Kino

Das große Rennen um die Oscars

Acht Streifen sind als „Bester Film“ nominiert, und wer gewinnt, ist so offen wie lange nicht mehr. „Roma“ oder „The Favourite“, „Green Book“ oder „Black Panther“ oder doch ein anderer?

29.01.2019

Von MAGDI ABOUL-KHEIR

„The Favourite“ ist gleich zehnmal im Oscar-Rennen vertreten. Besonders in der Kostüm- und der Drehbuch-Kategorie könnte der Historienfilm gewinnen Foto: Twentieth Century Fox/dpa

„The Favourite“ ist gleich zehnmal im Oscar-Rennen vertreten. Besonders in der Kostüm- und der Drehbuch-Kategorie könnte der Historienfilm gewinnen Foto: Twentieth Century Fox/dpa

Los Angeles. Wer zum Teufel soll das wissen!?“ So wie Scott Feinberg vom „Hollywood“ Reporter“ geht es dieser Tage allen Oscar-Spezialisten. Welcher Streifen wird am 24. Februar bei der 91. Oscar-Verleihung als bester Film ausgezeichnet? Es ist das spannendste Oscar-Rennen seit langem. Acht Filme sind nominiert, Pros und Kontras lassen sich für jeden finden.

Und das Prognostizieren wird nicht leichter. Denn nun hat die Schauspieler-Gilde gesprochen und Marvels „Black Panther“ mit dem Hauptpreis fürs beste Ensemble ausgezeichnet; den Kassenknüller hatten bisher die wenigsten ernsthaft auf der Liste.

Die Preise der SAG sind deswegen wichtig, weil Schauspieler die größte Gruppe der Oscar-Wähler stellen. Und tatsächlich ist die Bester-Film-Nominierung für „Black Panther“ bedeutsam: Erstmals wurde einer Comic-Adaption diese Ehre zuteil. Aber „Black Panther“ ist zwar für sechs weitere Oscars nominiert, doch nicht in Hauptkategorien. Andererseits: In diesem Jahr ist alles denkbar – und die Academy möchte in Sachen Vielfalt und Offenheit Zeichen setzen.

Auf dem Zettel haben alle Branchenkenner Alfonso Cuaróns „Roma“. Das im Mexico-City der 70er Jahre spielende Sozialdrama ist für zehn Oscars nominiert, darunter in allen wichtigen Kategorien (also Regie, Schnitt, Drehbuch, Schauspieler). Es hat bei den Filmfestspielen in Venedig gewonnen, zwei Golden Globes und den Critic's Choice Award geholt, zudem haben viele US-Kritiker-Verbände „Roma“ zum besten Film des Jahres gekürt.

Den Oscar als fremdsprachiger Film bekommt Cuarón wohl, ebenso den Regie-Oscar dank seiner technisch brillanten wie emotional tiefgründigen Inszenierung. Aber machen die Oscar-Wähler „Roma“ tatsächlich auch zu ihrem besten Film überhaupt? Eine Netflix-Produktion? In Schwarz-Weiß? Und vor allem: ein spanischsprachiges Drama? Denn das hat es in der Oscar-Geschichte noch nie gegeben: dass ein nicht-englischsprachiger Film den Hauptpreis holt! Das klingt absurd – ist aber in Hollywood so.

Auf Nummer sicher?

Von der Papierform her mit „Roma“ ebenbürtig ist Yorgos Lanthimos? „The Favourite“. Der Historienfilm über Queen Anne und den intriganten englischen Königshof im frühen 18. Jahrhundert ist ebenso für zehn Oscars nominiert, ebenso in allen wichtigen Kategorien. Er hat in der Filmpreis-Saison bereits reichlich Zuspruch erfahren. Einzig die amerikanische Regisseurs-Gilde DGA hat den eigenwilligen Griechen Lanthimos nicht auf ihre Bestenliste genommen, so bleiben bezüglich des eleganten, aber garstigen Dramas Zweifel.

