inszenierte, spricht über den Antisemitismus bei Wagner. Und, besonders berührend: Jonathan Livny, der Vorsitzende der Richard-Wagner-Gesellschaft in Israel. Die meisten Mitglieder seiner Familie wurden von den Nazis ermordet, sein Vater aus Berlin aber konnte sich nach Palästina retten – mit seiner großen Platten-Sammlung der Wagner-Opern im Gepäck. Damit wuchs Livny auf.

Er sagt: Wagner war ein scheußlicher Mensch, der himmlische Musik geschrieben hat.“ Der Rechtsanwalt aus Tel Aviv ist auch schon nach Bayreuth geradezu gepilgert, wo das Volk einst dem „Führer“ zugejubelt hatte. Livny sagt euphorisch: „Da saß Hitler, aber wir Juden leben noch.“ Jürgen Kanold

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Erstellt:
25.10.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 17sec
zuletzt aktualisiert: 25.10.2021, 06:00 Uhr

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