Übrigens

Der Medical Mountain von Tübingen wächst

Der Dornröschenschlaf währte lang. Städte wie Freiburg und Heidelberg waren mit der Gründung und Förderung von (Biotech)Start-ups sehr viel früher dran als Tübingen.

22.10.2016

Von Volker Rekittke

Viele Jahre schien es, als habe ausgerechnet Tübingen mit bedeutenden Instituten wie dem MPI, mit Wissenschafts- und Medizin-Leuchttürmen wie Universität und Uniklinikum beim Thema Ausgründungen gepennt.

Bis Brigitte Russ-Scherer, die Vorgängerin von OB Boris Palmer, und der damalige Gemeinderat vor fast 20 Jahren einige mutige und aus heutiger Sicht geradezu visionäre Entscheidungen trafen. 1999 wurde die Technologieförderung TF R-T von Tübingen und Reutlingen gegründet, 2003 das von der
L-Bank finanzierte Biotechnologiezentrum (BTZ) auf der Viehweide fertiggestellt. Für Start-ups waren es schwere Zeiten nach dem Platzen der Dotcom-Blase. Kapitalgeber hielten sich zurück, längst nicht alle jungen Firmen überlebten. Zeitweise waren im BTZ bis zu zwei Drittel der Flächen nicht vermietet – und die Stadt sprang für sämtliche Mietausfälle ein.

Mit einigen hunderttausend Euro im Jahr subventionierte die Kommune den Technologiepark, Reutlingen steuerte die gleiche Summe bei. In Tübingen sorgte das für manch kritische Stimme. Einer der schärfsten Kritiker war lange der Linken-Stadtrat Anton Brenner. Die Realität hat ihn längst widerlegt.

Denn nach langer Durststrecke kam 2010 die Wende. Seitdem ist der Biotech-Inkubator auf der Viehweide stets voll belegt, die Nachfrage größer als das Angebot. Im Reutlinger Teil des Technologieparks zieht die L-Bank ein Technologiegebäude nach dem anderen hoch, fünf sind es mittlerweile. Die beiden Städte mussten jahrelang Millionen Euro in ihre Vision investieren. Jetzt können sie sich die Gewerbesteuern teilen.

Der Mut und die Geduld haben sich gelohnt – nicht nur in finanzieller Hinsicht. Einiges spricht dafür, dass in Tübingen derzeit entscheidende Weichen im Kampf gegen Krankheiten wie Krebs und HIV gestellt werden: bei Firmen wie Curevac und Immatics, die aus dem Tübinger Uniklinikum hervorgingen. Und die nun, nein, nicht in irgendeinem Cyber Valley, sondern auf dem Tübinger Medical Mountain expandieren.