Tübingen

Künstliche Intelligenz in der Kinder-Uni: Der Computer als Froscherfinder

Der Tübinger Max-Planck-Forscher Wieland Brendel zeigte, was Künstliche Intelligenz schon alles kann – aber dass sie auch Fehler macht.

02.06.2022

Von Ulla Steuernagel

Diese Aufgabe löst der Computer ohne große Probleme: Wieland Brendel (Zweiter von rechts) ließ ihn hier das James-Bond-Auto auf Rot umsprayen. Es handelt sich also um ein vom Computer erzeugtes Bild. Bild: Ulrich Metz

Diese Aufgabe löst der Computer ohne große Probleme: Wieland Brendel (Zweiter von rechts) ließ ihn hier das James-Bond-Auto auf Rot umsprayen. Es handelt sich also um ein vom Computer erzeugtes Bild. Bild: Ulrich Metz

Ein Computer, der die Hausaufgaben oder auch andere lästige Dinge für einen erledigt, das wäre doch großartig. Und tatsächlich gibt es sie schon: Computer, die das menschliche Denken erfolgreich imitieren und locker überflügeln. Man nennt das Künstliche Intelligenz, und sie ist schon so verbreitet, dass alle nur noch von KI sprechen.

Wieland Brendel, Forscher am Max-Planck-Institut für Maschinelles Lernen, zeigte am Dienstag in der Kinder-Uni-Vorlesung im Kupferbau den 150 kleinen und großen Zuhörerinnen und Zuhörern, was Computer alles können, aber auch, was sie noch nicht hundertprozentig hinkriegen. Noch. Denn die menschliche Intelligenz arbeitet daran, dass KI immer besser wird.

Wieland Brendel, selber Neurowissenschaftler, Physiker, Informatiker und begeisterter KI-Forscher, verriet den Kindern vorweg ein Geheimnis. Sein Zeugnis aus der vierten Klasse war nicht das Zeugnis eines Überfliegers, eher mittelmäßig. An der Grundschule war sein Interesse für den Unterricht noch nicht besonders geweckt worden. Denn nicht nur der Stoff, auch die Lehrer und Lehrerinnen seien fürs Lernen wichtig.

Die Kinder im Hörsaal, die meisten zwischen 9 und 11 Jahren alt, erwiesen sich als routinierte Computer-Nutzerinnen. Die Mehrzahl hatte sogar schon mit Computern gesprochen, Sprachnachrichten abgeschickt oder mündlich Suchaufträge erteilt. Früher musste man mühsam im Lexikon nachschlagen, jetzt gibt der Computer oder Siri, wie die Stimme zum Beispiel heißt, blitzschnell die Antwort auf viele Fragen. Und die Programme können noch mehr. Brendel hielt einen grünen Apfel hoch und der Computer erkannte richtig: „apple“. Menschen fällt es leicht, in den unterschiedlichsten Sitzmöbel einen Stuhl zu sehen, der Computer muss dafür zuerst Tausende von Bildern im Internet anschauen, damit er das Prinzip hinter den diversen Formen begreift.

Wie lernen Kinder? In mancher Beziehung ähnlich wie die Maschine. Kaninchen und Hase konnten die meisten Kinder im Saal auf Anhieb unterscheiden. Wie sie das machen? Indem sie das Bild durch die Netzhaut des Auges ins Gehirn wandern lassen, dort die schon gesammelten Kennzeichen des Tieres sortieren und, wenn nötig, Fehler korrigieren, also dazulernen.

KI macht es auch nicht anders, erklärte Brendel, sie besteht aus einem neuronalen Netzwerk, das immer weiter trainiert wird und sich aus Tausenden von Hasen- und Kaninchen-Bildern seine Informationen holt. Dieses Muster lasse sich auf die unterschiedlichsten Aufgaben übertragen: „wie ein Kochrezept“, so Brendel. KI kann damit aus Sprache Text machen, sie kann Lückensätze sinnvoll ergänzen, sie kann erklären, warum es Ebbe und Flut gibt und sie kann sogar kreativ sein. Male ein Bild von einem Haus im Regen, lautete die Aufgabe. Und angesichts des Ergebnisses fiel es schwer zu sagen, welches Bild vom Kind und welches vom Computer gemalt worden war.

Der Computer spuckt Vorschläge für die Bemalung eines Pappmaché-Hasen aus, er löst Rechen- so gut wie Grammatikaufgaben und kann Kommas setzen wie nix. Im Nu schreibt KI auch die Geschichte vom „Laubmännchen“ weiter. Sie dichtet ihm die Begegnung mit einem Frosch an, der ein trauriges Lied singt. Die Kinder waren beeindruckt und klopften respektvoll Beifall.

„KI kann kreativ sein, Bilder erzeugen, um die Ecke denken, Fehler finden“, sagte Brendel, „sie kann aber auch Fehler machen.“ Als sie durch eine gar nicht so komplizierte Mathe-Textaufgabe verwirrt wurde und das falsche Ergebnis nannte, freuten sich die Kinder. Sie würden aber sicher erleben, dass KI immer schlauer werde, prophezeite Brendel.

Vielleicht könnten sie auch selber einmal dazu beitragen. Der Forscher ermunterte sein Publikum in ein paar Jahren an dem Bundeswettbewerb Künstliche Intelligenz teilzunehmen und zum Makerspace ins Casino am Neckar zu kommen. „Ihr habt Glück“, sagte Brendel, denn Tübingen stecke voller KI-Expertinnen und -Experten, von denen sie etwas lernen können. Lehrerinnen und Lehrer braucht es nämlich weiterhin.

Nächste Vorlesung in drei Wochen

Die Kinder-Uni macht eine Pfingstferien-Pause. Die nächste Vorlesung ist am Dienstag, 21. Juni. Prof. Christiane Zarf antwortet dann auf die Frage: „Warum müssen Flüsse wild fließen?“ Am Samstag, 2. Juli, ist Kinder-Uni-Forschertag. Das Programm ist unter „Kinder-Uni“ auf der Universitäts-Website anzusehen, dort kann man sich auch anmelden.