Tübingen · Spendenaktion

Notfallpsychologie an der Kinderklinik: Felix Neunhoeffer und Clivia Langer

Bei der Weihnachtsspendenaktion sammelt das TAGBLATT Geld für die Stelle eines Notfallpsychologen an der Tübinger Kinderklinik. Oberarzt Felix Neunhoeffer und Psychologin Clivia Langer erläutern, worauf es bei ihrer Arbeit ankommt.

22.12.2019

Von Lorenzo Zimmer

Info Geld überweisen können Sie auf das Konto des SCHWÄBISCHEN TAGBLATTS bei der Kreissparkasse Tübingen (IBAN: DE94 6415 0020 0000 1711 11). Bitte notieren Sie Ihre vollständige Adresse, wenn Sie eine Spendenquittung benötigen. Gemäß Art. 13 DSGVO sind wir verpflichtet darauf hinzuweisen, dass wir Name, Adresse und Spendenbetrag der Leser/innen die eine Spendenbescheinigung wünschen an die begünstigten Organisationen übermitteln. Vermerken können Sie auch, wenn Sie gezielt ein bestimmtes Projekt unterstützen wollen. Projekt 1 ist der „Notfallpsychologe“, Projekt 2 der „Rollstuhlbasketball“.

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Gemeinsam machen sich Psychologin Clivia Langer und Oberarzt Felix Neunhoeffer dafür stark, dass psychosoziale Betreuung und Beratung zum ständigen Angebot auf Kinderintensivstationen gehört.Bild: Ulrich Metz

Gemeinsam machen sich Psychologin Clivia Langer und Oberarzt Felix Neunhoeffer dafür stark, dass psychosoziale Betreuung und Beratung zum ständigen Angebot auf Kinderintensivstationen gehört.Bild: Ulrich Metz

Kranke Kinder, schwere Schicksale, aus der Bahn geworfene Eltern und Geschwister: Das Arbeitsumfeld von Clivia Langer und Felix Neunhoeffer lässt sich getrost als herausfordernd bezeichnen. Langer, als Psychologin an der Kinderklinik zuständig für die Betreuung und Begleitung schwerkranker Kinder sowie ihrer Angehörigen, und Neunhoeffer, Oberarzt auf der Tübinger Kinder-Intensivstation, wollen an diesem Arbeitsumfeld etwas ändern.

Bei der diesjährigen Weihnachtsspendenaktion sammelt das TAGBLATT Geld für die halbe Stelle eines weiteren Notfallpsychologen an der Tübinger Kinderklinik, denn Psychologin Langer, ist nur die Hälfte der Zeit im Einsatz: für Eltern, für die Kinder, aber auch für ihre Kolleginnen und Kollegen im interdisziplinären Team aus Ärztinnen und Ärzten, Pflegern, Betreuern und Krankenschwestern: „An den entsprechenden Tagen merkt man, dass Frau Langer nicht da ist, alleine daran, dass Eltern und Angehörige sehr oft nach ihr fragen“, sagt Neunhoeffer. In der Neonatologie, auf den so genannten Frühchenstationen, sei eine Ausstattung mit Psychologen nach jahrelangem Kampf mittlerweile Standard geworden – zumindest in Tübingen auf Initiative des Neonatologie-Chefarztes Christian Poets. Doch für größere Kinder müssen Langer, Neunhoeffer und ihre Kollegen noch um bessere Bedingungen kämpfen.

Warum ihre Arbeit so wichtig ist, kann die 57-jährige Langer gut erklären: „Es ist ein Bereich mit höchsten Belastungen für alle Beteiligten.“ Häufig ringen die kleinen Patienten mit dem Leben, die Behandlungen sind oft mit starken Strapazen verbunden, und die Eltern sowie Geschwister finden sich häufig sehr plötzlich in einer völlig veränderten Lebenssituation wieder: „Oft handelt es sich um Kinder und Säuglinge, die ihr Leben noch nicht leben konnten“, so Langer. Zudem geht es auch ums Team. „In der Notfallpsychologie ist es zusätzlich ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit, sich auch als tätiger Psychologe immer selbst im Blick zu halten.“ Das Ziel laute, „mitzufühlen, aber nicht mitzuleiden“.

