Sulz · Bürgermeisterwahl

Bürgernah für die Heimatstadt

Jens Keucher bewirbt sich auf die Stelle in Sulz. Der parteilose 42-Jährige ist Verwaltungswirt und sieht Wirtschaftsförderung als Chefsache.

20.09.2022

Von Cristina Priotto

Die Aufgaben als Sulzer Bürgermeister reizen Jens Keucher. Privatbild

Die Aufgaben als Sulzer Bürgermeister reizen Jens Keucher. Privatbild

Die Kandidatenauswahl für die Bürgermeisterwahl in Sulz am 6. November wächst: Als Dritter hat Jens Keucher am gestrigen Dienstagnachmittag eine Bewerbung im Rathaus eingereicht.

„Mit dem Gedanken trage ich mich schon relativ lange“, erzählt der 42-Jährige im Gespräch mit der NECKAR-CHRONIK. Der Diplom-Verwaltungswirt wartete nur auf die „richtige Gemeinde“
– und die Gelegenheit ergab sich, als Amtsinhaber Gerd Hieber im März mitteilte, 2023 nicht mehr für eine vierte Amtszeit anzutreten. „Die wirklich richtige Gemeinde war für mich schon immer meine Heimatstadt Sulz“, betont Keucher seine Verbundenheit. Mit Anfang 40 fühlt der zweifache Vater sich im besten Alter und fachlich erfahren genug, um nach diversen Stationen in der Verwaltung bei den Landratsämtern in Freudenstadt und Tuttlingen sowie im Balinger Rathaus eine neue Herausforderung zu suchen.

Parteilos und unabhängig

Wichtig ist Jens Keucher der Rückhalt des Gemeinderats, weshalb der Interessent für das Amt des Bürgermeisters sich im April und Mai mit allen fünf Fraktionenund Gruppierungen des Sulzer Gremiums austauschte. „Kommunalpolitik interessiert mich“, erklärt der 42-Jährige. 2009 kandidierte der Parteilose für die FWV, verpasste mit 1157 Stimmen aber knapp den Einzug in den Sulzer Gemeinderat. Die Sitzungen verfolgte Keucher seither sporadisch, in den nächsten Wochen möchte Jens Keucher aber möglichst alle Zusammenkünfte besuchen.

Die Familie stehe hinter der Bewerbung, versichert Keucher, der mit Eltern, Ehefrau Nadja und den zwei Kindern in den vergangenen Wochen oft über die beabsichtigte Kandidatur sprach. Für den Fall einer erfolgreichen Wahl wünscht Jens Keucher sich: „Mein bisheriges Leben soll damit nicht enden“.

Das wichtigste Credo des Bürgermeisterkandidaten lautet „gelebte Bürgernähe“, weshalb der Sulzer betont: „Man soll mich in der Stadt auch außerhalb offizieller Termine wahrnehmen, wenn ich hier einkaufe und Hobbys pflege“. Zwar ist Keuchers oberste Prämisse: „Ich möchte für die Leute da sein und mitkriegen, was geht“, doch jedes Fest besuchen müsse ein Bürgermeister nicht, obwohl dies „ein 24-Stunden-Job“ ist, findet der Familienvater. In einer Flächenstadt wie Sulz mit neun Stadtteilen würde Jens Keucher im Falle einer Wahl verstärkt die Ortsvorsteher für repräsentative Aufgaben einbinden. Mit jedem ist eine Begehung geplant.

Als „schweres Erbe“ müsse der neue Amtsinhaber vom Vorgänger die Causa Regionales Gewerbegebiet übernehmen. Zum umstrittensten Thema der Stadt hat Keucher eine geteilte Meinung:

„Es ist zu unklar, ob der eine Großinvestor kommt. Aber wenn der kommt, müssen wir handlungsfähig sein“, argumentiert der 42-Jährige. Eine Gelegenheit wie die Ansiedlung eines Daimler-Prüfzentrums 2011 dürfe der Stadt nicht mehr rausgehen. „Damit viele etwas davon haben, dürfen aber nicht einzelne Landwirte die Existenzgrundlage verlieren, sondern müssen vernünftig weiterleben können. Es muss fair sein“, beschreibt Jens Keucher dies – eine Quadratur des Kreises. Für aussiedlungswillige Mittelständler reiche der „InPark A81“ aus.

Überhaupt müsse Wirtschaftsförderung Chefsache und somit beim Bürgermeister angesiedelt sein, ist Keucher überzeugt. Denn neue Firmen seien in Sulz notwendig. Zwar möchte der Diplom-Verwaltungswirt „nicht alles auf den Kopf stellen, aber auch nicht alles 1:1 übernehmen“, sondern im Sulzer Rathaus so manche Zuständigkeiten neu ordnen.

