Fünf Schülerkritiken über den norwegischen Film in der "Semaine de la Critique".

Den brysomme Mannen

Fünf Schülerkritiken über den norwegischen Film in der "Semaine de la Critique".

24.11.2015

Den brysomme Mannen

„The people here are happy, they have everything they need?.

Ja, die Menschen in der Stadt in die Andreas, ohne Vorwarnung und Begründung hineinkatapultiert wurde, sind glücklich. Die materiellen Bedürfnisse sind mehr als befriedigt. Sie leben in einer „perfekten? Stadt, in einer Stadt, die vor Sauberkeit strotzt, in der keine Kinder existieren und alte Menschen in Kellern untergebracht sind.

Der Film „Den brysomme mannen? ist eine pessimistische Vision der Gesellschaft. Er zeigt auf eindrucksvolle Weise die Idee einer gefühlskalten Stadt und zugleich die hilflose Situation des gefühlvollen Menschen Andreas in dieser.

Regisseur Jens Lien hat einen gesellschaftskritischen Film geschaffen, der die innerliche Leere der Menschen zeigt. Es ist eine Welt, in der nur über Möbel geredet wird, in der sinnvolle Kommunikation fehlt.

Zwei Beziehungen hat Andreas zu Frauen. Die erste zu Anne, einer Küchenverkäuferin.Sie interessiert sich nur für Möbel. Selbst als er ihr erklärt, er werde sie verlassen, zeigt sie keine Gefühlsregung, sondern bittet ihn bloß noch ein paar Tage zu warten, da sie Gäste erwarten.

Auch seine neue Geliebte, Ingeborg, legt nur Wert auf materielle Dinge, wie eine größere Wohnung.

Je länger Andreas in der Stadt lebt, desto stärker spürt er, dass das Problem nicht in ihm selber liegt, sondern darin, dass etwas Essentielles fehlt, etwas Essentielles des menschlichen Wesens.Das Gefühl. Sogar das Essen hat weder Geschmack noch Geruch. Die Einsamkeit wird immer größer, selbst ein Selbstmordversuch schlägt fehl.

Doch es gibt Hoffnung: Ein kleines Loch in der Wand eines Kellers. Angezogen von dem Geruch und dem Licht, das aus dem Loch strömt, fängt Andreas an zu graben. Er hört spielende Kinder. Mit einen Arm der tristen Welt entkommen, wird er festgenommen. Er passt nicht ins Bild. Er ist ein fremdes Tier. Also bringen sie ihn wieder weg, an einen noch kälteren Ort...und der Zuschauer geht nach Hause.

Simon Oldenbruch, Gymnasium Gonsenheim

Ein verlassener Bahnsteig. Ein Paar steht an der Wand. Mit leerem Blick wird lautstark geküsst. Daneben ein junger Mann. Er hört die schmatzenden Geräusche und stürzt sich vor den Zug.

Jens Liens Film „Den brysomme mannen? beginnt mit makabrem Humor, seine Direktheit und Unverschnörkeltheit machen den ganzen Film stark.

Nach seiner mysteriösen Ankunft im Niemandsland wird Protagonist Andreas in eine namenlose Stadt gebracht und dort mit seinem neuen Leben konfrontiert. Für alles ist gesorgt: ein Haus, ein guter Job mit freundlichen Kollegen, sogar ein wenig Bargeld wird ihm zugesteckt. Die Lebensumstände scheinen perfekt, wäre da nicht die Fadheit des Essens, die Eintönigkeit seines ganzen Lebens. Emotionslos und angepasst sind die Menschen, die zu seiner neuen Welt gehören. Auf der Suche nach wahren Gefühlen begegnet ihm ausschließlich Berechnung und Distanz. „Den brysommen mannen? zeichnet eine Überspitzung heutiger Gesellschaftszüge bis zur grotesken Sterilität. Die Menschen dieser Stadt haben keinerlei Einfluss auf ihre Entwicklung. Ihre Fixierung auf Einrichtung und Dekoration mag als ein letzter, verzweifelter Versuch, ihr Leben zu beeinflussen, verstanden werden. Andreas treibt diese Oberflächlichkeit bis zur Selbstverstümmelung, doch selbst diese Möglichkeit der Selbstbestimmung bleibt ihm untersagt. Weder Sex noch Essen und Alkohol verschaffen Erleichterung, geschweige denn Genuss. Doch als er aus einem Kellerfenster seltsame Musik hört, findet er in seinem bisher so kahlen Leben einen Funken Hoffnung. Braucht nicht jeder Mensch ein Geheimnis, etwas ganz eigenes, individuelles, das ihn ausmacht?

