Tennis

Der Maestro gibt sich cool

Roger Federer läuft in Melbourne zu Hochtouren auf. Mischa Zverev ist machtlos. Jetzt wartet sein Landsmann Stan Wawrinka.

25.01.2017

Von JÖRG ALLMEROTH

Auf seine alten Tage dreht Roger Federer (re.) noch einmal richtig auf. Mischa Zverev gratuliert dem Schweizer zum Sieg. Foto: dpa

Auf seine alten Tage dreht Roger Federer (re.) noch einmal richtig auf. Mischa Zverev gratuliert dem Schweizer zum Sieg. Foto: dpa

Melbourne. Kaum hatte Roger Federer noch im alten Jahr australischen Boden betreten, da sagte er, der berühmteste aller Tennisprofis, der legendäre Maestro, einen bemerkenswerten Satz über seine kommende Mission Down Under: „Meine Gegner“, so Federer, „wissen nicht, was sie von mir erwarten können.“

Das war richtig und falsch zugleich. Es war richtig, weil der 35-jährige Federer nach einem halben Jahr Verletzungspause selbst ein wenig der Orientierung und der klaren Sicht beraubt war – und weil keiner seiner potenziellen Grand-Slam-Gegner es besser wissen konnte als der Meister höchstselbst. Es war aber auch falsch, weil Federer wusste, dass er sich ausreichend Zeit genommen hatte für seine Rückkehr. Und es war erst recht falsch für die Turnierphase der Australian Open, in der Federer sich jetzt befindet. In einem Moment, da nur noch ein paar Cracks um den Jackpot spielen.

Jetzt nämlich ist wieder auf Federer Verlass, den Championspieler, Verlass auf seine alten Instinkte, auf die Souveränität des Künstlers, der so oft wie kein zweiter die Bewährungsproben unter großem Druck gestemmt hat. Jetzt ist Federer einfach wieder Federer, sechs Monate Verletzungspause sind abgeschüttelt. Und mit alter Magie und neuer Centre-Court-Frische stürmte er in der Runde der letzten Acht auch an Mischa Zverev vorbei, dem deutschen Überraschungsmann in Melbourne. „Es ist ein cooler Moment für mich. Und jetzt wird es noch ein bisschen cooler“, sagte der Schweizer Ästhet nach dem ungefährdeten 6:1, 7:5, 6:2-Sieg, mit dem er zugleich ein rein schweizerisches Halbfinale gegen seinen Freund und Rivalen Stan Wawrinka festschrieb. Der Melbourne-Gewinner von 2014 untermauerte seine Titelträume eindrucksvoll beim 7:6, 6:4, 6:3-Triumph über Frankreichs Jo-Wilfried Tsonga.

Zverev, der Hamburger Junge, hatte seinen großen Tennismoment im Achtelfinale gehabt, als er den Frontmann Andy Murray mit einer strategischen Meisterleistung, einer perfekten Balance aus Kontrolle und Aggression, schachmatt setzte. Doch Federer erwies sich, in der Spätphase dieses Majors, als ganz anderes Kaliber, der wiedererstarkte Maestro knallte Zverev serienweise pfeilschnelle Passierbälle um die Ohren – und preschte selbst, wann immer möglich, in die Offensive vor. Bis zum Matchende nach bloß 92 Minuten hatte Federer 65 Gewinnaufschläge aufaddiert, nur ganz wenige Schwächephasen leistete sich der vierfache Familienvater auf dem Weg in sein 41. Grand-Slam-Halbfinale und ins 13. Australian-Open-Halbfinale.

Den Aufschlag-Giganten John Isner heimgeschickt, den Turnierfavoriten Andy Murray entzaubert, auch gegen Roger Federer nach Fehlstart noch mit starker Gegenwehr – Zverev konnte sich aber auch im Augenblick der Niederlage noch wie der zweite Sieger fühlen. Als einer der ganz großen Gewinner dieses so unberechenbaren Auftakt-Grand-Slams der Saison, als Hauptdarsteller einer anrührenden Wohlfühl-Geschichte, eines beeindruckenden Comebacks. Was er nun mitnehme von diesem Turnier wurde Zverev später gefragt. „Wenn du an dich glaubst, ist alles möglich.“ Er hoffe nun, so Zverev, „vor allem, gesund und fit zu bleiben. Denn dann kann noch viel gehen in diesem Jahr.“

Das große Schweizer Duell

Und in Melbourne? Hier richten sich die Blicke auf das Schweizer Duell, auf Federer, dessen Alter nicht im geringsten vor Klasse und Erfolgen schützt. Als betagtester Profi seit Arthur Ashe 1978 fordert der unverwüstliche Grand-Slam-Rekordchampion (17 Titel) nun Wawrinka heraus. Trotz der Grand-Slam-Erfolge in den Spielzeiten 2014, 2015 und 2016 kann er nicht an die Popularität und die charismatische Erscheinung des Älteren heranragen, der immer ein Idol für ihn geblieben ist. „Ich weiß, wie man Roger schlagen kann“, sagte Wawrinka, „aber ihn dann auch wirklich zu schlagen, ist immer noch eine ganz andere Sache.“