Der Wolkenleser Clemens Pape

Clemens Pape aus Kusterdingen ist die Nachwuchs-Hoffnung beim Flugsportverein Unterjesingen (FSU).

Das Jahr 2016 war eines, das sich der Unterjesinger U 25-Segelflieger Clemens Pape (23) kaum besser hätte vorstellen können. In drei Wettbewerben feierte er Podestplätze.

28.01.2017

Von Vincent Meissner

Landung abseits des Flugplatzes im Acker: Auch das gehört zum Segelfliegen dazu. Auf dem Bild ist Clemens Pape (links) mit Jäger Waltbert und dessen Hund in bei Hassfurt zu sehen.Privatbild

Landung abseits des Flugplatzes im Acker: Auch das gehört zum Segelfliegen dazu. Auf dem Bild ist Clemens Pape (links) mit Jäger Waltbert und dessen Hund in bei Hassfurt zu sehen.Privatbild

Bei den Streckenflug-Wettbewerben, die Pape fliegt, geht’s vereinfacht ausgedrückt darum, ein möglichst großes Dreieck zu fliegen. Im Vorjahr scheiterte er noch knapp an der magischen 1000-Kilometer-Grenze. Die nimmt er in diesem Jahr ins Visier. Mit dem TAGBLATT sprach er über seine Erfolge, seine Ziele – und schlechte Erfahrungen bei der Deutschen Meisterschaft.

Herr Pape, welcher Ihrer Erfolge ist der wichtigste für Sie gewesen?

Clemens Pape: Da ist keiner besser oder schlechter. Ich habe ja niemals mit diesen Erfolgen gerechnet, da ich 2015 zum ersten Mal überhaupt einen Wettkampf geflogen bin. Man muss aber auch ehrlich sagen, es gibt nicht viele Leute, die so viel Zeit zum Segelfliegen haben wie ich als Student. Das ist ein Vorteil für mich. Ich kann gute Flug-Bedingungen meistens ausnutzen.

Welche Preise haben Sie eingestrichen?

Ich darf dieses Jahr das OLC-Stiftungs-Flugzeug fliegen. So ein Flugzeug könnte ich mir niemals leisten. Das ist ein Riesenprivileg. Bei diesem Modell Discus 2cT handelt es sich um ein Hochleistungs-Segelflugzeug mit Motor, was eine große Hilfe ist. Denn ich hatte im vergangenen Jahr zehn Außenlandungen. Das bedeutet, ich bin nicht am Ausgangs-Flugplatz gelandet. Ein Mal sogar eineinhalb Stunden entfernt von Bayreuth. Bis dich da einer abholt – das kann dauern. Sowas kann mir jetzt nicht mehr passieren mit dem Motor.

Wer holt Sie denn dann ab, wenn Sie irgendwo in der Pampa landen?

Das ist eigentlich kein Problem. Da kommt dann meine Freundin oder mein Mitbewohner oder jemand vom Flugplatz. Und meistens ist es auch eine Gaudi. Man geht dann noch was essen oder macht lustige Bekanntschaften. Bei besagter Landung eineinhalb Stunden von meinem Startplatz in Bayreuth entfernt, hat mich ein Jäger zum Essen eingeladen und darauf bestanden, ein gemeinsames Foto mit dem Flugzeug zu machen. Er wollte es seinen Jäger-Kumpels zeigen und denen erzählen, dass sei sein erster geschossener Schwan.

Wie sind Sie zum Segelfliegen gekommen?

Das war 2009. Da war ich 16 Jahre alt. Damals habe ich eine Fahrradtour gemacht, bin am Flugplatz in Poltringen vorbeigekommen und habe Lust gekriegt mal zu fliegen. Wenn man da nett fragt, kann man mal mitfliegen. Und da hat’s mich gleich gepackt. Mein Vater ist früher auch geflogen. Aber damals hatte er schon länger aufgehört.

Was ist für Sie die vielzitierte Faszination am Segelfliegen?

Das ist diese grenzenlose Freiheit. Man schwebt einfach schwerelos. Am 28. November vergangenes Jahr war ich bei der Hornisgrinde im Nordschwarzwald auf 5000 Meter über dem Meeresspiegel. Das ist einfach was Besonderes, diese Grenzenlosigkeit. Obwohl ich in jüngster Zeit eher den sportlichen Fokus habe, mache ich auch gerne mal einen Lustflug und schaue mir die Welt von oben an. Damals war übrigens mein Geburtstag – das war ein schönes Geschenk.

