Tennis

Der Maestro obsiegt mit Kraft und Ausdauer

Roger Federer gelingt bei den Australian Open ein fantastisches Comeback. Im Finale bezwingt er den alten Rivalen Rafael Nadal in einem famosen Schlussspurt. V

30.01.2017

Von JÖRG ALLMEROTH

Matchball verwandelt: Roger Federer ließ nach dem Triumph in Melbourne seinen Emotionen freien Lauf. Foto: afp

Matchball verwandelt: Roger Federer ließ nach dem Triumph in Melbourne seinen Emotionen freien Lauf. Foto: afp

Als „Mozart des Tennis“ ist Roger Federer beschrieben worden. Als Künstler, Poet der Centre Courts, Genie, der Ästhet am Ball. Was fast keiner in ihm sah: einen der zähsten Wettkämpfer seines Sports, den Mann der Standfestigkeit mit eisernen Nehmerqualitäten – eben dieser trat am Sonntagabend, auf der Zielgeraden seiner verrücktesten Grand-Slam-Mission, in ganzer Pracht und Herrlichkeit auf.

1:3 lag Federer im fünften Satz des Gigantenduells von Melbourne gegen Rafael Nadal bereits zurück, er schien geschlagen und zermürbt vom bulligen mallorquinischen Kämpfer. Doch so unverdrossen und leidenschaftlich, wie er sich zuletzt mit seinen 35 Jahren an das Comeback nach der längsten Verletzungspause seines Tennislebens gemacht hatte, so störrisch weigerte sich Federer auch in der Hitze des Gefechts, die scheinbar besiegelte Niederlage zu akzeptieren.

Nostalgisches Endspiel

So lieferte er schließlich auch die erstaunliche Schlußpointe dieses Turniers der Sensationen und unvorhersehbaren Wendungen, war für den dramaturgischen Kniff in dem nostalgischen Endspiel verantwortlich: Nicht nur die nächsten fünf Spiele gewann der beeindruckende Rückkehrer Federer mit der gebotenen Entschlossenheit in Folge, sondern auch die unvergesslichen Australian Open des Jahres 2017 mit dem 6:4, 3:6, 6:1, 3:6 und 6:3-Sieg über Nadal. Grand Slam-Titel Nummer 18, dem er so lange als Favorit und Mitkandidat auf die Höchstpreise im Tennis nachgejagt war – nun holte er ihn als dezenter und doch unübersehbarer Außenseiter, als Nummer 17 der Welt.

„Es ist eine unglaubliche Geschichte“, sagte Federer nach seinem finalen Entfesselungsakt, den er im 100. Australian Open-Match auf dem Centre Court festschrieb. Rod-Laver-Arena heißt dieser Hauptplatz in Melbourne offiziell, und jener Rod Laver, Australiens Legende und Federers Idol, war es auch, der den glückstrunkenen und zu Tränen gerührten Eidgenossen mit dem Siegerpokal beschenkte.

Federer, ganz der Gentlemen, der er ist, vergaß in all seiner augenblicklichen Freude nicht den Mann, der dieses Finale zu einem Klassiker gemacht hatte, zu einer faszinierenden Leistungsschau der alten, ewigen Meister – Rafael Nadal: „Er hätte es genau so verdient gehabt“, sagte Federer, „Tennis ist brutal, es gibt nur einen Sieger. Aber heute wäre ich auch mit einem Unentschieden zufrieden gewesen.“

Die meisten Experten der Branche hatten Federer nicht zugetraut, dass er viereinhalb Jahre nach seinem letzten Major-Sieg noch einmal in einem Grand-Slam-Turnier triumphieren könnte – schon gar nicht, nachdem er in der vergangenen Saison wie nie zuvor mit härtnäckigen Verletzungsproblemen konfrontiert gewesen war. Nach dem Aus in Wimbledon erwies sich Federer allerdings wieder einmal als heller strategischer Kopf – statt eines holprigen Weiter So-Lavierens in dem verfluchten Tennisjahr machte der Maestro einen radikalen Schnitt und verfügte eine Zwangspause.

Körper und Geist aufgeladen

Sechs Monate nahm er sich Zeit, um wieder zu Kräften zu kommen, um Körper, aber auch Geist aufzuladen. Relativ gelassen und ohne Entzugserscheinungen schaute er zu, wie seine Kollegen um die olympischen Medaillen, den US Open- und später noch den WM-Titel spielten. „Hätte ich nicht so lange ausgesetzt, könnte ich jetzt wohl keinen Topspieler mehr schlagen“, sagte Federer in den letzten Tagen einmal in Melbourne, „es war harte Arbeit, dieses Comeback. Aber auch eine Kur für den Körper.“

Geschenkt wurde dem sentimentalen Publikumsfavoriten jedoch nichts. Zwei vergleichsweise angenehme Auftaktpartien gaben ihm Gelegenheit, die eigene Form abzuklären, Vertrauen in die Schläge und die körperliche Belastbarkeit zu finden. Doch bis zum Titelstreich hatte er Schwerstarbeit zu leisten, der Künstler und der Malocher in Federer waren gleichermaßen gefragt.

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Erstellt:
30.01.2017, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 46sec
zuletzt aktualisiert: 30.01.2017, 06:00 Uhr

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