Das Alter ist keine Grenze

Strumpffabrik Gebrüder Raith Um es gleich vorweg zu sagen – die beiden Firmengründer des Unterjesinger Unternehmens sind auch 68 Jahre nach der Gründung noch voll engagiert im Betrieb. Dabei haben Otto Theodor Raith und sein Bruder Werner Georg Raith bereits ein biblisches Alter erreicht. Allerdings: So genau sagen wollen sie das gar nicht. Nicht nur das: Otto Raiths Frau Anneliese ist ebenfalls noch mit von der Partie. Mit Ottos Sohn Jürgen (52) ist aber auch die Folgegeneration schon fest am Schaffen.

16.03.2018

Von TEXT: Werner Bauknecht|FOTOs: Unternehmen

Das Alter ist keine Grenze

Die Zeit und die Umstände waren günstig, damals, 1950, als die Brüder Raith in Beuren ihre Strumpffabrik gründeten. Das nicht weit davon entfernte Nürtingen war die Stadt der Strickwaren. Otto Raith war gelernter Textilkaufmann, Bruder Werner Techniker. Der wollte eigentlich Ingenieur werden, „ich wollte zur Fliegerei“, sagt er. Aber dann blieb er doch in der Textilindustrie hängen. „In der Branche herrschte damals Aufbruchstimmung“, beschreibt Otto Raith das Klima dieser Zeit.

Die ersten Maschinen bezogen sie von einer Firma aus Denkendorf. Leicht war das nicht, denn „damals, nach dem Krieg, gab es sogenannte Eisenscheine, für die erhielt man dann Geräte, genau nach Gewicht“, so Otto Raidt. Da gab es für einen 750-kg-Eisenschein eine Maschine. Aber auch die Strümpfe, die sie fertigten, verkaufte man zu der Zeit nicht für Geld sondern nach Punkten. Die wurden aufgeklebt, und das Landratsamt hat sie am Monatsende abgerechnet und vergütet.

Textil war eine Boombranche damals. Auch die Raiths wollten erweitern, suchten neue Geschäfts- und Produktionsräume in Beuren und Umgebung. Die Konkurrenten expandierten ebenfalls. Das Problem: Es gab Arbeitskräftemangel im Textilbereich. „Da blieb uns nur übrig, auch außerhalb Beurens zu suchen.“ Fündig wurden sie schließlich in Unterjesingen, direkt neben der Hauptstraße. Hier bauten sie 1958 neue, größere Räume. In denen ist das Unternehmen noch heute untergebracht. Daneben bauten sie ein Wohnhaus, in dem die Familien noch heute leben. „Wir haben auch in der Nähe zu Tübingen eine Chance gesehen, unseren Kindern die Chancen auf eine optimale Schul- und Berufsausbildung zu ermöglichen.“

In den ersten Jahren beschäftigten sie zusätzliche Lohnbetriebe, denen sie ihre Schnittmuster und das Material lieferten. Das sei damals normal gewesen. Parallel lernten sie neue Mitarbeiter ein, „um unsere Qualität hoch zu halten.“ Zwar versuchten sie es auch mal eine Weile mit Oberbekleidung, aber das gaben sie wieder auf: „Man muss sich auf eine Sache konzentrieren,“, meint Otto Raith, „und die richtig machen.“ Ein Sache hieß bei ihnen Strümpfe aller Art, von den Kniestrümpfen, Socken und Sportstrümpfen bis zu Arbeitsstrümpfen.

Mitte der 1960er Jahre kam die Polyamidfaser, also die Kunstfaser, immer stärker auf. Aber Raith setzte auf Naturfasern, „das beste zum Waschen und zum Tragen.“ Nur ein kleiner Teil ist Kunstfaser, um den Socken Dehnung zu geben.

In der Hochzeit liefen im Unternehmen Raith 25 Maschinen für ebensoviele Produkte. „Wir haben damals mit allen Großen der Branche zusammengearbeitet – Woolworth, Quelle oder Karstadt“, so Werner Raith. Raith entwickelte weiße Kochsocken für Kliniken, die heute noch eingesetzt werden. Die heimischen Umsätze gingen zurück mit dem Aufkommen der Billigpreisanbieter aus der damaligen DDR, später Hongkong, Bangladesh, Indien und China. „Die gesamte Textilbranche kam ab den Siebzigern in Schwierigkeiten“, so die Raiths, „und unsere Großabnehmer kündigten die Verträge.“

So entschieden sich die Raiths in den 1990er Jahren schweren Herzens, ausschließlich außerhalb, „aber natürlich regional“, produzieren zu lassen und auf Fabrikverkauf umzusteigen. Wo früher in der Produktionshalle die Maschinen standen, sind es heute Verkaufsstände. Kurz haben sie es auch mit Online-Handel probiert. „Aber das war nicht das, was wir wollten“, sagt Werner Raith.

Noch immer lassen sie die Socken nach ihren Vorgaben machen, mittlerweile in einem Großbetrieb bei Crailsheim. „Raith Socken“ steht auf dem Emblem. Sie lassen von Woche zu Woche nach Vorgabe produzieren. Nur wenige Marken haben sie der Vollständigkeit halber zugekauft. Die Qualität der Raith-Socken ist extrem hoch, das zeigt eine Führung der beiden Raith-Brüder. Da gibt es Spezialsocken für Bergwanderer oder Extremsportler, selbst Himalaya-getestet sind sie. Es gibt natürlich auch Business-Socken, Sneaker oder Fußballsocken, selbst Strumpfhosen, Zehlinge und Füßlinge gehören zum Angebot der Gebrüder Raith. „Von den Großabnehmern hieß es früher immer, die Kunden wollten Billigware“, erinnert Otto Raith sich, „aber bei unserem Fabrikverkauf sieht man, dass die Leute Qualität wollen und keinen Billigramsch.“

Und wie lange wollen die beiden das Geschäft noch eigenhändig betreiben? „So lange es geht“, meinen beide unisono, „das Geschäft ist unsere Rente.“

Das Alter ist keine Grenze
Otto Raith (li.), daneben sein vier Jahre jüngerer Bruder Werner. Beide arbeiten seit der Gründung zusammen. In der Hochzeit liefen in der Produktionshalle bis zu 25 Maschinen. Ebenso viele Mitarbeiter waren zu ihrer Bedienung nötig.

Otto Raith (li.), daneben sein vier Jahre jüngerer Bruder Werner. Beide arbeiten seit der Gründung zusammen. In der Hochzeit liefen in der Produktionshalle bis zu 25 Maschinen. Ebenso viele Mitarbeiter waren zu ihrer Bedienung nötig.

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Erstellt:
16.03.2018, 07:05 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 16.03.2018, 07:05 Uhr

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