Langer und Neunhoeffer, die beide selbst Kinder haben, setzen dabei auf etwas, das sie „professionelle Nähe“ nennen. Seine Berufswahl erklärt Oberarzt Neunhoeffer so: „Was Kinderintensivmedizin bedeutet, habe ich erst während der Facharztausbildung gemerkt. Und bin dann dort hängengeblieben.“ Einerseits findet der 42-Jährige die Medizin spannend, andererseits reizen ihn die vertrauensvolle Arbeit im Team und das Vertrauen untereinander. „Es gibt nicht hier die Ärzte, da die Pfleger und dort die Psychologen, sondern wir sind ein Team.“

Ihre Motivation beschreibt seine Kollegin Langer so: „Es geht nicht immer und nur darum, eine Krankheit zu heilen, sondern auch darum herauszufinden, wie wir Belastungen für alle Beteiligten gemeinsam reduzieren können.“ Hier habe es in den vergangenen Jahren ein echtes Umdenken in der Kinderintensivmedizin gegeben, erklärt Neunhoeffer. „Wenn ein Kind nach einem schweren Unfall zu uns kommt, bleiben die Eltern für gewöhnlich die direkten Bezugspersonen.“

Bei konventioneller Behandlung ohne interdisziplinärem Schwerpunkt und ohne psychologische Krisenintervention und Notfallbetreuung wurden sie bisher jedoch oft und immer mehr durch Ärzte und Pflegepersonal in den Hintergrund gedrängt. „Dies erlebten Eltern dann als traumatisierend und die Kinder auch“, weiß Langer. Heute sei das erklärte Ziel, die Eltern nicht aus ihrer Rolle zu verdrängen. „Die Eltern bleiben Eltern und wir unterstützen sie dabei.“

Im schlechtesten Fall, sagt Langer, fühlten sich die Eltern machtlos, als könnten sie nichts ausrichten. „Dabei können Eltern etwas beitragen, was sonst keiner beitragen kann. Nämlich Elternsein für ihr Kind.“ So gehe es nicht nur ums Überleben der kleinen Patienten, sondern um eine betreuendes und medizinisches Gesamtkonzept der Beteiligten. „Das ist die Herausforderung, aber durch das Arbeiten im Team auch das Schöne an unserer Tätigkeit“, so Langer.

Doch was, wenn medizinisch nicht mehr geholfen werden kann? Wenn im schlimmsten Fall nur noch der Tod begleitet werden kann? Langer: „Die Eltern werden in diesen Fällen als erstes informiert, an welcher Stelle die Behandlung steht und an welcher Stelle das Kind.“ Dies könne bisweilen ein diffiziler Prozess sein, aber: „Die Unterstützung bleibt die gleiche.“ Doch wie geht man als Mensch mit diesen Fällen um? Neunhoeffer sagt: „Da bleibt natürlich schon etwas hängen.“

In der Kinderintensivmedizin stehe aber so gut wie immer sehr viel auf dem Spiel: „Man kann viel kaputt machen, im schlimmsten Fall ein Kinderleben zerstören und den Eltern und Geschwistern das Wichtigste nehmen.“ Deshalb müsse die Maxime sein, Fehler zu vermeiden und alles Menschenmögliche zu tun. „Für Eltern bedeutet jedes Kind, das auf der Intensivstation liegt, eine Angst vor dem Verlust des eigenen Kindes.“

Die Fälle, in denen sich diese Angst als berechtigt herausstellt, bedürfen der gleichen psychologischen Begleitung, aber einer anderen medizinischen. „Es geht nicht mehr darum, das Kind zu heilen“, so der Kinderarzt. Neunhoeffer spricht von einem Perspektivwechsel. „Es geht dann darum, das, was wir dem Kind an Zeit noch ermöglichen können, so zu gestalten, dass es keine Schmerzen hat und dass es für die verbleibende Zeit eine bestmögliche Lebensqualität genießen kann.“ So gesehen könne man in diesen Fällen immer auch von einer Abwägung zwischen Qualität und Quantität der Lebenszeit sprechen. „Das ist aber bei jedem Fall anders. Und zu diesem Thema gibt es auch unterschiedliche Ansichten“, sagt Neunhoeffer.

