Attentat

Das Versagen beim Anschlag am Breitscheidplatz

Im Dezember 2016 rast der Islamist Anis Amri mit einem Lkw in den Berliner Weihnachtsmarkt. Zwölf Menschen sterben. Bei der Aufklärung sieht die Opposition ein Versagen der Behörden.

12.06.2021

Von Dominik Guggemos

Das Attentat am 20. Dezember 2016 hinterließ eine Schneise der Verwüstung auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Das Attentat am 20. Dezember 2016 hinterließ eine Schneise der Verwüstung auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Berlin. „Die Bundesregierung“, sagt Benjamin Strasser, „muss ihr Versagen den Opfern im Parlament erklären.“ Strasser ist FDP-Obmann im Untersuchungsausschuss, der den Anschlag auf den Berliner Breitscheidplatz durch den Islamisten Anis Amri im Dezember 2016 aufgearbeitet hat. Die Opposition aus FDP, Grünen und Linken hat am Freitag ein gemeinsames Sondervotum zum Abschlussbericht vorgestellt, der am 24. Juni im Bundestags diskutiert werden soll. Dazu hat Bundestagspräsident Schäuble Hinterbliebene der zwölf Todesopfer eingeladen, 67 weitere Menschen wurden bei dem Attentat verletzt.

In der Debatte dürfte es hoch hergehen, denn die Opposition greift sowohl das Verhalten der Schwarz-Roten Koalition wie auch die Strukturen in den Sicherheitsbehörden scharf an. Strasser kritisiert, dass fast die identischen Fehler wie beim „Staatsversagen-NSU-Komplex“ gemacht worden seien. „Ein alarmierender Befund.“

Martina Renner (Linke) kritisiert Willkür der Regierung bei der Akteneinsicht. Die Sicherheitsbehörden griff sie gleich doppelt an: Zum einen fehle es an Wissen, wie dschihadistische Gruppen funktionieren. Zum anderen hätten die Geheimdienste schlicht rechtswidrig gehandelt, auch nach dem Anschlag, weil sie dem Generalbundesanwalt, der die Ermittlungen führt, Informationen nicht vorgelegt hätten.

Für die Grüne Irene Mihalic hat der Untersuchungsausschuss vor allem eines gezeigt: „Es lag nicht an mangelnden rechtlichen Grundlagen, sondern an einer Fehleinschätzung der Gefahr.“ Von der These, dass Amri ein Einzeltäter gewesen sei, hält Mihalic überhaupt nichts. Der Attentäter habe am Tag der Tat noch drei Stunden mit zwei polizeibekannten Islamisten verkehrt. Einen davon habe die Polizei später sogar am Tatort angetroffen. Zugleich gebe es unbekannte DNA-Spuren in dem Lkw, mit dem Amri über den Breitscheidplatz fuhr und die Menschen tötete. „Das sind“, sagt Mihalic, „Versäumnisse der polizeilichen Ermittlungsarbeit.“

Was für Konsequenzen zieht die Opposition aus den Fehlern, die sie aufzeigt? Die FDP wünscht sich einen parlamentarischen Nachrichtendienst-Beauftragten mit einem eigenen Mitarbeiterstab, der unangekündigt Behörden kontrollieren kann. „Damit das Parlament“, sagt Strasser, „eingreifen kann, bevor etwas passiert.“ Die Linke fordert die Pflicht zur besseren Dokumentation und Zusammenarbeit zwischen den Behörden. Von den Grünen kommt die Forderung nach einer grundlegenden Reform des Verfassungsschutzes, der ein gefährliches Eigenleben kultiviert habe.

Betont einig ist sich die Opposition darin, dass der Umgang mit den Hinterbliebenen besser werden müsse. Konkret soll die Koordinierungsstelle NOAH nicht mehr nur Opfern von Terroranschlägen im Ausland helfen, sondern auch hierzulande.

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Erstellt:
12.06.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 11sec
zuletzt aktualisiert: 12.06.2021, 06:00 Uhr

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