Wenn die Oscar-Wähler auf Nummer sicher gehen, könnte die Stunde von Peter Farrellys „Green Book“ schlagen. Der Film über die Reise eines schwarzen Pianisten und seines weißen Fahrers durch die US-Südstaaten der 60er Jahre kommt mit seiner Anti-Rassismus-Message gut an. Man bedenke: Aufgrund des Oscar-Wahlsystems geht der Hauptpreis nicht an den Film, den die meisten auf Platz eins wählen, sondern an den besten Konsens-Film.

„Green Book“ hat bereits den Golden Globe als beste Komödie und den Top-Preis des National Board of Review gewonnen. Der Film ist zwar nur für fünf Oscars nominiert, aber in den Kategorien Film, Haupt- und Nebendarsteller, Drehbuch und Schnitt. Was fehlt, ist eine Nominierung für Regisseur Farrelly, der bislang eher mit seichten Komödien reüssierte – das schmälert die Chancen. Nahezu sicher ist, dass Mahershala Ali seinen zweiten Nebendarsteller-Oscar abholen darf.

Nicht ohne Regie und Schnitt

Als ebenso gewiss gilt, dass Lady Gaga für „A Star Is Born“ gewinnt. Jedoch nicht als Schauspielerin, sondern für den Song „Shallow“. Lange galt Bradley Coopers kommerziell erfolgreiches Liebes-Musikdrama als aussichtsreich. Und der Film wurde auch für acht Oscars nominiert. Aber es fehlen Nominierungen in den Kategorien Regie und Schnitt. Und den Bester-Film-Oscar ohne diese Nominierungen? Das hat es in der Oscar-Historie nie gegeben.

Bleiben drei Kandidaten, und auch die sollte keiner abschreiben. So ist Adam McKays Polit-Satire „Vice“ über die Machenschaften Dick Cheneys für satte acht Oscars nominiert. Viele Kritiker haben den Film eher reserviert aufgenommen – aber beeinflusst das die Academy?

Das absurde Klu-Klux-Clan-Drama „BlackKkKlansman“ ist sechsmal nominiert – und das in Haupt-Kategorien. Vor allem ist der hoch angesehene Spike Lee („Malcolm X“) erstmals als bester Regisseur dabei.

Last but not least: „Bohemian Rhapsody“. Der Film über Queen ist fünfmal nominiert und holte gar den Golden Globe als bestes Drama. Was gegen höchste Oscar-Ehren spricht: Regisseur Bryan Singer ist ein paar Wochen vor Drehende wegen Missbrauchsvorwürfen abhanden gekommen, und nun wird so getan, als ob der Film keinen Regisseur hat. Freddie-Mercury-Verkörperer Rami Malek freilich gilt (mit Christian Bale für „Vice“) als Top-Kandidat auf den Hauptdarsteller-Oscar, und bei den Damen ist Glenn Close („The Wife“) favorisiert. Aber was ist diesmal bei den Oscars schon sicher?

Politisch relevant: Spike Lees „BlacKkKlansman“ mit Adam Driver (links) und John David Washington. Foto: David Lee/Universal Pictures International/dpa

Politisch relevant: Spike Lees „BlacKkKlansman“ mit Adam Driver (links) und John David Washington. Foto: David Lee/Universal Pictures International/dpa

Alfonso Cuaróns für zehn Oscars nominiertes Sozialdrama „Roma“ haben Branchenkenner ganz vorn auf ihrer Liste. Zumindest der Regie-Preis scheint dem Mexikaner gewiss. Foto: Netflix/dpa

Alfonso Cuaróns für zehn Oscars nominiertes Sozialdrama „Roma“ haben Branchenkenner ganz vorn auf ihrer Liste. Zumindest der Regie-Preis scheint dem Mexikaner gewiss. Foto: Netflix/dpa

Die Oscars werden in 24 Kategorien vergeben. Foto: Oscar

Die Oscars werden in 24 Kategorien vergeben. Foto: Oscar

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Erstellt:
29.01.2019, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 18sec
zuletzt aktualisiert: 29.01.2019, 06:00 Uhr

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