Mössingen · Pausa

Dem NS-Denken widersetzt

Der Löwenstein-Forschungsverein erinnert an jüdische Spuren im Mössinger Generalstreik.

27.01.2023

Von rum

Ein außergewöhnliches historisches Beispiel für Zivilcourage“ stelle der Widerstand der Arbeiterinnen und Arbeiter der Löwenstein’schen Pausa-Fabrik in Mössingen am 30. und 31. Januar 1933 dar, schreibt der Löwenstein-Forschungsverein anlässlich des 90. Jahrestags des Mössinger Generalstreiks in einer Pressemitteilung. Auch daran gelte es zu erinnern, um aufzuklären und „um Mut zu erzeugen, heute demokratiefeindlichen Auffassungen entgegenzutreten“.

Das Zustandekommen des Mössinger Generalstreiks ist laut Verein „ohne Berücksichtigung der erkennbaren jüdischen Spuren nicht wirklich verstehbar“. Die Gründerinnen und Gründer der Pausa, Artur und Flora Löwenstein sowie Felix und Helene Löwenstein, hätten ein liberales und offenes Denken vertreten und seien überzeugte Demokraten gewesen. Alle vier seien von ihren Erfahrungen an der Front und im Lazarett während des Ersten Weltkrieges geprägt worden. In ihrer Haltung, schreibt der Verein, „zeigten sie sich eindeutig: Nie wieder Krieg! Diese Sicht teilten sie mit den Sprechern der Generalstreikenden“.

Die Löwensteins hätten sich dem NS-Denken bereits vor dem Streikaufruf widersetzt. Schon 1932 hätten sie jenen Mössinger Handwerkern gekündigt, die sich offen als Nationalsozialisten zu erkennen gaben. „Die Löwensteins wurden im selben Jahr deshalb bedroht. Doch die Familie blieb standhaft und lehnte wirtschaftliche Kooperationen mit Hitleranhängern ab“, schreibt der Forschungsverein.

Bereits in den Jahren davor hätten die Löwensteins drei Bauhaus-Schülerinnen in die Pausa geholt, „um neue Fachkenntnisse einzuführen und um die horizontale Arbeitskultur des Bauhauses im Unternehmen umzusetzen“. Kopf- und Handarbeit sollten auf gleicher Augenhöhe, Designerinnen und Arbeitende im selben Produktionsprozess tätig sein.

Die drei Bauhäuslerinnen Lisbeth Oestreicher, Ljuba Monastirskaja und Friedl Dicker bekannten sich als Gegnerinnen des Nationalsozialismus. Sie waren Jüdinnen und vertraten laut Verein ihre Auffassungen auch in der Belegschaft. Alle drei wurden in der NS-Zeit verhaftet und deportiert. Friedl Dicker und Ljuba Monastirskaja wurden ermordet. Lisbeth Oestreicher überlebte das KZ.

Als die Löwensteins der Belegschaft am 31. Januar 1933 nach dem Streikbeschluss frei gaben, wollten sie die Streikenden schützen, schreibt der Verein. „Die Löwensteins sahen die Kriegsgefahr, erlebten den Antisemitismus und ahnten schon zum Zeitpunkt von Hitlers Machtantritt, dass sie mit ihren Kindern in Lebensgefahr geraten werden.“ ST

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27.01.2023, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 27.01.2023, 01:00 Uhr

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