An drei Tagen auch draußen

Das 23. Filmfest Cine Latino startet mit einem Amazonien-Trip

Lateinamerikanische und spanische Filme im Kino, in Kneipen und unter freiem Himmel – das gibt es bis zum 20. April beim 23. Tübinger Cine Latino.

11.04.2016

Von Klaus-Peter Eichele

Hoffentlich sieht Mutti oben am Pool nichts! Hector (Lucio Giménez Cacho) schnorchelt unter Wasser mit der attraktiven Jazmin (Danae Reynaud) in „Club Sandwich“.Bild: Verleih

Hoffentlich sieht Mutti oben am Pool nichts! Hector (Lucio Giménez Cacho) schnorchelt unter Wasser mit der attraktiven Jazmin (Danae Reynaud) in „Club Sandwich“.Bild: Verleih

Tübingen. Das 1993 von Paulo de Carvalho gegründete (und immer noch geleitete) Festival ist seit vielen Jahren das größte Schaufenster für lateinamerikanisches Kino in Deutschland. Woran es in den letzten Jahren mitunter mangelte, auch wegen des bescheidenen Budgets, waren die Gäste, die die Würze jedes Filmfests sind. Das ist in diesem Jahr anders; 13 Namen von Regisseuren, Produzenten, Autoren und Schauspielern stehen auf der Liste – so viele wie noch nie.

Der bekannteste dürfte der Mexikaner Fernando Eimbcke sein, der 2008 für „Lake Tahoe“ einen Silbernen Berlinale-Bären gewonnen hat. In Tübingen stellt er „Club Sandwich“ vor, eine Komödie über die Beziehung einer Mutter zu ihrem 15-jährigen Sohn, die im Urlaub auf eine harte Probe gestellt wird.

Ein Newcomer ist dagegen der Spanier Álvaro Ogalla, der mit seinem Debüt als Schauspieler und Drehbuchautor allerdings schon mehrere Festivalpreise eingeheimst hat. In „El apóstata“, der als Abschlussfilm gezeigt wird, geht es um einen überzeugten Atheisten, der aus der katholischen Kirche austreten will – was in Spanien aber leichter gedacht als getan ist.

Schwerpunkt Gewalt,

aber auch leichterer Stoff

Noch gastlos geht am morgigen Mittwoch die Eröffnung des Festivals über Bühne und Leinwand des Kinos Museum. Der Auftaktfilm „El abrazo de la serpiente“ ist aber auch so ein Schmuckstück. In dem Abenteuerepos am Schauplatz Amazonien begibt sich ein indigener Schamane im Abstand von 40 Jahren zweimal auf die Suche nach einer Heilpflanze in den Dschungel – jeweils in Begleitung eines westlichen Wissenschaftlers. Auf dem Trip die Wildnis werden sie mit mysteriösen Kulturen und den Schrecken der Kolonialisierung konfrontiert. Das bildgewaltige Werk in Schwarz-weiß war für den Auslands-Oscar nominiert, unterlag aber dem Holocaust-Drama „Son Of Saul“.

Obligatorisches Schwerpunkt-Land des Cine Latino ist diesmal Mexiko. Außer Fernando Eimbcke kommt von dort auch die Regisseurin Tatiana Huezo nach Tübingen, die sich in ihrem Dokumentarfilm „Tempestad“ das wohl drängendste Problem des Landes, die Macht der Drogenkartelle, vorknöpft. Neben den Filmen gibt es zum Thema Mexiko auch eine multimediale Performance über die Malerin Frida Kahlo am Dienstag, 19. April, im Club Voltaire.

Einen Extra-Fokus richtet das Festival auf die Situation der Menschenrechte in Guatemala, wo noch immer die Wunden des Bürgerkriegs mit rund 200 000 Toten schwären. Eine Doku („Burden of Peace“) porträtiert die inzwischen amtsenthobene Generalstaatsanwältin des Landes, die der Straflosigkeit für Kriegsverbrecher den Kampf angesagt hatte. In einem der seltenen Spielfilme aus Guatemala, „Distancia“, geht es um einen Bauern, dessen von der Armee verschleppte Tochter nach 20 Jahren plötzlich wieder auftaucht. Regisseur Sergio Ramírez ist bei der Vorstellung anwesend. Kuratiert wird die Reihe vom Deutschen Uli Stelzner, der 2010 das Menschenrechtsfestival in Guatemala-Stadt mitbegründet hat, das inzwischen aber wegen drohender Repression nach Berlin umziehen musste.

Überhaupt thematisieren etliche Festival-Filme Gewalt unterschiedlicher Ursprünge, etwa „Nunca vas a estar solo“ aus Chile (Homophobie), „Branco sai, preto fica“ aus Brasilien (Rassismus) oder „La patota“ aus Argentinien (Gewalt gegen Frauen). Auch die mörderische Vergangenheit der Bürgerkriege und Diktaturen lässt die Regisseure nicht los, wie die Filme „Magallanes“ aus Peru und „Obra“ aus Brasilien zeigen. Ab und zu findet sich im Spielplan aber auch leichterer Stoff wie die schon genannten Komödien oder der argentinische Krimi „Cómo ganar enemigos“ über einen Fan von Detektivromanen, der plötzlich selbst ein Verbrechen aufklären muss.

49 Filme aus zehn lateinamerikanischen Ländern

Insgesamt zeigt das Cine Latino, das von Sonntag bis Mittwoch auch im Rottenburger Kino im Waldhorn gastiert, 49 Filme aus zehn lateinamerikanischen Ländern und aus Spanien – einige davon an außergewöhnlichen Orten. An drei Tagen zieht das Festival nämlich hinaus auf die Straßen und in die Wirtshäuser der Unistadt. Am Donnerstagabend werden in der oberen Haaggasse Kurzfilme gezeigt, am Freitag und Samstag gibt es Kneipenkino unter anderem im Willi, in der Liquid Bar und im Blauen Salon. Der Eintritt ist meistens frei. Festivalleiter Paulo de Carvalho hofft mit der schon im Vorjahr eingeführten Maßnahme dem Festival ein neues, insbesondere junges Publikum zu erschließen.

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Erstellt:
11.04.2016, 21:02 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 04sec
zuletzt aktualisiert: 11.04.2016, 21:02 Uhr

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