Wirtschaft

Bundesweit ein Vorzeigeprojekt

Die Nagolder Firma Häfele richtete für zwölf Asylsuchende Ausbildungsstellen zum Fachlageristen ein: Ein bisher einzigartiges Projekt in Deutschland.

19.11.2016

Von Dunja Bernhard

Detlef Scheele (3. von links) besuchte die Nagolder Firma Häfele, die für zwölf Asylsuchende Ausbildungsstellen einrichtete. Der Iraker Mohamed Alasanie (links) und Benjamin Lörcher (rechts) sind bei der Arbeit ein Team, In der Mitte: Geschäftsführerin Sibylle Thierer. Bild: Bernhard

Detlef Scheele (3. von links) besuchte die Nagolder Firma Häfele, die für zwölf Asylsuchende Ausbildungsstellen einrichtete. Der Iraker Mohamed Alasanie (links) und Benjamin Lörcher (rechts) sind bei der Arbeit ein Team, In der Mitte: Geschäftsführerin Sibylle Thierer. Bild: Bernhard

Die Nagolder Firma Häfele wagte einen für Deutschland einzigartigen Schritt. Sie richtete für zwölf Asylsuchende zusätzliche Ausbildungsplätze ein. Zwölf Männer zwischen 17 und 35 Jahren aus neun Nationen machen eine zweijährige Ausbildung zum Fachlageristen.

„Wir fühlten uns verpflichtet, einen Beitrag zur Integration zu leisten“, sagt Sibylle Thierer, Geschäftsführerin von Häfele. In der Ausbildung von Flüchtlingen sieht sie zugleich soziale Verantwortung als auch unternehmerische Weitsicht. „Wir brauchen Mitarbeiter und Internationalität ist bei uns normal.“

Thierer ist davon überzeugt, dass das duale Ausbildungssystem besonders gut für Flüchtlinge geeignet ist. Es bietet einen Einblick in die Berufswelt und trägt durch den Schulunterricht zum Wissensaufbau bei, sagt sie.

„Wir wussten, es wird nicht einfach, wenn wir uns auf so ein großes Projekt einlassen.“ Der steinige Weg begann im Oktober vorigen Jahres. Die Personalentwicklung von Häfele, die Bundesagentur für Arbeit, das Calwer Landratsamt, die Ausländerbehörde und die Schulen im Raum Nagold-Calw taten sich zusammen. „Alle zogen an einem Strang“, berichtet Thierer. 120 Flüchtlinge schauten sich im Januar 2016 das Nagolder Unternehmern an. 21 von ihnen erfüllten die sprachlichen Voraussetzungen, zwölf machten ein Praktikum im Betrieb. „Alle zwölf wollten die Ausbildung machen“, sagt Thierer.

Jeder Flüchtling hat einen Paten

Die Flüchtlinge bringen ganz unterschiedliche Qualifikationen mit, berichtet Bruno Schanz, Leiter der Personalentwicklung. Entscheidend für die Auswahl der Flüchtlinge sei deren Motivation und Begabungsstruktur gewesen.

„Mit der Ausbildung von Flüchtlingen haben wir Neuland betreten“, sagt Schanz. Es gab keine Standardprozesse. Zwischendurch habe es auch Zweifel gegeben, ob das zu schaffen sei.

„Zu meiner Überraschung stehen wir jetzt als Leuchtturm-Unternehmen da“, sagt Thierer. Ob die Ausbildung der Flüchtlinge ein Erfolg werde, könne sie noch nicht sagen. Aber die interkulturelle Kompetenz und Offenheit der Mitarbeiter werde größer. Jeder auszubildende Flüchtling hat einen Paten, mit dem er zusammenarbeitet. Thierer sieht das auch als eine Art Fortbildung für die Mitarbeiter.

Die Ausbildung der Flüchtlinge ist keine Subventionsausbildung betont sie. „An die Geflüchteten stellen wir die gleichen Leistungsanforderungen wie an andere Azubis.“

Es wäre gut, wenn das Projekt der Firma Häfele in Deutschland nicht einzigartig bliebe, sagte gestern Detlef Schelle, Vorstand Arbeitsmarkt der Bundesagentur für Arbeit. „Der Betrieb ist der Kristallisationspunkt, an dem Integration gelingt.“ Dort lernen Flüchtlinge deutschsprechende Kollegen kennen. „Diese sind der Link in Sportverein oder Kirchengemeinde.“ Mit einer Ausbildung werde Flüchtlingen der Einstieg ins Berufsleben ermöglicht. Für eine Ausbildung eigneten sich alle Flüchtlinge, die ausreichende Intelligenz und Sprachkenntnisse mitbringen. Auch mit 35 Jahren mache eine Ausbildung noch Sinn. Bis zur Rente seien es dann schließlich noch 32 Jahre.

Solche Projekte gelängen jedoch nur, wenn Menschen Verwaltungsvorschriften so lesen, dass man das hinkriegt, sagte Scheele. „Wenn alle wollen, findet man einen Weg.“

Während der Ausbildung und in den zwei darauf folgenden Jahren werden Flüchtlinge nicht abgeschoben. Finden sie eine Arbeitsstelle, erhöhe das die Chance, bleiben zu dürfen, sagte Scheele. Die Bleibeperspektive der Flüchtlinge habe bei der Entscheidung, sie als Auszubildende einzustellen, keine Rolle gespielt, berichtet Thierer. „Wir bieten ihnen eine Ausbildung.“ Ein Geselle in Afghanistan sei auch gut angelegtes Geld.

Welche Bedeutung die Aussbildung für die Flüchtlinge hat, machte Martina Lehmann, Vorsitzende der Arbeitsagentur für Arbeit Nagold-Pforzheim, mit einer kleinen Geschichte deutlich. Ein 27-jährige Iraker stellte sich einem anderen Flüchtling auf dem Horber Marktplatz als „Mohamed, Auszubildender bei Häfele“ vor.

Weltweit agierendes Familienunternehmen

Die Firma Häfele GmbH & Co KG ist Spezialist für Möbel- und Baubeschläge und für elektronische Schließsysteme, Sie hat ihren Stammsitz in Nagold. Sibylle Thierer führt das 1923 gegründete Familienunternehmen in der dritten Generation. Häfele hat 37 ausländische Tochtergesellschaften und beliefert 150 Länder. Weltweit beschäftigt das Unternehmen 7000 Mitarbeiter, 1600 davon in Deutschland, 800 in Nagold. 20 Nationen sind hier vertreten Der Umsatz betrug 2015 1,3 Milliarden Euro. 79 Prozent wurden im Ausland erwirtschaftet. .