Tübinger Kunsthalle

Das Nachleben der Minimal Art

Der Besucherandrang bei der Vernissage zur Ausstellung „Sexy and Cool – Minimal Goes Emotional“ in der Kunsthalle Tübingen am Freitagabend war so groß, dass die direkten Zugänge zu Mariella Moslers Bodenarbeit aus Siliziumkarbidsand (Bildmitte) vorsichtshalber abgesperrt waren.

26.03.2018

Von dhe

Bild: Faden

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Überwältigt von der Resonanz zeigte sich Oberbürgermeister Boris Palmer: „Wir feiern ja die Wiedereröffnung einer Tübinger Institution“, sagte er und kündigte an, donnerstags sei künftig der Eintritt frei für Kinder, Jugendliche und Studierende. Es waren so viele Gäste (darunter auch der langjährige Kunsthallenchef Götz Adriani), dass nicht alle in der Halle mit den Rednern Platz fanden. „Eine Repositionierung der Kunsthalle“ erhoffte sich Hans Baumgart, Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung Kunsthalle Tübingen, durch die neue Direktorin Nicole Fritz. Ihr traue die Stiftung zu, der Kunsthalle „wieder das unverwechselbare Profil zu verschaffen, für das sie bekannt war“ – wie unter Adriani, der die Kunsthalle „weit über die Stadtgrenzen hinaus zum Leuchten gebracht“ habe. Auch Christoph Dahl, Geschäftsführer der Baden-Württemberg-Stiftung, die die Schau unterstützt, blickte optimistisch in die Zukunft: „Tolles Konzept, tolle Direktorin“, sagte er knapp.

Die Ausstellung nehme „das Nachleben der Minimal Art in der Gegenwart“ in den Blick, sagte die 48-jährige Kunst- und Kulturwissenschaftlerin Fritz (am Mikro vor drei Arbeiten der US-amerikanischen Malerin Ruth Root). Der expressive Minimalismus der mehr als 20 internationalen Künstler lasse sich als Weiterentwicklung der Minimal Art der 1960er Jahre verstehen: mit ihren kühlen industriellen Materialien und reduzierten geometrischen Formen, die häufig seriell wiederholt wurden. Die Kargheit sollte die Betrachter dazu bringen, sich auf „Materialität und Formen der Werke im Raum“ zu konzentrieren. Die zeitgenössischen Nachfahren greifen die reduzierte Formensprache auf, aber erweitern sie sensuell oder laden sie inhaltlich auf. Sie antworten mit „subjektiver Gestik und haptischen Materialien“ oder mit ironischen Interventionen auf die Minimal-Strategien der meist männlichen Avantgarde, so Fritz. Frühe Postminimalisten wie Eva Hesse oder Franz Erhard Walther sind ebenfalls vertreten. Als Adriani einst Minimal Art in Tübingen präsentierte, löste das kontroverse Reaktionen aus. 1972 formierte sich eine Bürgerinitiative gegen „den Missbrauch der Kunsthalle“, sagte Fritz. Bei ihrer ersten Vernissage dominierte die Entdeckerfreude – ein vielversprechender Anschub für ihre Absicht, „die Kunsthalle wieder mit der Stadt zu verbinden“.