Naturschutz

Der Biber erobert sich das Neckartal zurück

Naturschutz Vor fast 170 Jahren wurde der Biber hier ausgerottet. Seit drei Jahren gibt es wieder eine Population – und sie entwickelt sich prächtig.

12.01.2019

Von Dagmar Stepper

Biber an der Eyach
01:30 min
Im Winter 2018/2019 wurden an der Eyach wieder Biber gesichtet. Der ANV Weitingen hat sie auf Video einfangen.

Die Bibermama klettert aus der Mühlkanal, es ist rabenschwarze Nacht. Vorsichtig hebt sie den Kopf und schnüffelt. Die Luft scheint rein zu sein, denn sie läuft flink zum Apfelbaum. Ein paar rote Früchte sind vom Herbst liegengeblieben. Die Bibermama schnappt sich einen Apfel und trägt ihn im Maul gen Wasser. Schwupps, ist sie in den kalten Fluten verschwunden.

„Von wegen, Biber sind langsam“, sagt Harald Dold vom Angel- und Naturschutzverein (ANV) Weitingen. Er betrachtet im ANV-Heim Videos, die die Nachtkamera aufgenommen hat. Manchmal bricht er in lautes Gelächter aus. Die Biber laufen über das Grundstück beim ANV-Heim, sie haben schon eine richtige Laufspur im Gras hinterlassen. Ein Biber scheint sogar in die Kamera zu winken.

Seit der Biber vor drei Jahren in der Gegend wieder nach über 170-jähriger Vakanz aufgetaucht ist, entwickelt er sich prächtig. Dold und seine Mitstreiter vom ANV mussten anfangs stundenlang Nachtaufnahmen sichten, um endlich ein Tier zu entdecken. Inzwischen macht das Gucken wesentlich mehr Spaß, denn immer wieder schleichen ein oder gar mehrere Exemplare durch das Bild. Dold ist inzwischen der Biberexperte in der Region, er vermutet, dass sich momentan zwei Alttiere mit drei Jungen aus 2017 und zwei aus 2018 hier im Neckartal tummeln. Und die Biber haben in den letzten Wochen eine erstaunliche Bissfertigkeit an den Tag gelegt. „Da muss irgendwo ein Cannabisfeld sein, so wie die Biber gerade drauf sind“, scherzt Dold.

Überall finden sich Fraßspuren

Selbst auf vereinseigenem Gelände machen die Biber nicht Halt. Im Dezember fiel ihnen der beste Apfelbaum zum Opfer. Aber die Naturschützer nehmen es gelassen. „Jetzt müssen wir halt auch mal leiden“, meint Dold. Die Wiederansiedlung des Bibers in Baden-Württemberg, nachdem er hier 1846 ausgerottet wurde, stößt nicht überall auf Gegenliebe. Denn er tut sich eben auch mal an Apfelbäumen oder einem Getreidefeld gütlich. Anderseits zieht das Tier viele Naturfreunde in seinen Bann, die den Biber wegen seiner Schwimmfertigkeiten und seiner Baukunst bewundern. Dold bietet auch Biberwanderungen an, die oft ausgebucht sind.

Allerdings bekommt man den Biber selten zu Gesicht. Dold hatte das Glück, an Heiligabend direkt am Vereinsheim einen Biber zu entdecken, der sich nach dem Hochwasser im Tageslicht ein wenig ausruhte. Für Dold war es das beste Weihnachtsgeschenk. Dafür entdeckt man in der ganzen Gegend Fraßspuren. Der Biber kann dicke Bäume fällen, manchmal nagt er aber auch nur an dünnen Ästen. Häufig sind es die Jungtiere, die sich an den Ästen versuchen und so auch lernen, was gut schmeckt und was weniger. Biber sind Vegetarier, im Sommer bevorzugen sie Grünpflanzen.

Rund um den Kanal und entlang des Neckars finden sich immer wieder Biberspuren. „Früher haben wir einzelne Äste gezählt, inzwischen sind es Bäume“, erzählt Dold. Immer wieder sieht man am Wasser sogenannte Biberrutschen, auf denen sich die Tiere aus dem Wasser auf Land begeben. Biber sind ausgezeichnete Schwimmer, sie können 20 Minuten lang tauchen. Der 35 Zentimeter lange, beschuppte Schwanz – Kelle genannt – dient ihnen als Steuerung beim Schwimmen, als Fettspeicher im Winter und als Stütze beim Sitzen. Die Kelle war übrigens auch mit ein Grund für die Ausrottung im 19. Jahrhundert. Da sie beschuppt war und der Biber so auch als Fisch betrachtet werden konnte, war er bei den Mönchen eine beliebte Fastenspeise.

Doch das ist jetzt Geschichte: Der Biber erobert sich das Neckartal wieder zurück. Weiter oberhalb des Kanals Richtung Horb hat die Biberfamilie ihre Burg. Dold schätzt, dass sie sich gerade in Richtung Rottenburg eine zweite Burg bauen. Auch bei Mühringen, Mühlen, bei der Eisenbahnerlebniswelt in Horb, Börstingen und sogar in Glatten hat Dold bereits Spuren gesichtet. „Er hat sich relativ zügig bereit gemacht“, sagt der Neckartalranger. Jungtiere müssen sich nach zwei Jahren ein neues Revier suchen – so wie der Nachwuchs von 2017 jetzt gerade. Dold ist schon gespannt, wo es sie hinzieht.

Harald Dold neben einem von Bibern gefällten Weide.

Harald Dold neben einem von Bibern gefällten Weide.

Der beste Apfelbaum auf dem ANV-Gelände hat dem Biber auch gemundet. Die Vereinsmitglieder nehmen es allerdings gelassen. Bilder: Karl-Heinz Kuball

Der beste Apfelbaum auf dem ANV-Gelände hat dem Biber auch gemundet. Die Vereinsmitglieder nehmen es allerdings gelassen. Bilder: Karl-Heinz Kuball

Der Biber erobert sich
das Neckartal zurück
Biberrutschen zeugen davon, dass die Tiere sich hier häufig an Land begeben.

Biberrutschen zeugen davon, dass die Tiere sich hier häufig an Land begeben.

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Erstellt:
12.01.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 03sec
zuletzt aktualisiert: 12.01.2019, 01:00 Uhr

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