Keinen Viktoriabarsch mehr essen? Selbst das würde alles nur noch schlimmer machen.

Darwins Alptraum

Keinen Viktoriabarsch mehr essen? Selbst das würde alles nur noch schlimmer machen.

24.11.2015

Von che

Darwins Alptraum

Das erste Bild fasst symbolisch schon mal zusammen. Ein Flugzeug wirft seinen Schatten auf den Viktoriasee, den drittgrößten der Welt. Es bringt, erfahren wir später von einem Journalisten, Waffen für die afrikanischen Krisengebiete. Und es holt den Viktoriabarsch, einen voluminösen Raubfisch, der in den sechziger Jahren im See ausgesetzt wurde und seitdem fast alle der ursprünglich 400 Arten weggeputzt hat. 500 Tonnen leckeres Fischfilet werden an schlechten Tagen nach Norden abtransportiert ? genug Mittagessen für zwei Millionen Europäer.

Weil es so paradox ist, nochmals ganz langsam: Die Waffen, mit denen Afrikaner im westlichen Rohstoff-Monopoly das Kanonenfutter mimen, kommen. Und der Fisch, der die zuweilen von Hungersnöten geplagte Region ernähren könnte, geht. So lange jedenfalls noch, bis der See nicht völlig ökologisch verwüstet ist.

Wer bei diesem Geschäft den Reibach macht, belässt die mit dem Europäischen Dokumentarfilmpreis dekorierte Reportage des Österreichers Hubert Sauper im Vagen. Die Menschen am See sind es jedenfalls nicht. Der Mehrheit bleibt, wie eine der stärksten Szenen des Films zeigt, nur der Abfall aus der Fischfabrik: madenübersäte Haut, Gräten und Köpfe, die tapfer zu einer Art Mahlzeit verarbeitet werden.

Mit viel Geduld und einer einfachen Videokamera zoomt sich Sauper ganz nah an die Verdammten der Globalisierung heran: die junge Frau, die sich für zehn Dollar an Geschäftsleute verkauft (und irgendwann von einem Freier ermordet wird); Aids-verwaiste Straßenkinder, die sich mit Schnüffeln am Verpackungs-Plastik (kommt auch aus Europa) ihr Elend erträglich machen; auch die Piloten der ukrainischen Frachtmaschinen, die auf ihrem Level selbst arme Schweine sind.

Wer ab und zu ins Auslandsjournal zappt, dem könnten diese Fakten (die sich ähnlich an vielen Weltecken anhäufen) durchaus bekannt sein. Mit so schonungslosen Bildern und rabiater Emphase hat sie aber noch keiner zur Anklage der herrschenden Weltordnung verdichtet.

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Erstellt:
24.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 56sec
zuletzt aktualisiert: 24.11.2015, 12:00 Uhr

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Ralf Knapp 19.05.200512:00 Uhr

alle sind beeindruckt. nur die taz muss wieder ihren individuellen berichtsstil pflegen und die sache solange hin- und herdiskutieren, bis sie bei denselben argumenten landet wie der weltwirtschaftsfonds!

Moritz 03.04.200512:00 Uhr

Schockierende Wahrheit - Wir brauchen die Kinos voll von diesen Filmen, bis die Menschen hier konsequent werden in ihrem Verhalten...