Mit minimalistischer Kulisse und kunstvoller Kameraführung lässt Jens Lien eine symbolische Welt entstehen. Es ist ein Fest der Bilder, der Sinnlichkeit, die paradoxerweise den Zuschauer das erfahren lassen, was den Menschen der sterilisierten Stadt fehlt. Auf Text und Spiel wird weitgehend verzichtet und doch ziehen den Zuschauer die leeren und emotionslosen Gesichter der Schauspieler in ihren Bann. Seltene, aber auffällig gelungene Musikeinsätze bauen eine schier unerträgliche Spannung auf, die im Nichts mündet.

Doch wenn der Zuschauer hofft, dass es sich hierbei um eine abwendbare Zukunft handelt, muss er erkennen, dass er sich mittendrin befindet.

Anna Hanson, Veronica Hess (Lessinggymnasium, Frankfurt)

Die perfekte Welt. Keine Probleme. Alle sind glücklich und zufrieden. Genau in solch einer Welt landet Andreas, nachdem er sich vor die U-Bahn gestürzt hat. Dieser Anfang wirft den Zuschauer sofort ins kalte Wasser und lässt ihm keine Chance über die Beweggründe der Tat nachzudenken.

Schnelle Szenenwechsel ziehen sich wie ein roter Faden durch den gesamten Film "Den Brysomme Mannen" von Jens Lien aus Norwegen. Einerseits lösen sie eine große Verwirrung aus, andererseits rufen die oftmals makaberen Situationen ein Wechselbad der Gefühle hervor.

Der Protagonist wendet sich mit aller Kraft gegen die ihm aufgezwungene Rolle sich als eine von vielen Marionetten in einer gefühlslosen, materiellen Gesellschaft zu bewegen. Die Monotonie wird vor allem durch die triste Farbgebung ausgedrückt. Den einzigen Ausweg aus dieser Sackgasse stellt eine schmale Öffnung in einer Kellerwand dar, durch welche Andreas versucht, in eine andere Welt zu entfliehen. Die dramatische Musik unterstreicht seine Verzweiflung, die durch Hilflosigkeit und Einsamkeit hervorgerufen wird.

Im Laufe des Films wird deutlich, dass die Gesellschaft nur durch mechanische Liebe und Oberflächlichkeit aufrechterhalten werden kann. Um dies zu wahren, wird Andreas letztendlich aus der Welt verbannt.

Der Regisseur zeigt mit seinem zweiten Spielfilm, dass eine einzige Person es schwer hat, sich gegen eine breite Masse aufzulehnen, auch wenn insgeheim viele dieselben Gedanken hegen.

Corinna Mückenheim, Madeleine Stein, Martin-Luther-Gymnasium, Lutherstadt Eisleben

Was will man mehr: einen gut bezahlten Job, freundliche Kollegen, eine attraktive Frau, viel Sex und ein stilvolles Haus?!

Andreas Ramsfjell hat all dies und genau darin besteht sein Problem. Die Menschen seiner Umgebung versuchen den Mangel an Gefühlen und Kommunikation zu verdrängen, indem sie sich auf das Materielle fixieren. Sie geben sich mit dem zufrieden was sie haben, um Konflikten aus dem Weg zu gehen. Andreas stellt sich die Frage, warum er auf Empfindungen wie Geschmack, Orgasmus oder Liebe nicht verzichten kann. Als ihm bewusst wird, dass nicht er selbst, sondern die Gesellschaft gestört ist, versucht er ihr zu entfliehen.