Bei Langers und Neunhoeffers Arbeit gehe es schließlich immer auch darum, die ganze Familie in den Blick zu nehmen: „Wenn ein Kind lange behandelt werden muss, ist die Belastung deutlich höher, wenn es in der Familie noch weitere Kinder gibt“, sagt Langer. Denn mit der Ausnahmesituation müssen auch die Geschwister irgendwie umgehen. „Als Mutter oder Vater hat man dann schnell den Eindruck, keinem Kind mehr wirklich gerecht werden zu können – und mit diesem Gefühl steigt auch die Belastung stark an.“ Doch auch die kurzfristige, oft mit einem Trauma vergleichbare Belastung des ersten Schocks bedürfe einer Begleitung. Langer: „Wenn das Kind viele technische Geräte zur Unterstützung braucht, dann ist der erste Anblick erst mal ein Schock. Je kleiner das Kind und je mehr Technik, desto schwieriger.“

Um bei schockierenden Situationen und bei anderen Herausforderungen im Leben und Umfeld schwerstkranker Kinder besser und gegenwärtiger helfen zu können, wünschen sich Langer und Neunhoeffer eine Verbesserung der Umgebungsbedingungen in Tübingen: etwa durch bauliche Maßnahmen auf der Intensivstation. Durch sie könnte der Spagat zwischen erforderlicher Sicherheit, medizinischer Überwachung und größtmöglicher individueller Nähe der Eltern zu ihrem Kind besser gelingen.

Zudem braucht die Kinderklinik eine zweite Clivia Langer. Sie schmunzelt über diese Formulierung: „Ich würde das so nicht sagen wollen. Das können auch andere, und mein Kollege könnte genauso gut ein Mann sein.“ In jedem Fall aber, sagt Langer, würde die zweite Stelle eine Lücke in der Betreuung kranker Kinder, ihrer Eltern und der Unterstützung des Teams schließen.

Felix Neunhoeffer

1977 in Tübingen geboren

1996 Abitur am Uhland-Gymnasium in Tübingen

1996 - 97 Zivildienst in der

Neonatologie der Tübinger Uniklinik

1998 - 2004 Studium der Medizin in Tübingen

2002 Famulaturen in Indien und Südafrika

2004 bis 2010 Ausbildung zum Facharzt der Kinderheilkunde

seit 2008 Kinderarzt auf der interdisziplinären Intensivstation der Kinderklinik

Felix Neunhoeffer ist Oberarzt auf der

interdisziplinären pädiatrischen Intensivstation der Tübinger Kinderklinik.

Clivia Langer

1962 in Freiburg geboren

1981 Abitur in Freiburg

1982 - 85 Ausbildung zur Kinderkrankenschwester

1985 - 90 als Kinderkrankenschwester tätig

1990 - 96 Kinderpause

1996 - 2001 Studium der Psychologie an der TU Dresden

seit 2002 als Psychologin tätig

2011 - 15 Psychologin im Psychosozialen Dienst der Kinderklinik, Neonatologie

seit 2015 Psychologin auf der interdisziplinären Intensivstation der Kinderklinik

Clivia Langer ist zertifizierte Notfallpsychologin sowie systemische Familientherapeutin mit psychotraumatologischer Zusatzausbildung und Supervisorin.

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Erstellt:
22.12.2019, 08:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 48sec
zuletzt aktualisiert: 22.12.2019, 08:00 Uhr

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