Empfingen · Konflikt

Der „Gutachterkrieg“ fällt wohl aus

Lasterparkplätze sollen durch den Bebauungsplan endgültig auf die heutigen 17 begrenzt werden, um einen „Truckerhof“ bei Shell mit 50 Plätzen zu verhindern. Rechtsanwalt der Gemeinde ist optimistisch.

29.05.2019

Von Frank Wewoda

Dem Mineralölkonzern Shell stehen noch rechtliche Möglichkeiten offen, die Erweiterung seiner Empfinger Tankstelle zum Autohof mit 50 Stellplätzen für Lastwagen gerichtlich gegenüber der Gemeinde durchzusetzen. Sie könnten in einen „Gutachterkrieg“ münden. Archivbild: Reinhard Seidel

Dem Mineralölkonzern Shell stehen noch rechtliche Möglichkeiten offen, die Erweiterung seiner Empfinger Tankstelle zum Autohof mit 50 Stellplätzen für Lastwagen gerichtlich gegenüber der Gemeinde durchzusetzen. Sie könnten in einen „Gutachterkrieg“ münden. Archivbild: Reinhard Seidel

Tritt der vom Empfinger Gemeinderat in seiner Sitzung am 7. Mai beschlossene „Bebauungsplan Autobahnkreuz Südost – erste Änderung“ wie geplant in Kraft, ist Empfingen aus der Sicht von Rechtsanwalt Reinhard Sparwasser, der die Gemeinde vertritt, auf der sicheren Seite, was den Erweiterungswunsch für die Tankstelle durch Betreiber Shell betrifft. „Ich halte den Bebauungsplan für rechtmäßig und die Betriebsbeschränkungen für ausreichend begründet und abwägungsfehlerfrei“, so Sparwasser gegenüber unserer Zeitung. Noch bis 18. Juni liegt der Entwurf des Bebauungsplans derzeit im Empfinger Rathaus öffentlich aus.

Autohof endgültig verhindern

Unter „Betriebsbeschränkung“ fällt, dass der Tankstellenbetreiber über die 17 derzeit dort ausgewiesenen Brummi-Parkplätze hinaus laut des neuen Bebauungsplans keine weiteren Flächen für Lastwagen ausweisen darf, unter anderem wegen der Belastung des angrenzenden Wohngebiets Reichenhalden. Auf diesem Weg soll dem Vorhaben von Shell, einen Trucker-Autohof mit 50 Parkplätzen zu bauen, endgültig ein Riegel vorgeschoben werden.

Unwägbarkeiten bleiben aber: „Shell kann den Bebauungsplan angreifen und auf Genehmigung klagen.“ Eine dafür notwendige Normenkontrollklage dauere laut Sparwasser 12 bis 18 Monate, eine Klage über zwei bis drei Instanzen „drei Jahre“. In der Sitzung des Empfinger Gemeinderats am
7. Mai, bei der Sparwasser die Räte persönlich informierte, betonte dieser, dass er nur sehr, sehr wenige Verfahren verliere (wir berichteten). Anwohner und Gemeinde finden die Belastung bereits heute als zu hoch: Über die 17 ausgewiesenen Stellplätze hinaus liegt die Anzahl der tatsächlich bei Shell parkenden Lastwagen tagsüber oft darüber. Das geht aus der unter anderem mittels Video durchgeführten Verkehrsuntersuchung durch „Brenner Bernard Ingenieure“ am 27. November 2018 und 5. Februar dieses Jahres hervor. Im Gutachten heißt es: „Die Auswertungen des Video- und Bildmaterials der Verkehrszählung sowie eigene Beobachtungen vor Ort haben ergeben, dass es sich dabei heute bereits um bis zu 25 abgestellte Lkw handelt.“ Daher stellt die Gemeinde in den Begründungen zum Bebauungsplan fest: „Die derzeitige Tankstelle wäre in der gegenwärtigen Betriebsform als Neubauplanung nicht genehmigungsfähig.“

Schon gar nicht zu denken ist also aus Sicht der Gemeinde an den von Shell favorisierten Ausbau der Tankstelle zum Autohof mit 50 Stellplätzen für Lastwagen. Der Mineralölkonzern lässt juristisch seit 2015 nichts unversucht (siehe Kasten): Eine Normenkontrollklage gegen die Gemeinde nahm Shell gegen Ende 2018 wieder auf, nachdem das Verfahren zwischenzeitlich ruhte für Gespräche zwischen den beiden Seiten. Ein gemeinsamer Gutachter sollte da gefunden werden, doch kam es zu keiner Einigung.

„Zählduell“ der Gutachter

Wenig später begannen beide Seiten damit, eigene Gutachter loszuschicken, die sich ein „Zählduell“ lieferten. Das Verfahren gegen die Veränderungssperre ist allerdings inzwischen passé: „Nach unserer Kenntnis wurde die Normenkontrollklage gegen die Veränderungssperre zurückgenommen, das Verfahren ist abgeschlossen“, so Rechtsanwalt Sparwasser. Somit bleibt nur das Vorgehen gegen den Bebauungsplan, sobald er in Kraft getreten ist. Der Rechtsanwalt erklärt: „Wenn Shell einen Genehmigungsanspruch durchsetzen will, muss sie feststellen lassen, dass erstens der Bebauungsplan nichtig und zweitens der Autohofausbau umgebungsverträglich ist. Dazu bedarf es der Feststellung, dass unsere Gutachter sich irren.“

Die Zulässigkeit des Vorhabens beurteile sich ohne Bebauungsplan danach, ob unzumutbare Lärmauswirkungen entstehen. „Das würde sicher gerichtlich ausgetragen und in einen Gutachterkrieg münden.“ Einen solchen sieht Rechtsanwalt Reinhard Sparwasser in weiter Ferne –  die Wahrscheinlichkeit hänge aber auch davon ab, wie hartnäckig Shell sein Vorhaben verfolge. Bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe ließ Shell eine Anfrage unserer Zeitung dazu unbeantwortet.

Rechtsstreit seit 2015

Shell hat 2015 einen Bauantrag für den Ausbau der Empfinger Tankstelle mit 50 Lastwagenparkplätzen eingereicht. Seither dauert der juristische Streit zwischen dem Mineralölkonzern und der Gemeinde Empfingen an. Eine Baugenehmigung lehnte die zuständige Baurechtsbehörde Horb unter Verweis auf den damals gültigen Bebauungsplan ab. Diesen brachte jedoch der Discounter Lidl, ebenfalls wegen einer sonst unmöglichen Erweiterung, juristisch zu Fall. Danach erließ die Gemeinde eine Veränderungssperre, die  – einmal verlängert –, bis zum heutigen Tag gilt und einem Planungs- und Baustopp gleichkommt. Diese läuft im Juli endgültig aus und ist nicht zu verlängern – daher forciert Empfingen die „1. Änderung“ des gerichtlich für ungültig erklärten Bebauungsplans.

Zum Artikel

Erstellt:
29.05.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 05sec
zuletzt aktualisiert: 29.05.2019, 01:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Newsletter Wirtschaft: Macher, Moneten, Mittelstand
Branchen, Business und Personen: Sie interessieren sich für Themen aus der regionalen Wirtschaft? Dann bestellen Sie unseren Newsletter Macher, Moneten, Mittelstand!