Chuck and Larry - Wie Feuer und Flamme

24.11.2015

Hätte der Trailer für den neuen Almodovár versucht, die Handlung zusammenzufassen, wäre unheimlicher Kitsch herausgekommen. Und versucht man das selbst, kommt auch Kitsch heraus. Allein: von Almodóvar in Film umgesetzt, ist es kein Kitsch, keine billige Rührseligkeit, kein Arztroman, obwohl sie eigentlich nichts anderes ist, die Story um zwei Koma-Patientinnen und zwei Männer, die diese Frauen lieben. Nur unterschiedlich eben.

Denn der verhuschte Krankenpfleger Benigno pflegt seit vier Jahren die Tänzerin Alicia mit schon verdächtiger Hingabe und der Reisejournalist Marco will seine beim Stierkampf verunglückte Lydia nicht einmal anfassen. „Sprich mit ihr?, rät Benigno, für den die vergangenen vier Jahre einseitiger Kommunikation die glücklichsten seines Lebens waren und der Marco als echten Freund gewinnt.

War Almodóvars letzter Film „Alles über meine Mutter? ganz in Frauenhand, sind hier die Männer nur scheinbar im Vordergrund. Abhängig sind sie von Wesen, die zumindest geistig nicht präsent sind. Und war der „Sprich mit ihr?-Vorgänger schon weitgehend von Groteskerien befreit, findet sich hier nicht einmal mehr das ehedem so typische Almodovarsche Figuren-Arsenal wie transsexuelle Huren oder schwangere Nonnen. Schrill sind nur noch die Schriftfarben im Filmabspann.

Aber das stimmt nicht ganz, denn die Ungeheuerlichkeiten verbergen sich nun unter dem Deckmäntelchen des Normalen. Das Unerhörte geht mit dem Alltäglichen zusammen und wird raffiniert dargestellt. Etwa in der eingeblockten Stummfilm-Episode vom „schwindenden Mann?, bei der in expressionistisch zappelndem Schwarzweiß eine auf der ersten Filmebene geschehende Untat metaphorisch verschleiert wird.

Mit solchen Geniestreichen, mit Rückblenden, Zwischentiteln, einer konsequent warmen Farbgebung und kurz einblitzenden Gesprächen über Deos und die mutmaßliche Länge primärer Geschlechtsorgane bewahrt Almodóvar das Melodram vor billigem Gefühlsdusel. Auch dass Javier Camara den zwischen harmlos, psychopathisch und geistig zurück geblieben changierenden Benigno so überwältigend spielt, trägt dazu bei. Und sogar Hoffnung kommt bei all der unerfüllten Leidenschaft auf. Denn Marco, der immer schon ein wenig Benigno im Blut hatte, wird dessen Nachfolger. Filmisch kunstvoll vorweg genommen durch ein pfiffiges Arrangement von Spiegelungen bei Marcos letztem Besuch in der Haftanstalt.

Da sind dann beide eins und Marco trägt den scheuen Pfleger in sich. Aber eigentlich darf man darüber gar nichts schreiben - das muss man sehen.