Seit 27 Jahren ist Rüdiger Degwert Arzt beim Stuttgarter Tennisturnier - Früher machten ihm die Asse mehr Arbeit

Der Mann, dem die Spitzenspielerinnen vertrauen

Für den Turnierarzt Rüdiger Degwert ist es eine lange, aber schöne Woche beim Porsche Tennis Grand Prix. Seine Patientinnen seien weniger wehleidig als viel mehr ehrgeizig - Einzelsportlerinnen eben.

22.04.2016

Von HELEN WEIBLE

Bereits seit dem Turnier des Jahres 1989, damals noch in Filderstadt, ist Rüdiger Degwert als Arzt für die besten Tennisspielerinnen der Welt im Einsatz. Foto: PTGP

Bereits seit dem Turnier des Jahres 1989, damals noch in Filderstadt, ist Rüdiger Degwert als Arzt für die besten Tennisspielerinnen der Welt im Einsatz. Foto: PTGP

Stuttgart. In seinem 28. Jahr als Arzt beim Porsche Tennis Grand Prix genießt Rüdiger Degwert das einzigartige Flair noch immer wie am ersten Tag. Der Mediziner ist fester Teil der Turnierfamilie. Er schwärmt von der "tollen Atmosphäre" in der Halle, wo er gerade einen ehemaligen, sehr prominenten Patienten getroffen hat: Bastian Schweinsteiger. Degwert kennt den Fußballweltmeister aus seiner Schaffenszeit bei Bayern München. Das Pläuschchen mit dem Lebensgefährten von Ana Ivanovi ist das Sahnehäubchen auf seine Arbeit, die mal mehr, mal weniger anstrengend ist. Die Tage können bei dem hochdotierten WTA-Turnier lang werden. 14 Stunden und mehr. Eine Woche lang, das schlaucht: "Da bist du urlaubsreif", sagt Degwert, um gleich zu betonen: "Aber ich will das hier nicht missen, auch nicht nach 27 Jahren im Einsatz!"

Der in Stuttgart geborene Arzt hat schon mit vielen Profisportlern zu tun gehabt. Schwerpunktmäßig mit Fußballern und Kunstturnern. Die Tennisspielerinnen charakterisieren sich dadurch, "dass sie sich als Einzelsportler nicht in der Mannschaft verstecken können", erklärt Degwert. Weshalb sie enorm auf die Funktionstüchtigkeit ihres Körpers fixiert sind. "Wehleidig" seien sie aber nicht. Er mache eher die Erfahrung, dass die Spielerinnen einen enormen Ehrgeiz mitbringen, um eine konstante Leistung bringen zu können. Egal, ob einheimische oder internationale Tennisgrößen, er habe zu "ein paar einen sehr guten Draht aufgebaut." Konkrete Namen nennt der 56-Jährige nicht. Er hat viele, aber keineswegs alle Spitzenspielerinnen behandelt.

Aber wie kommt ein Spezialist für Schmerztherapie und Sporttraumatologie, der eigentlich ein leidenschaftlicher Skifahrer und Fußballer ist, dazu, bei einem Tennisturnier zu behandeln? Bei den Stuttgarter Kickers hatte Degwert seinerzeit einen Internisten gebraucht. "Ich bat meinen Kollegen Lennart Sewigh um Hilfe und revanchierte mich, indem ich ihm beim Tennisturnier unterstützte, wo er zuvor alleine gearbeitet hat."

Damals waren die Herrn Doktoren viel gefragte Personen, denn noch ohne die Helfer des Roten Kreuzes waren sie auch für das Wohl und Weh der Zuschauer zuständig. Heute hat der Sportmediziner noch den Kardiologen Stefan Zieger, den Orthopäden Wolfgang Gräf und Zahnarzt Jürgen Kohler an seiner Seite. "Wir sind ein nettes Team", sagt Degwert, der einst dem Bayern-Mannschaftsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt assistiert hatte. Immerhin muss sich Degwert in der Zeit des Tennisturniers nicht auch noch um die eigene Praxis kümmern, er ist diese Woche jeden Tag eine halbe Stunde vor dem ersten und entsprechend nach dem letzten Spiel in der Halle im Einsatz.

Das Lazarett der Spielerinnen war früher größer, die Arbeit mehr. Bevor der Porsche Grand Prix im Jahr 2009 das erste Mal im April ausgetragen wurde, fand das Damenturnier stets im Oktober statt. "Da kamen die Spielerinnen müder und anfälliger für Infektionskrankheiten nach Stuttgart", erzählt Degwert. Bei vielen haben sich die Strapazen des engen Turnierkalenders bemerkbar gemacht. "Im Frühjahr sind alle noch fitter und in einer besseren Konstitution." Da hat Degwert mehr Ruhe, die Ballwechsel mitunter ausführlich zu genießen.