Mit diesem Szenario kritisiert der junge norwegische Regisseur Jens Lien die skandinavische Gesellschaft. Sein Ziel ist die Darstellung einer utopischen Welt als Warnung vor der aktuellen Tendenz zur Problemverdrängung.

In seinem zweiten Spielfilm sind Kinder als Zeichen einer lebendigen Kultur nicht vorhanden. Familie wird hier nicht mehr als Lebensbereicherung empfunden. Durch die Sterilität in der Architektur werden der norwegische Wahn nach Renovierung und der zwanghafte Wunsch nach Ästhetik in dieser fiktiven Gesellschaft thematisiert. Dieses Kühle und Sachliche spiegelt sich auch in den zwischenmenschlichen Beziehungen wider. Kommunikation bleibt stets oberflächlich, dadurch entstehen weder Feindschaften, noch Freundschaften.

Der Protagonist empfindet tiefe innere Qualen und Ekel vor seiner Umgebung, die der Regisseur dem Publikum durch brutale Gewaltszenen verdeutlicht. Dabei geht er teilweise über die Schmerzgrenzen der Zuschauer hinaus. Zwar spürt der Betrachter am eigenen Leibe die Leiden von Andreas, jedoch kann man den Film somit nur schwer genießen und will ihn nicht auf sich wirken lassen.

Dem Zuschauer stellt sich durch diesen dennoch beeindruckenden Film die Frage: „Wodurch entstehen mehr Konflikte? Durch die Auseinandersetzung oder durch das Ignorieren von Problemen?

Anna Ellereit & Sabine Pietruske, Altes Gymnasium Bremen

Als Andreas seiner Freundin vorschlägt, zusammen zu ziehen, ist ihre einzige Reaktion die Frage nach einem größeren Badezimmer. Doch der Zuschauer wundert sich bereits nicht mehr über die Emotionslosigkeit der Figuren. Denn auch die Frau, mit der Andreas noch zusammenlebt, interessiert sich für nichts anderes als Möbel.

Der Film „Den brysomme mannen? von Jens Lien zeigt das Schicksal von Andreas, der eines Tages ohne jegliche Erinnerung in einem ansonsten passagierlosen Bus zu sich kommt. Von Fremden erhält er einen neuen Beruf und eine Wohnung. Seine anfängliche Einsamkeit überwindet Anne Britt, mit der er zusammenzieht. Die Stadt bleibt ihm jedoch weiterhin suspekt, denn keiner der Bewohner scheint tiefere Empfindungen zu haben.

Der Film vermittelt eindrucksvoll die Beklemmmung, die bei Andreas durch die seltsame Stadt ausgelöst wird. Eintönigkeit von Einrichtung, Farbe und Wetter und die beinahe sterile Sauberkeit der Stadt spiegeln die Anspruchslosigkeit und Gleichgültigkeit der Einwohner wieder. Andreas glaubt bereits, selber nicht mehr empfinden zu können. Als Zuschauer muss man sich hier die Frage stellen, inwiefern diese Welt die zunehmende Verrohung und Formalisierung der unseren mit ihren extremsten Folgen aufzeigt.

Auf der verzweifelten Suche nach Gefühlen und Herzlichkeit findet er schließlich ein Loch in der Wand eines Kellers, das zu einem Ort des Glücks und der intensiven Emotion zu führen scheint. Zusammen mit einem Gleichgesinnten versucht er diesen Ort zu erreichen, scheitert jedoch, als die allgegenwärtigen Ordnungshüter ihn ergreifen.

Wo zunächst alle Hoffnung verloren scheint, entwickelt sich so bald eine neue Chance der unmenschlichen Gesellschaft zu entfliehen und das individuelle Glück wieder zu finden, das diesen Menschen verloren gegangen war.

Manuel Klein, Europagynasium Wörth