Phänomenale Neubelebung des Zeichentricks aus dem Geist der Nostalgie.

Das große Rennen von Belleville

Phänomenale Neubelebung des Zeichentricks aus dem Geist der Nostalgie.

24.11.2015

Von che

Das große Rennen von Belleville

Kritik: Die Tour de France gilt nicht nur als der härteste sportliche Wettkampf überhaupt, sondern auch als der von den tollsten Mythen umrankte. Eine Geschichte wie in diesem phänomenalen französischen Zeichentrickfilm kann sich aber wirklich nur ein mit allen Wassern gewaschener Drehbuchautor ausgedacht haben:

In einem winzigen Häuschen neben dem Bahndamm lebt ein trauriger kleiner Junge bei seiner Adoptiv-Oma, Madame Souza. Als er eines Tages einen Drahtesel geschenkt bekommt, platzt der Lebensknoten. Unter Omas eisernem Trainings-Regiment mausert sich das antriebsschwache Pummelchen zum wadenstrammen Radrennfahrer, der sogar bei der Tour de France mitmischen darf. Doch während einer schweißtreibenden Bergetappe verschwindet der Crack plötzlich spurlos. Madame Souzas Nachforschungen führen sie per Tretboot über den Ozean in die unschwer als New York zu identifizierende Megalopolis Belleville.

Mehr noch als durch seine bizarre Handlung besticht der Film von Sylvain Chomet allerdings durch die schillernden Kleinteile und cleveren Anspielungen. Die Titelsequenz ist eine überschwängliche Hommage an das Varieté-Paris der dreißiger Jahre. Unser verhinderter Champion erscheint in seiner stoischen Gelassenheit wie ein Verwandter Buster Keatons. Der Detailreichtum aller Figuren (etwa Madame Souzas gewaltiger Klumpfuß) erinnern an die Filme von Hayao Miyazaki („Chihiros Reise?), der Zeichenstil an die surrealistischen Parts von Disneys Altklassiker „Fantasia?, die sanfte Kulturkritik und das Fehlen von Dialogen an Jacques Tati.

Weitere Trümpfe sind die „Triplettes de Belleville? des Originaltitels, drei schrullige Sängerinnen, deren schräge Songs zwischen Edith Piaf und Django Reinhardt die Bilder kongenial umgarnen. Für die etwas grobere Komik sorgt Madames Hund, dessen Vorliebe für das Ankläffen von Zügen bis zur totalen Erschöpfung gemolken wird. Dazu gesellen sich noch listige Karikaturen französischer und amerikanischer (eine fettleibige Freiheitsstatue) Lebensart. Es ist ein Wunder, dass es dem Regisseur gelingt, diese Überfülle aberwitziger Einfälle in die wie am Schnürchen ablaufende, zunehmend ins Alptraumhafte driftende Geschichte zu integrieren.

Tricktechnisch wirkt „Das große Rennen von Belleville? so, als habe das Team alles links liegen lassen, was es in den letzten 50 Jahren an Innovationen gab. Gerade das macht ihn so unglaublich frisch. Der Zeichentrickfilm soll am Ende sein? Glauben Sie nicht alles, was Hollywood Ihnen erzählt.