Endlich wieder arbeiten

Der Langzeitarbeitslose Mahamadou Danjo wurde über „Job‘n Coach“ vermittelt

24 Monate war Mahamadou Danjo arbeitslos und musste seine Familie mit Hartz-IV-Bezügen über die Runden bringen. Nun hat der 49-Jährige bei der gemeinnützigen Integrationsfirma Insiva Arbeit gefunden – dank der Hilfe eines Coaches vom Jobcenter Tübingen.

15.04.2016

Von Maik Wilke

Derzeit gibt Mahamadou Danjo (rechts) Essen in der Theodor-Heuss-Sporthalle in Reutlingen aus. Doch sein Ziel ist es, bald schon als Beikoch in der Zentralküche der Integrationsfirma Insiva in Rappersthofen zu arbeiten. Prokurist Friedrich Haselberger (links) und Jobcoach Hartmut Litzbarski wollen ihm dabei helfen.Bild: Haas

Derzeit gibt Mahamadou Danjo (rechts) Essen in der Theodor-Heuss-Sporthalle in Reutlingen aus. Doch sein Ziel ist es, bald schon als Beikoch in der Zentralküche der Integrationsfirma Insiva in Rappersthofen zu arbeiten. Prokurist Friedrich Haselberger (links) und Jobcoach Hartmut Litzbarski wollen ihm dabei helfen.Bild: Haas

Tübingen/Reutlingen. Zur Begrüßung umarmen sich die beiden Männer herzlich, nach dem Posieren für das Pressefoto lachen sie und klopfen sich freundschaftlich auf den Rücken. Die Beziehung zwischen Mahamadou Danjo und Hartmut Litzbarski geht über den beruflichen Kontakt hinaus – sie haben sich kennen und schätzen gelernt. „Seit 1988 bin ich in Deutschland und habe noch nie vom Jobcenter eine Stelle bekommen. Er ist der erste, der mir wirklich helfen konnte“, erzählt Danjo mit einem breiten Lächeln.

Der gebürtige Gambier ist stolz, wieder arbeiten zu dürfen. 24 Monate war Danjo davor ohne festes Einkommen – und galt damit als Langzeitarbeitsloser. Seit Oktober arbeitet der 49-Jährige nun für die gemeinnützige Integrationsfirma Insiva, die Essen an Kindergärten, Schulen und soziale Einrichtungen liefert. Zunächst für einen Monat auf Probe, mittlerweile mit einem Vollzeit-Arbeitsvertrag für zwei Jahre – auch dank der Unterstützung seines Jobcoaches Litzbarksi vom Jobcenter Tübingen.

Dieser hatte ihm über das vom Europäischen Sozialfonds (ESF) eingerichtete Projekt gegen Langzeitarbeitslosigkeit „Job‘n Coach“ die Stelle vermittelt. „Wir haben gemeinsam die Bewerbungsmappe vorbereitet, Gespräche geübt und Kontakt zu Firmen aufgenommen“, erklärt Litzbarski. Seine Arbeit ist damit aber längst nicht vorüber: „Die eigentliche Aufgabe bei ‚Job’n Coach‘ beginnt erst, wenn eine Stelle gefunden wurde.“ Jede Woche trifft er sich mit Danjo und begleitet ihn beim Arbeitsalltag. Sie reden über mögliche Probleme, den Umgang mit Vorgesetzten, die Steuererklärung am Jahresende. Mittlerweile sind er und Danjo Freunde geworden: „Er erzählt viele spannende Geschichten aus seiner Heimat, und ich lerne durch ihn viel über die afrikanische Kultur. Das Private gehört schließlich dazu, auch wenn es natürlich nicht mit jedem so gut funktioniert.“

Viele Probleme sind bei Danjo noch nicht aufgetaucht. Der Gambier, der mit seiner Frau und seinem Sohn in Kilchberg wohnt, gibt nun in der zur Asylbewerberunterkunft umgebauten Theodor-Heuss-Sporthalle in Reutlingen Essen aus. Ein Job, der ihm viel Spaß macht. „Ich verstehe mich super mit den Flüchtlingen“, sagt Danjo, der in Gambia bereits eine eigene Gaststätte mit westafrikanischer Küche geführt hat. Weil er für seine Ausbildung zum Koch jedoch kein Zertifikat bekommen hat, wird seine Lehre in Deutschland nicht anerkannt. Nun fungiert er aufgrund seiner Arabisch-Kenntnisse in der Sporthalle gleichzeitig als Caterer und Dolmetscher. „Auch deshalb hat die Stelle gut zu ihm gepasst“ betont Friedrich Haselberger, Prokurist bei Insiva.

