VfB-Präsident Wahler sieht die Spieler in der Pflicht, der Krise zu trotzen

"Der Impuls muss kommen"

Offen und klar in der Analyse stellt sich der Präsident des Stuttgarter Traditionsvereins der aktuellen Misere. Er erklärt die Trennung von Trainer Zorniger - und den Weg in eine erfolgreichere Zukunft.

27.11.2015

Von ARMIN GRASMUCK

Gezeichnet von der sportlichen Talfahrt: Bernd Wahler arbeitet mit Nachdruck an der stabilen und dauerhaften Lösung auf dem Posten des Cheftrainers. Foto: Eibner

Gezeichnet von der sportlichen Talfahrt: Bernd Wahler arbeitet mit Nachdruck an der stabilen und dauerhaften Lösung auf dem Posten des Cheftrainers. Foto: Eibner

Stuttgart. Als Ort für den ersten Auftritt nach dem großen Knall hat Bernd Wahler gleich rechts hinter dem Eingang der VfB-Geschäftsstelle das Zimmer mit der Nummer 2007 gewählt - den Konferenzraum, der an die Meisterschaft vor acht Jahren erinnert. Der Klubpräsident ist gekommen, um die gegenwärtige Talfahrt zu erörtern. Neun Niederlagen und 31 Gegentore in 13 Spielen - so schlecht sind die Stuttgarter noch nie in die Bundesliga gestartet. Wahler legt los, noch bevor die erste Frage gestellt ist.

BERND WAHLER: Ich habe wie Sie das Spiel am Samstag verfolgt. Wir haben da alle Grundtugenden des Fußballs vermissen lassen. Wir haben die Reaktionen der Zuschauer auf dieses Naturereignis der negativen Art registriert und nach einem Gespräch mit Alexander Zorniger am Dienstagvormittag war uns schließlich klar, dass wir handeln mussten. Die Konsequenz war die Trennung von unserem Cheftrainer. Da müssen wir uns eingestehen, dass der Plan mit ihm nicht funktioniert hat. Jetzt geht es darum, die richtigen Lehren daraus zu ziehen.

Wer hat letztendlich die Entscheidung getroffen, sich von Alexander Zorniger zu trennen?

WAHLER: Es ist der Verantwortungsbereich von unserem Sportvorstand Robin Dutt. Selbstverständlich haben wir das Thema im Vorstand intensivst diskutiert. Dutt ist kooperativ und intelligent genug, Erfahrungen anderer Mitglieder aus dem Vorstand und dem Aufsichtsrat anzunehmen. Der Cheftrainer ist die wichtigste Personalie bei uns. Da ist es wichtig, sich ein genaues Bild zu machen und bei der grundlegenden Entscheidung tiefer einzusteigen.

Werden Sie sich bei der Suche nach dem neuen Trainer noch intensiver mit der Persönlichkeit und der Außenwirkung der Kandidaten beschäftigen?

WAHLER: Das ist sicher ein Punkt. Wir wussten, Zorniger hat Ecken und Kanten. Die wollten wir auch. Auf der anderen Seite muss man sich fragen: Welche Ecken und Kanten will ich? Und wie gehe ich damit um? Das sind sicher Dinge, bei denen wir noch genauer hinschauen müssen.

Waren Sie überrascht, welche Dynamik der Fall Zorniger gerade unter diesem Aspekt entwickelt hat?

WAHLER: Ich möchte im Detail gar nicht mehr darauf eingehen. Es gibt sicher viele, die meinen: drei Siege mehr und alles wäre heute Kult. Aber das nützt uns nichts. Wir haben ein Ergebnis, wir müssen professionell und verantwortungsvoll damit umgehen und nächstes Mal die richtige Wahl treffen.

Haben Sie bei der Suche des neuen Trainers einen konkreten Zeitplan?

WAHLER: Wir haben kein Enddatum fixiert. Aber es ist klar, das wir mit Nachdruck daran arbeiten. Wir haben noch einige wichtige Spiele vor der Winterpause, da gibt es Punkte zu holen, und ein Pokalspiel - das hat für uns Priorität. Idealerweise geht der neue Trainer mit der Mannschaft in die Vorbereitung auf die Rückrunde. Wir sind heute nicht so weit, dass wir kurzfristig einen Feuerwehrmann suchen. Das ist uns zweimal gut gelungen, aber das ist zu diesem Zeitpunkt keinesfalls das Thema.

Sie sind also auf der Suche nach einer langfristigen Lösung?

WAHLER: Wir haben ein ganz klares Anforderungsprofil, auf das ich hier aber nicht weiter eingehen werde. Grundsätzlich suchen wir einen Trainer, der bei aller Qualität und Eigenheit in der Lage ist, in den Eckpfeilern, die wir im Sommer herausgearbeitet haben, zu arbeiten. Das heißt, die Verzahnung von Jugend- und Profibereich ist ein ganz elementarer Punkt. Dazu kommt - und das ist der wichtigste: Die Erfolgswahrscheinlichkeit für Ergebnisse. Gepaart mit Perspektive.

Welche Rolle spielt der Faktor Erfahrung?

WAHLER: In unserer Überlegung ist Erfahrung ein Punkt, den wir sicher beachten. Die entscheidende Frage ist, wie wir es im Hinblick auf die Erfolgsaussichten gewichten. Es gibt auch junge Trainer, die erfolgreich arbeiten können.

Kann der Interimstrainer Jürgen Kramny eine Dauerlösung werden?

WAHLER: Es gibt in Mönchengladbach ja ein gutes Beispiel, das wahrscheinlich nicht so geplant war. Wir sind natürlich dem gegenüber offen. Wir wissen andererseits, dass wir uns darauf nicht verlassen können. Wir stehen in der Verantwortung, parallel in der gebotenen Ruhe und Sorgfalt nach dem neuen Trainer zu suchen.

Was muss Kramny bringen, um sich als Kandidat zu etablieren?

WAHLER: Jetzt steht erst einmal die Mannschaft in der Pflicht. Nach dem Trainerwechsel ging es bei uns ja nicht einfach weiter nach dem Motto: Business as usual. Wir haben viele Gespräche geführt, um zu analysieren, woran es hakt. Jetzt muss der Impuls aus der Mannschaft kommen. Diesen Impuls werden wir bewerten: Wie geht die Mannschaft mit dieser Situation um? Welche Qualitäten zeigt sie? Da erwarten wir das entsprechende Signal.

Hat Robin Dutt die Gespräche mit den Spielern geführt oder waren Sie als Kluboberster auch beteiligt?

WAHLER: Das Gespräch mit der Mannschaft war Sache des Sportvorstands, es ist sein Verantwortungsbereich. Unabhängig davon habe ich selbstverständlich Gespräche mit einzelnen Personen geführt.

Was haben Sie aus der Mannschaft herausgehört?

WAHLER: Natürlich sind die Spieler enttäuscht. Es ist ihnen auch nicht gleichgültig, dass es hier schon wieder einen Trainerwechsel gibt. Wir haben immer gesagt: Taten statt Worte. Dieses Motto gilt gerade in Momenten wie diesen umso mehr.