Bidens Amtseinführung

Chancen und Probleme des neuen US-Präsidenten

Am Dienstag wird der neue amerikanische Präsident Joe Biden ins Amt eingeführt. Ein Überblick, was für ihn ansteht.

20.01.2021

Von PETER DETHIER

Übernimmt den Chefsessel im Weißen Haus: Joe Biden Bild: dpa-Bildfunk

Übernimmt den Chefsessel im Weißen Haus: Joe Biden Bild: dpa-Bildfunk

Bidens Chancen:

Rückkehr zum Multilateralismus: Nachdem sich Trump demonstrativ von langjährigen Partnerländern distanziert hatte und stattdessen Diktatoren umwarb, hat der 46. Präsident eine „Rückkehr zur Normalität“ versprochen. Joe Biden will sich möglichst früh mit Regierungschefs aus Europa treffen. Gemeinsame Ansätze werden etwa bei der Corona-Bekämpfung sowie der Achtung von Demokratie und Menschenrechte angestrebt. Internationale Organisationen sollen wieder Bedeutung erlangen.

Konjunkturbelebung: Bereits vor seinem Amtsantritt hatte Biden Einzelheiten eines knapp 2 Billionen Dollar teuren Konjunkturpakets veröffentlicht. Er will mit einmaligen Direktzahlungen und erweiterter Arbeitslosenhilfe Verbraucher stützen. Auch will er Gelder benutzen, um die Verteilung der Impfstoffe zu beschleunigen, den von der Pandemie finanziell überforderten Staaten unter die Arme greifen und Ärmere steuerlich entlasten.

Klima: Die Rückkehr zum Pariser Klimaabkommen, welches Trump verlassen wollte, könnte Biden schon am ersten Tag verkünden, weil der Austritt bald danach in Kraft treten würde. Sein Umweltbeauftragter, der frühere Präsidentschaftskandidat John Kerry, will durchsetzen, dass einige Auflagen des Abkommens sogar deutlich verschärft werden. Ferner wird der Präsident versuchen, über Dekrete die von Trump verfügten Aufweichungen bei Umweltstandards umzudrehen.

Außenhandel: Angeführt von seiner Außenhandelsbeauftragten Katherin Tai wird Bidens Team mit der EU und anderen Partnern auf neue Abkommen hinarbeiten. Der neuen Regierung ist das Anliegen umso dringlicher, weil ihr sowohl Chinas Vertrag mit 14 Staaten aus dem asiatisch-pazifischen Raum als auch das europäisch-chinesische Investitionsabkommen ein Dorn im Auge sind. Beide werden als bedrohliche Abkehr von der US-Wirtschaft angesehen, der es entgegenzuwirken gilt.

Atomverhandlungen mit dem Iran: Schon als Vizepräsident spielte Biden eine zentrale Rolle beim Zimmern des Nuklearabkommens mit dem Iran, welches Trump als den „schlechtesten Deal aller Zeiten“ geißelte und verließ. Europa hat die berechtigte Hoffnung, dass der neue Präsident sich wieder an dem Abkommen beteiligen würde. Aber das wird nicht leicht sein. Zum einen deswegen, weil Teheran die Urananreicherung wieder vorangetrieben hat. Zum anderen, weil im Herbst im Iran Wahlen stattfinden. Dort könnten sich die Hardliner durchsetzen.

Bidens Probleme:

Gespaltene Nation: Etwas mehr als ein Drittel aller Amerikaner und drei Viertel aller Republikaner glauben, dass Joe Biden die Präsidentschaftswahl nicht tatsächlich gewonnen hat, sondern Donald Trump der Sieg gestohlen wurde. Zuletzt ist die Zahl der Skeptiker zwar gesunken. Dennoch wird der Demokrat mit seinen Initiativen in der Wirtschafts-, Einwanderungs- und Gesundheitspolitik Gegner überzeugen müssen, dass er wie versprochen „ein Präsident für alle Amerikaner“ ist.

Kampf gegen Corona: 100 Millionen Impfungen in den ersten 100 Tagen, lautet das Ziel Bidens. Dazu will der Präsident Unternehmen zwingen, sich anstelle ihres Kerngeschäfts auf die Produktion von mehr Impfstoff zu konzentrieren. Auch plant er, in Sportstadien, Gemeindezentren und Fitnessstudios Impfungen durchführen zu lassen. Angesichts des „nationalen Notstands“, wie Biden die Pandemie beschreibt, soll das Militär aktiviert werden, um Krankenbetten zu schaffen und Impfstoff schneller zu liefern.

Handelskrieg mit China: Anders als Trump, der chinesische Produkte mit 350 Milliarden Dollar an Strafzöllen überzogen hat, wird Biden differenzierter vorgehen. Er hat angedeutet, gegenüber Peking wegen Menschenrechtsverletzungen, Produktpiraterie und Cyberattacken einen harten Kurs zu steuern. Es ist allerdings zu erwarten, dass Biden auf Entspannung setzt und die Zölle zumindest teilweise zurücknehmen wird. Schon allein, weil China der größte Gläubiger der USA ist.

Geschrumpfte Rolle: Amerikas ramponiertes Ansehen auf der geopolitischen Bühne wiederherzustellen ist Biden ein besonderes Anliegen. Beginnen will er mit der Rückkehr zum Pariser Klimaabkommen, zur Weltgesundheitsorganisation und zum UN-Menschenrechtsrat. Insbesondere will sich der neue Präsident auf langfristig bewährte, insbesondere transatlantische Partnerschaften zurückbesinnen. Er bekennt sich zur Nato.

Störenfried Trump: Obwohl Twitter, Facebook und andere soziale Medienplattformen Trumps Konten gesperrt haben und es ihm nun deutlich schwerer fällt, Lügen und Verschwörungstheorien zu verbreiten, wird der Republikaner keineswegs von der Bildfläche verschwinden. Für das wahrscheinlichste Szenario halten politische Beobachter, dass Trump sich mit einem rechtsgerichteten Medium wie Breitbart zusammenschließt oder einen eigenen Medienkonzern gründet. Sein Publikum wäre nicht so groß wie auf Twitter, aber dennoch beachtlich. Immerhin haben ihn 74 Millionen Amerikaner gewählt.

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Erstellt:
20.01.2021, 06:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 20.01.2021, 06:00 Uhr

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