Dringend in den Griff bekommen müsse man auch das Thema Leerstände. Dass in seit Jahren leerstehende unsanierte Gebäude nochmals Läden einziehen könnten, darüber macht Keucher sich und den Wählern keine Illusionen. „Interessant und richtig finde ich die Umwandlung in Wohnraum“, sagt der Bewerber.

Als Vater eines Drittklässlers und einer Sechstklässlerin ist Jens Keucher auch der Erhalt des Schulstandorts Sulz ein Anliegen. „Das ist ein großes Plus“, betont Keucher, der jedoch bei der Grund- und Werkrealschule Bedarf an einer Sanierung und einer besseren Ausstattung sieht.

Sulz als Gesamtstadt denken

Bewusst ist sich der Bewerber, dass es eine Herausforderung darstellt, die Kernstadt und neun Teilorte unter einen Hut zu bekommen. „Ich kenne Sulz nur als Gesamtstadt, die eine zentrale Funktion für die Stadtteile erfüllt“, stellt Keucher fest, den das Konkurrenzdenken zwischen den Ortsteilen daher stört.

Mehr getan werden sollte auch für die Familienfreundlichkeit. Der Neckar müsse erlebbarer und die Nutzbarkeit im Wöhrd-Park bei der Umgestaltung im Zuge des Hochwasserschutzes berücksichtigt werden. Gleiches gilt für den Marktplatz, auf dem die Aufenthaltsqualität unter dem Verkehr und den Parkplätzen leidet. Dieser müsse weiterentwickelt werden. Überhaupt sollte die Innenstadt ein lebenswerter Raum vor allem für Kinder und Senioren werden. Dazu gehöre die Umsetzung des Radwege- und Verkehrskonzepts.

Ehrenamtliches Engagement und Vereine bedeuten dem Sulzer viel: Musikalisch ist der 42-Jährige in der Stadtkapelle, bei „Die Band“ und bei den„Pink Pämpärs“ aktiv. Früher spielte Jens Keucher auch bei den Turmbläsern. Die Zeit beim TV und beim VfR Sulz ist passé, angesagt sind Mountainbiken und Wandern. Die ganze Familie ist Mitglied im Siedlerverein und im Städtepartnerschafts-Verein „Global“. Ein Bürgermeister müsse Wertschätzung für das Ehrenamt praktisch umsetzen, findet Keucher, etwa durch die Gratis-Überlassung der Stadthalle an Vereine einmal im Jahr. Bislang zahlen alle Nutzer Miete.

Apropos bezahlen: Den bevorstehenden Wahlkampf möchte der unabhängige Verwaltungswirt aus eigener Tasche finanzieren.

Kuriose Personalie: Wer nach 24 Jahren Gerd Hiebers Nachfolger wird, ist offen. Jens Keucher und Hiebers Gattin Jutta sind indes Kollegen im Balinger Rathaus: Dort arbeitet Keucher als Leiter des Amts für öffentliche Ordnung und Bürgerservice, Jutta Hieber ist Personalleiterin und stellvertretende Hauptamtsleiterin.

Neben Jens Keucher haben sich bisher Samuel Speitelsbach und Rene Hund beworben. Der Bewerbungsschluss ist am 11. Oktober. Die Bürgermeisterwahl findet am 6. November statt.

Zur Person

Jens Keucher (Jahrgang 1979) stammt aus Sulz und machte hier 1999 Abitur. Auf den Zivildienst beim DRK folgte ein abgebrochenes duales Maschinenbaustudium, danach von 2003 bis 2006 ein Studium in Kehl an der Hochschule für öffentliche Verwaltung. Das fachpraktische Einführungsjahr absolvierte der Sulzer 2002/03 bei der Stadtverwaltung Sulz. Nach dem Studienabschluss arbeitete Keucher von September 2006 bis Mai 2012 beim Landratsamt Freudenstadt im Ordnungs-, Bau- und Umweltamt. Im Mai 2012 wechselte Keucher zum Landratsamt Tuttlingen und war dort erst stellvertretender Amtsleiter des Nahverkehrsamts und stellvertretender Geschäftsführer des Verkehrsverbunds, ab 2013 Amtsleiter und Geschäftsführer. Seit November 2017 arbeitet Keucher in Balingen als Leiter des Amts für öffentliche Ordnung und Bürgerservice. Jens Keucher ist seit 2008 verheiratet und lebt mit Ehefrau Nadja und den Kindern Anne (11) und David (8) auf der Schillerhöhe in Sulz.

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Erstellt:
20.09.2022, 19:30 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 11sec
zuletzt aktualisiert: 20.09.2022, 19:30 Uhr

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