Die Entscheidung, Danjo einzustellen, sei Haselberger leicht gefallen. Obwohl Insiva als gemeinnützige GmbH vor allem Menschen mit Handicap Arbeitsplätze bietet. „Wir wollten unseren Kreis erweitern. Es gibt noch viele anderweitig benachteiligte Menschen, denen wir eine Chance geben wollen“, erklärt Haselberger. So sei er beim Jobcenter Tübingen auf das ESF-Bundesprogramm gegen Langzeitarbeitslosigkeit aufmerksam geworden. Mit seiner Erfahrung und seinem Engagement sei Danjo ein Glücksgriff für die Firma. Auch der Gambier lobt seinen neuen Arbeitgeber in höchsten Tönen: „Ich finde die Arbeit von Insiva toll, weil sie Menschen mit Behinderung helfen. Ich selbst habe einen taubstummen Bruder und daher Erfahrung mit Behinderten. Wir Menschen müssen aufeinander aufpassen.“

Im Sommer 2013 war Danjo arbeitslos geworden, nachdem sein vorheriger Arbeitsvertrag nicht verlängert worden war. Mit einem Freund aus Eritrea wollte er daraufhin ein Restaurant in Tübingen eröffnen, doch das Darlehen der Bank reichte nicht aus. Sein Freund schlug deshalb vor, im Sudan eine Gaststätte aufzumachen. „Aber das wollte ich nicht. Ich habe hier meine Familie und wollte in Deutschland bleiben“, betont Danjo.

Die Vermittlung des Gambiers bezeichnet Dimos Boutsioukis vom Tübinger Jobcenter als Erfolgsstory, die kein Einzelfall bleiben soll: Über 30 Frauen und Männer habe er derzeit in Betreuung, die auch über das ESF-Projekt vermittelt werden könnten. „Wir wollen deshalb den Arbeitgebern zeigen, dass es sich lohnt, auch diesen Bewerbern eine Chance zu geben. Vor allem, weil der Jobcoach den Menschen hilft, sich in den Betrieb zu orientieren.“ Zusätzlich gibt es in den ersten sechs Monaten 75 Prozent Lohnkostenzuschüsse.

Arbeitslose können sich freiwillig für das Programm entscheiden, dürfen aber keinen verwertbaren Berufsabschluss haben und müssen älter als 35 Jahre sowie mindestens 24 Monate ohne Beruf sein. Viele fühlten sich jedoch durch einen Jobcoach abgestempelt, erklärt Litzbarski, der derzeit zwei weitere Menschen betreut. „Nicht jeder möchte diese Hilfe. Einige glauben, sich unter Wert zu verkaufen.“

Für Mahamadou Danjo hat sich das Programm definitiv gelohnt. Und noch ist der 49-Jährige nicht an seinem Ziel. „Ich würde gerne als Koch in der Zentralküche in Rappertshofen arbeiten.“ Sein Coach und Freund Litzbarski wird ihn auf diesem Weg wohl noch ein Stück begleiten.

Engere Betreuung durch das ESF-Programm

Derzeit sind 2290 Personen ohne Arbeit beim Jobcenter Tübingen gemeldet – 1052 davon gelten als langzeitarbeitslos, berichtet Birgit Jahn von der Agentur für Arbeit Reutlingen-Tübingen. Denn im Gegensatz zum ESF-Bundesprogramm fallen hier schon Frauen und Männer unter diese Kategorie, die länger als zwölf Monate ohne sozialversicherungspflichtige Anstellung sind. „Das können auch Akademiker sein, die nach dem Studium noch nichts gefunden haben. Oder Alleinstehende, die Familie und Beruf nicht kombinieren können“, gibt Jahn zu bedenken. Das Jobcenter Tübingen beschäftigt derzeit 30 Vermittler, die sich um die knapp 2300 Leute kümmern. Für Jahn ist daher klar: „Ein spezielles Projekt wie Job‘n Coach bringt deutlich mehr Erfolg, weil die Menschen enger betreut werden.“