Boxing Day

Der FC Chelsea und sein geniales Rumpelstilzchen

Ein Italiener rockt die Premier League: Ganz England spricht über Trainer Antonio Conte. Seine Blues wollen ihre Rekordserie ausbauen.

24.12.2016

Von SID

Antonio Conte, der Fuchtler und Luftboxer, will mit Chelsea an Weihnachten siegen. Foto: Getty

Antonio Conte, der Fuchtler und Luftboxer, will mit Chelsea an Weihnachten siegen. Foto: Getty

München/London. Elisabetta Muscarello ist vielleicht ganz froh, dass ihr Ehemann über die Feiertage nicht zu Hause auf der Couch rumlümmelt. „Früher“, sagte Muscarellos Mann, ein gewisser Antonio Conte, „saß ich immer daheim und habe mir die Premier League im Fernsehen angeschaut. Jetzt bin ich selbst dabei.“ Conte, seit Sommer Teammanager des FC Chelsea, tritt am auf der Insel „Boxing Day“ genannten ersten Weihnachtsfeiertag mit seiner Mannschaft gegen den AFC Bournemouth an – alles andere als ein Sieg der Blues wäre eine Sensation. Und das liegt zuallererst an Conte, dem „Eroberer“, wie der Guardian den Italiener zuletzt nannte.

Conte hat in London nicht weniger als eine „italienische Revolution“ (Times) angezettelt. Vor einem Jahr hatte der damalige Titelverteidiger als Tabellen-16. einen Punkt Vorsprung auf die Abstiegsränge, die Mannschaft schien tot, kurz vor Weihnachten setzte der Klub José Mourinho vor die Tür. Jetzt hat Conte elf Spiele in Serie gewonnen – Vereinsrekord. Bereits Ende November bekam er den Ritterschlag von höchster Stelle. „Sie haben in den letzten Wochen wunderbar gespielt, nicht nur, dass sie keine Gegentore kassieren, sondern die Art, wie sie spielen“, sagte Pep Guardiola vor dem Duell mit Manchester City gegen Contes Chelsea. Dann lieferten sich die beiden derzeit vielleicht besten Trainer der Welt eine Taktik-Schlacht auf Topniveau, „wie sie die Premier League noch nie gesehen hat“ (Guardian). Conte gewann 3:1.

„Im Sommer haben wir alle nur über Pep Guardiola gesprochen, jetzt reden wir über Antonio Conte“, sagte TV-Experte Jamie Carragher. Contes Geheimnis? Mit der Rückholaktion von Abwehrchef David Luiz und der Verpflichtung von Leicesters Mittelfeld-Herzstück N?Golo Kanté hatte er ein glückliches Händchen auf dem Transfermarkt. Und: Vor dem Duell mit Manchester United im Oktober stellte er auf ein 3-4-3-System um – Mourinhos United ging an der Stamford Bridge 0:4 unter.

Conte, sagte sein ehemaliger Spieler Andrea Pirlo einst, sei „ein Genie“ – und wie jeder Hochbegabte „auch ein bisschen verrückt“. Wenn Conte sauer sei, „ist die Kabine einer der gefährlichsten Orte der Welt“, ergänzte Pirlo: „Wenn er spricht, fallen dich seine Worte an. Sie reißen die Türen deines Gehirns ein.“

Nicht die schlechtesten Voraussetzungen, um eine Versammlung hochbezahlter Stars mitzureißen. Conte coacht im Rumpelstilzchen-Stil. Bei der Euro gelang es ihm mit dieser Emotion und taktischem Geschick, aus der vielleicht schwächsten Squadra Azzurra der jüngeren Geschichte ein Team zu formen, das den Geheimfavoriten Belgien schlug und den Weltmeister Deutschland am Rande des K.o. hatte.

Contes Lieblingswort, das wissen sie in England längst, ist „work“, Arbeit. Und so beklagt eine Chelsea-Fanseite im Netz, dass der frühere Mittelfeldrenner für seine Spieler am Weihnachtstag (25. Dezember) keine „Energy-Drinks mit Truthahngeschmack“ oder „Weihnachtskekse mit Witzen über Arsène Wenger“ parat habe, sondern einen normalen Arbeitstag. „Es läuft wie vor jedem Spiel“, sagte Conte über die Vorbereitungen auf den Boxing Day, „wir haben um neun Uhr im Hotel unser Abendessen, dann gehen wir schlafen, und am nächsten Tag spielen wir Fußball.“

Jürgen Klopp und der FC Liverpool hoffen vor dem Fernseher auf einen Ausrutscher der Blues. Der Tabellenzweite Liverpool spielt erst am Dienstag. Sechs Punkte trennen den Zweiten der Premier League vom Spitzenreiter. Gegen Stoke City, das im Mittelfeld der Tabelle stagniert, wollen die Reds verkürzen, um die Chancen auf die erste Meisterschaft seit 1990 zu wahren. sid