Nicht alles lief glatt 2016

Doch es lief nicht alles positiv im Jahr 2016 für Clemens Pape: Bei der Deutschen Meisterschaft in Marpingen im Saarland etwa hatte er Probleme. Am Ende landete er auf Platz 28. „Das war enttäuschend“, sagt Pape. Mehrmals landete er nicht am Flugplatz und musste mit dem Anhänger abgeholt werden: „Das war extrem frustrierend.“ Pape bat seinen Trainer beim baden-württembergischen Landeskader um Rat. „Und dann haben wir einen Spaziergang über das Gelände gemacht. Das war dann eine Art mentales Training“, erzählt Pape.

Doch dann gab es eben auch diesen 4. Mai 2016 – ein Mittwoch. „Das war einer der herausragenden Tage der vergangenen 20 Jahre“, sagt Pape. Zufälligerweise war er zu diesem Zeitpunkt gemeinsam mit dem baden-württembergischen Junioren-Landeskader im Trainingslager in Neresheim (Ostalbkreis) und nutzte die Chance: „Ich bin von Neresheim zum Titisee geflogen, dann nach Gemünden in Hessen, von dort nach Kehlheim an der Donau und wieder zurück.“ Um 20.45 Uhr landete Pape in Neresheim. Weit nach Sonnenuntergang. Dabei ist die Landung üblicherweise spätestens eine Stunde vor Sonnenuntergang, weil dann die Thermik dann nachlässt. Doch an diesem Tag herrschte ein meteorologisches Phänomen, das sich Konvergenz nennt. Die Wolken reihten sich wie ein Schlauch hintereinander. „Das habe ich so noch nie erlebt“, erzählt Pape. „Das hat unglaublich viel Spaß gemacht.“ Zehneinhalb Stunden war er in der Luft.

Wie orientieren Sie sich in der Luft?

Ich orientiere mich meistens draußen und habe die Instrumente im Flugzeug nur zur Unterstützung. Man muss ja auch den Luftraum kontrollieren, ob andere Segelflieger, Paraglider oder auch Vögel unterwegs sind. Und man muss die Wolken lesen. Und zwar nicht nur die nächste, sondern auch die weiter entfernten. Und ich orientiere mich auf der Suche nach Aufwindfeldern – im Fachjargon Bärte genannt – an Bussarden oder Störchen.

Welche Ziele haben Sie für das anstehende Jahr?

Wer das OLC-Stiftungs-Flugzeug hat, der sollte schon 1000 Kilometer schaffen. Da schauen viele drauf. Denn man zählt ja dann zu den vielversprechenden Nachwuchs-Kräften. Und dann möchte ich den Bitterwasser-Cup dieses Jahr gewinnen. Als Preis winkt da eine Woche Namibia, das Segelflieger-Paradies, weil dort viel bessere Thermik als in Deutschland herrscht.

Vergangenes Jahr absolvierte Clemens Pape 35 Flüge und war 180 Stunden in der Luft. Eine erhebliche Steigerung im Vergleich zu den Vorjahren, als er 50 bis 70 Stunden unterwegs war. Diese Saison will er noch mal mehr fliegen: 350 Stunden in die Luft peilt er an. Dafür möchte er bis März mit seiner Bachelor-Arbeit für das BWL-Studium in Bayreuth fertig sein und sich in erster Linie bis Anfang Oktober aufs Segelfliegen konzentrieren.

Und was kostet der ganze Spaß?

Man muss nicht reich sein fürs Segelfliegen. Wir haben das Problem, dass die Leute denken, es wäre ein elitärer Sport. Ich habe das Segelfliegen immer selbst finanziert seit ich 16 bin. Ich habe eben dafür gearbeitet. Wenn Sie Klavier-Unterricht an der Musikschule in Tübingen nehmen, kostet das 80 Euro im Monat. Das sind dann über 900 Euro im Jahr. In Poltringen bezahlen Sie 2000 Euro für den Flugschein, für den Sie zwei bis drei Jahre benötigen. Und wenn Sie dann selber fliegen dürfen, können Sie ein Flugzeug für zehn bis 20 Euro pro Stunde mieten. Klar kommen dann noch Gebühren dazu etwa fürs Hochziehen beim Start. Aber es hält sich in Grenzen.

Die Erfolge im Detail

In der Einzelwertung der bundesweiten Klasse 15 Meter (Spannweite) im Streckensegelflug der Senioren landete Clemens Pape ebenso auf Platz eins wie bei den Junioren. Toni Kittler (Flugsportverein Mössingen) belegte in beiden Wertungen den zweiten Rang. Bei der OLC-Junior-Challenge – OLC steht für Online-Contest – landete Pape auf Platz drei – und knackte fast die 1000-Kilometer-Marke. Bei seinem Rekordflug ab Neresheim machte er 976,51 Kilometer Strecke (Durchschnittsgeschwindigkeit 97,2 Kilometer pro Stunde) in einem Discus 2. Kittler wurde Achter.

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Erstellt:
28.01.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 27sec
zuletzt aktualisiert: 28.01.2017, 01:00 Uhr

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