Tübingen · Verkehr

Bebenhausen: Das gelbe Rad des Anstoßes ist weg

Patricia Glantz stellte wochenlang ein Kinderfahrrad als Gehweg-Markierung auf die Schönbuchstraße in Bebenhausen. Das ärgerte Autofahrer.

21.12.2019

Von Sabine Lohr

Das Rad in der Schönbuchstraße in Bebenhausen. Seit gestern ist die ungewöhnliche Gehweg-Begrenzung verschwunden. Bild: Patricia Glantz

Das Rad in der Schönbuchstraße in Bebenhausen. Seit gestern ist die ungewöhnliche Gehweg-Begrenzung verschwunden. Bild: Patricia Glantz

Ein gelbes Kinderfahrrad, um dessen Lenker eine Warnweste hing, sorgte in Bebenhausen wochenlang für Aufregung. Bis Freitagvormittag stand es in der Schönbuchstraße. Genauer: auf der Schönbuchstraße. Hingestellt hatte es Patricia Glantz, und zwar immer wieder. Ungefähr 60 Zentimeter von der Hauswand entfernt stand das Rad wochenlang auf der Straße. Und sorgte für Ärger, denn die Autofahrer störten sich an ihm, mussten sie ihm doch ausweichen.

Statt Gehweg bleibt nur Straßenrand

Dabei war das Fahrrad eine Art Selbsthilfe. Vor dem Haus, in dem Glantz wohnt, und dem Haus daneben ist kein Bordstein. Fußgänger, zu denen auch Glantz’ kleiner Sohn gehört, müssen am Straßenrand gehen. Das ist dort ziemlich gefährlich. Denn durch diese Straße strömt vor allem morgens und abends der Berufsverkehr. Pendler nutzen gerne die Fortsetzung der Straße durch den Wald hinauf nach Waldhäuser Ost. Es sind so viele Pendler, dass der Ort regelmäßig verstopft ist. Die Pendlerautos müssen bei Gegenverkehr zwischen parkende Autos ausweichen, und das Stopp and Go macht so manchen recht aggressiv. Anwohner berichten von Gehupe und Geschrei.

Manche Bebenhäuser würden deshalb den Rittweg – so heißt die Straße durch den Wald – am liebsten ganz sperren. Andere, darunter auch der Ortschaftsrat, wollen das nicht, schließlich sollen die Bebenhäuser diese geschickte Abkürzung nutzen dürfen. Und zwar am liebsten nur sie.

Am 6. November gab es dazu eine sehr gut besuchte Infoveranstaltung. Dort war auch Patricia Glantz, die am Ende ein flammendes Plädoyer für die Sperrung hielt. Denn sie sorgt sich um ihren Sohn, der morgens, wenn die Pendler die Schönbuchstraße verstopfen, zur Schule und dazu zur Bushaltestelle an der Landesstraße gehen muss. Entlang des Verkehrschaos. Beziehungsweise mitten im Chaos, denn die Autofahrer nutzen jeden freien Fleck Straße für sich und fahren bis an die Hauswand heran.

Statt abzuwarten, ob es irgendwann mal eine Lösung gibt, griff Glantz nach der Infoveranstaltung zur Selbsthilfe und markierte mit Hilfe des Fahrrads einen Gehweg. Sie hängte einen Zettel dran, auf dem sie erklärt, warum das Rad dort steht und wem es gehört, und schloss es ab.

Sie schrieb lange Mails an Ortsvorsteher Hansjörg Kurtz, an den Leiter der städtischen Verkehrsrechtsabteilung Andreas Kerth und an Oberbürgermeister Boris Palmer. Sie maß ab, in welcher Entfernung das Rad zur Hauswand steht und wie breit der anschließend beginnende Gehweg an seiner schmalsten Stelle ist.

Das Rad stand da legal

Und sie recherchierte, ob das Rad da stehen darf. Darf es, wenn es nicht dauerhaft dort steht. „Das tut es nicht, dafür sorgen meine Mitbürger“, sagte sie gegenüber dem TAGBLATT. Denn irgendwer stellt das Rad immer wieder an die Hauswand. Glantz stellt es dann wieder zurück auf die Straße.

Das Rad war sogar Thema im Ortschaftsrat, wo Ortsvorsteher Kurz vor „nicht rechtskonformen Eingriffen“ warnte – also davor, das Rad einfach wegzustellen. Er erwarte in Kürze eine Reaktion der Stadtverwaltung, die informiert sei.

Am Freitagvormittag war das Rad plötzlich weg. Sein Fehlen bemerkte Patricia Glantz um 7.30 Uhr. Sie vermutet, es liegt irgendwo im Bach oder im Wald. Vielleicht hat es auch jemand mitgenommen oder versteckt. „Dass in Bebenhausen so schnell kriminelle Energien frei werden, wenn jemandem was nicht passt, hätte ich nicht gedacht“, schrieb sie an den Ortsvorsteher.

Das Rad fehlt nun dem Sohn

Dass das nicht ganz billige Rad ihres Sohnes weg ist, ärgert Glantz. „Auch wenn das eher Kindergarten ist“, sagte sie, „eine Straftat ist es allemal.“ Sie hätte das Rad gerne zurück. Nicht nur, weil bald Weihnachten ist.