Quer-Kopf

Der Anders-Denker

Manfred parchem ist ein schwäbischer Tüftler; der Erfinder von Soda Star, einem patentierten System, das aus Leitungswasser Sprudel macht; schaut mit Vorliebe auch mal über den (eigenen) Tellerrand hinweg und will mit seinen Erfindungen zum Weiterdenken anregen.

18.03.2022

Von Bettina Puth|FOTOS: Uli Rippmann

Der schwäbische Tüftler Manfred Parchem hat sich mit seinen Entwicklungen nicht immer Freunde geschaffen. Dafür aber auch Nachahmer.

Der schwäbische Tüftler Manfred Parchem hat sich mit seinen Entwicklungen nicht immer Freunde geschaffen. Dafür aber auch Nachahmer.

Die Gemeinde Dußlingen liegt idyllisch eingebettet zwischen der Schwäbischen Alb und dem Landschaftsschutzgebiet Rammert. Somit gehört die 6200 Einwohner zählende Gemeinde zu Baden-Württemberg, einem Land, das allgemein bekannt ist für seine Tüftler und Denker. Einer von ihnen ist Manfred Parchem, ein Tübinger Urgestein, der anfänglich für seine Idee, aus Wasser Sprudel zu machen, nur müde belächelt wurde. Heute ist Soda Star ein gefragtes Schankanlagensystem, das an den unterschiedlichsten Orten zum Einsatz kommt.

Viele weitere praktische Dinge für den Alltag kommen aus einer Schmiede Baden-Württembergs oder sind von Badenern oder Württembergern erfunden worden. Eines der bekanntesten Beispiele ist das Patent von Carl Benz, der am 29. Januar 1886 sein „Fahrzeug mit Gasmotorenbetrieb“ anmeldete. Die Patentschrift DRP 37435 gilt somit als die Geburtsurkunde des Automobils. Fliegenklatsche, Motorsäge. Leitzordner, Brausepulver oder das Klopapier von der Rolle – Die Patent-Liste ließe sich noch beliebig weiterführen.

Erfrischung auf Knopfdruck

Patente hat Manfred Parchem so einige in der Schublade. „Ich habe keine Ahnung, wie viele“, so der Tüftler. Eines davon ist Soda Star, eine Schankanlage, die auf Knopfdruck aus gefiltertem Leitungswasser sprudelndes Tafelwasser macht. Die Anlagen werden heute in Gastronomiebetrieben, Kliniken oder Schiffen eingesetzt. „Vor dreißig Jahren, als ich diese Idee hatte, wurde ich noch als Spinner abgetan. Wurde sogar von einem Getränkehändler auf Borkum, wo die erste Anlage schließlich in Betrieb genommen wurde, mit vollen Sprudelkisten beworfen“, lacht Parchem. „Nein, Freunde habe ich mir mit meinen Erfindungen nicht immer gemacht.“

Freunde zwar nicht, aber dafür Nachahmer. So gibt es seit geraumer Zeit bei einer bekannten Discounter-Einzelhandelskette „Sodastar Trinkwassersprudler“ für den Privathaushalt. Doch da wurde die Rechnung ohne Manfred Parchem gemacht: „Der Name ist geschützt. Rechtliche Schritte sind eingeleitet. Leider bekomme ich öfters mal Anrufe, dass diese Sprudler nicht funktionieren. Dann muss ich dem Anrufer erklären, dass das nicht ich bin. Wir verbauen unsere Anlagen nur in Gastronomiebetriebe oder hochwertige Küchen.“

Aus Parchems Schmiede stammen auch ausgetüftelte Luftreinigungssysteme, die von Fraunhofer zertifiziert sind und im privaten wie gewerblichen Bereich eingesetzt werden können. „Der Freshair Cleaner, zum Beispiel, sorgt durch sein UV- und Ozon-Umluftreinigungsverfahren für keimfreie Luft. Viren und Bakterien haben es da schwer“, erklärt Parchem. Die Luftreinigungssysteme können zum Teil noch mehr: neben der Absorption von Fetten, Viren, Bakterien und Schimmelsporen wird die gereinigte Luft keimfrei und nahezu geruchlos an die Umgebung zurückgegeben. Auch ist dem Pragmatiker unverständlich, warum solche Lüftungsanlagen nicht großräumig in den Schulen eingesetzt werden. „Da hätte Corona keine Chance mehr“, ist sich Parchem sicher.

Der Zeit voraus

Eine pfiffige Idee kam dem schwäbischen Tüftler, als er in einem Kino gesehen hat, dass Autobatterien, die damals durch einen Trafo aufgeladen wurden, die Notbeleuchtung sicherten. Warum nicht die Kraft der Sonne nutzen und ein 12-Volt-Haus mit Fotovoltaikanlage bauen, das durch zwei Autobatterien im Keller mit Gleichstrom versorgt wird, dachte sich der findige Schwabe. „Diese Idee habe ich schon vor 20 Jahren umgesetzt. Es war zu dieser Zeit allerdings noch nicht erlaubt, den eigenen Strom zu nutzen“, schüttelt er den Kopf.

Auch zum Thema „Entlastung des Tübinger Stadtverkehrs“ hat er eine Idee: „Wenn möglich, die Ware an einen zentralen Platz liefern und von dort aus alles mit einem umweltfreundlichen Auto ausliefern. Wenn das Aufkommen zu hoch ist, an einem Tag die geraden und an einem anderen Tag die ungeraden Hausnummern beliefern.“

Um Abwasser sinnvoller zu nutzen gibt Manfred Parchem auch ein Denkanstoß: „Wenn wir schon Steuern auf das Abwasser und Regenwasser zahlen müssen, könnte man doch mit Hilfe einer kleinen Turbine aus dem anfallenden Abwasser Strom erzeugen. Da könnte man mal drüber nachdenken.“

Von E-Fahrzeugen hält Manfred Parchem nicht sonderlich viel: „Wo soll der benötigte Strom herkommen? Aus neuen AKWs?“. In seiner Werkstatt in Dußlingen steht ein GoKart – ein Prototyp, der TÜV zugelassen ist und emissionsfrei mit Druckluft läuft: „Da könnte man mehr draus machen, das wird mir auch noch gelingen.“

Privat hat der Schwabe nicht immer leichte Zeiten hinter sich: Pech mit Geschäftspartnern, finanzielle Sorgen und drei Scheidungen. „Ich lass mich nicht unterkriegen“, so Parchem, der sich genüsslich eine Zigarette anzündet. „Momentan läuft es ganz gut. Mir geht es nicht um das große Geld, sondern ich will mit meinen Erfindungen Denkanstöße geben, um auch einmal in eine andere Richtung zu schauen.“

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Erstellt:
18.03.2022, 07:53 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 22sec
zuletzt aktualisiert: 18.03.2022, 07:53 Uhr

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