Horb · Jahrhundertprojekt

Das Röhren der Maschinen

So funktioniert Horbs wichtigste Baustelle: Beim Rundgang mit Bauleiter Rainer Gumz sammelte die SÜDWEST PRESSE einzigartige Eindrücke.

07.11.2020

Von Dagmar Stepper

Genau an der Stelle, wo im Juli 2023 auf Nordstetter Seite die ersten Fahrzeuge über die Bücke rollen werden, steht gerade nur ein Gerüst. Das Herbstlaub auf der gegenüberliegenden Seite leuchtet, von unten ertönt Gänseschnattern aus der Richtung des Kleintierzuchtvereins. Rainer Gumz lacht. „Ja, wenn kein Verkehr ist, hört man viel.“ Gumz ist Projektleiter bei der größten Baustelle in Horb, der Hochbrücke. Manche nennen es ein Jahrhundertprojekt. Für Gumz ist es auf jeden Fall das größte Projekt seiner beruflichen Laufbahn. Sein Büro ist gleich um die Ecke in einem Container. Fünf Jahre wird er hier sitzen und versuchen, das knapp 65 Millionen teure Mammutbauwerk zu steuern. Natürlich nicht alleine.

Der „Mount Nordstetten“ wächst

Dass die Gänse, die immerhin 70 Höhenmeter entfernt über die Anlage watscheln, zu hören sind, liegt an der Vollsperrung der B32. Glücklich ist niemand darüber, aber „unter Verkehr zu bauen, geht einfach nicht“, sagt Gumz. Die SÜDWEST PRESSE ist mit ihm und Bauaufseher Timo Müller auf Baustellentour. Wo früher die Straße war, ist jetzt festgefahrene Erde. Die Fahrzeuge haben stellenweise tiefe Furchen hineingerissen. Folgt man den Rillen hangaufwärts Richtung Nordstetten, wird es mit jedem Schritt wuseliger. Da sind sie, die Arbeiter, die man anfangs nur erahnen konnte. Der Berg ist bereits mit einer Betonverschalung abgesichert, jetzt errichten Arbeiter in Modulbauweise die bis zu 13 Metern hohen Stützmauern. Die Männer biegen Stahl, gießen Beton, ein Arbeitsgriff passt sich dem nächsten an.

Es ist der zweite von insgesamt vier Bauabschnitten der Hochbrücke. Sie umfasst neben der Stützmauer, die noch eine Lärmschutzmauer drauf bekommt, Kanalarbeiten und Straßenbau. Was aber vor allem gerade bewegt werden muss, ist Erde. Der Boden wird für den Brückenbau verdichtet. Baggerschaufeln graben sich auf der hangabgewandten Seite ins Erdreich, der Inhalt wird auf Kipper und Schlepper geladen. Sobald diese voll sind, legen die Fahrer los und brausen Richtung Höhe. Dort, in der Nähe des bereits gebauten Überfliegers – der Brückenanschluss für Nordstetten – türmt sich ein 15 Meter hoher Hügel auf. Man könnte ihn „Mount Nordstetten“ nennen. Der Hügel landet Stück für Stück in der mobilen Brecheranlage. Das zerkleinerte Material landet wieder auf einem anderen Haufen. Nachdem es mit Kalkzement vermischt wurde, wird das verdichtete Material – jetzt heißt es „bewehrte Erde“ – wieder auf der Baustelle verarbeitet.

Corona sorgt für Schichtbetrieb

„Man kann schon was sehen auf der Baustelle“, sagt Gumz. Mit 30 Leuten geht auch was, meint Müller. Gearbeitet wird montags bis samstags von 7 bis 19 Uhr. Corona ist glücklicherweise kein Thema. Doch es werde auch auf die Hygienevorschriften geachtet. Gumz beispielsweise arbeitet mit seinem Kollegen Jörg Pfeifle im Schichtbetrieb. Wenn er da ist, sitzt der andere im Homeoffice.

Wieder rattert ein Baustellenfahrzeug vorbei. Die Stützmauer soll in einem Jahr fertig sein, mit dem Bau der Talbrücke soll parallel im nächsten Jahr gestartet werden. Sie ist 260 Meter lang und bis zu 70 Meter hoch. Fünf Pfeiler stützen sie. Auf den Animationen sieht sie filigran aus.

Auf diese Brücke und vor allem auf die Verkehrsentlastung warten die Horber seit mehr als 20 Jahren. Als manche gar nicht mehr an das Projekt geglaubt hatten, wurden die Gelder vom Bund bewilligt. Der Spatenstich im November 2018 wurde gefeiert. Doch bevor die Fahrzeuge darüber rollen können, muss erst mal gebaut werden. Und bei einem Mammutprojekt dauert es eben länger.

Mit Blick auf die Horber Altstadt tun die Baustellenfahrzeuge ihren Dienst auf der gegenüberliegenden Seite des Neckars. Bilder: Karl-Heinz Kuball

Mit Blick auf die Horber Altstadt tun die Baustellenfahrzeuge ihren Dienst auf der gegenüberliegenden Seite des Neckars. Bilder: Karl-Heinz Kuball

Für Projektleiter Rainer Gumz (rechts) und Bauaufseher Timo Müller ist die Brücken-Baustelle ein spannendes Unternehmen.

Für Projektleiter Rainer Gumz (rechts) und Bauaufseher Timo Müller ist die Brücken-Baustelle ein spannendes Unternehmen.